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WM 2022 in Katar: Eklat um "One Love"-Armbinde – das stinkt zum Himmel!


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Tagesanbruch
Die WM stinkt jetzt schon zum Himmel

MeinungVon Florian Harms

Aktualisiert am 23.11.2022Lesedauer: 5 Min.
Bundestrainer Hansi Flick lässt sich von der Fifa gängeln.Vergrößern des Bildes
Bundestrainer Hansi Flick lässt sich von der Fifa gängeln. (Quelle: Matthias Schrader/dpa)
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"Jaum assal, jaum bassal", lautet mein arabisches Lieblingssprichwort, "ein Tag Honig, ein Tag Zwiebel". Etwas freier übersetzt: Mal haste Glück, mal haste Pech. So einfach ist das nämlich im Leben. Was Fußballfreunde gegenwärtig rund um die Weltmeisterschaft erleben, verlangt jedoch eine Umformulierung des Sprichworts: Dafür passt besser "Kull jaum bassal" – "jeden Tag Zwiebel". Die WM in Katar stinkt zum Himmel wie eine schimmlige Knolle. Nicht erst seit gestern, als das absurde Drama um die Kapitänsbinde mit dem Diversitätsmotiv "One Love" eskalierte.

Der Gestank begann schon vor zwölf Jahren, als die Fifa-Bosse die WM 2018 an Putins Russland und die WM 2022 an die Diktatoren in Katar vergaben. Gegen 20 der 22 damaligen Entscheider gab es Korruptionsvorwürfe, vermutlich wurden im großen Stil Stimmen gekauft. Es stank weiter, als die Scheichs obszöne Stadien in den Sand setzen ließen und dafür Zigtausende Arbeitssklaven aus Asien und Afrika ausbeuteten. Viele von ihnen sollen in der Bullenhitze auf den Baustellen gestorben sein.

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Es stank weiter, als die Fifa das Turnier in den Winter verlegte. In den meisten Fußballnationen ist nun nix mit Fanmeilen und sommerlicher Ausgelassenheit beim Grillen vorm Anpfiff. Stattdessen hockt man allein in der Bude und stößt beim Zappen zufällig auf halb leere Stadien und desinteressierte Katarer in weißen Gewändern, die sogar beim Eröffnungsspiel ihres eigenen Teams in Scharen das Weite suchten. Und zwischendrin auch noch die Heuchelrede des Fifa-Fürsten Gianni Infantino. Kaum erträglich.

Auch die Kommunikation der Fußballfunktionäre stinkt zum Himmel. Etwa das Rumgeeiere der DFB-Chefs Neuendorf und Bierhoff, denen das Herz schon in die Hose sinkt, wenn der Gianni einmal laut bellt. Nun soll Kapitän Manuel Neuer beim ersten deutschen Gruppenspiel heute um 14 Uhr gegen Japan also doch nicht mit der "One Love"-Armbinde auflaufen, sondern mit einem von der Fifa zensierten Exemplar. Prompt erntete der Deutsche Fußball-Bund eine Ohrfeige von seinem Sponsor Rewe. Zu Recht. Entweder hat man Mumm in den Knochen. Oder Zwiebeln.

Obwohl die Endrunde dieser WM gerade erst begonnen hat, ist sie schon total verkorkst. Sie hätte niemals nach Katar vergeben werden dürfen. Die beklemmende Stimmung in den Stadien und vor den Fernsehern ist die zwangsläufige Folge von Raffgier, Korruption und Ausbeutung. Als Fußballfreund will man das alles nicht hinnehmen. Deshalb empört man sich, und die Empörung ist umso schöner, wenn man sie mit Millionen anderen Rechtschaffenen teilen kann.

Das ist allerdings auch der Punkt, an dem eine Prise Selbstkritik angebracht ist. Wie war das noch damals 1978, als ganz Deutschland dem DFB-Team bei der WM in Argentinien zujubelte, während die dortige Militärjunta Tausende Regimegegner ermordete? Weder vom DFB noch von deutschen Spielern war damals ein kritischer Pieps zu vernehmen – im Gegenteil: "Argentinien ist ein Land, in dem Ordnung herrscht. Ich habe keinen einzigen politischen Gefangenen gesehen", schwadronierte der damalige Kapitän Berti Vogts. Der ARD-Film "Sieg unter Folter" beleuchtet das Turnier im Verbrecherstaat.

Und wie war das vor vier Jahren bei der WM 2018 in Russland, als Deutschland Putin noch als Energielieferanten umschmeichelte? Schon damals brachten die Schergen des Kremlchefs Regimegegner um, hatten Wahlen im Westen manipuliert und den Deutschen Bundestag gehackt. Einen Aufstand der Anständigen gab es hierzulande jedoch nicht.

Die Empörung über die absurde WM in Katar ist berechtigt. Aber es umweht sie auch ein Hauch der Bigotterie. Sie ertönt nicht deshalb so laut, weil die Missstände im Ausrichterland so außergewöhnlich sind. Sondern weil sich unsere Gesellschaft verändert hat: Toleranz und Diversität gelten nicht mehr als nette Sekundärtugenden, sondern sind Selbstverständlichkeiten. Allerdings nur in den westlichen Ländern. In anderen Weltregionen, zum Beispiel am Arabischen Golf, wirkt der missionarische Eifer der Westler in vielen Ohren befremdlich oder gar beleidigend. Das bedeutet nicht, dass wir unsere Werte an der Garderobe abgeben müssen. Aber besser erklären sollten wir sie schon. Dafür gibt es bestimmt geeignetere Mittel als eine Kapitänsbinde.


Wir sind trotzdem da

Darf, kann, soll man über die WM in Katar berichten? Wir in der Redaktion von t-online finden: Ja, unbedingt. Weil Millionen Fußballfans sich über die Spiele freuen und weil die Missstände in Katar und bei der Fifa beleuchtet werden sollten. Deshalb haben wir unsere Reporter Noah Platschko und Benjamin Zurmühl nach Katar geschickt, deshalb berichtet unser Sportchef Andreas Becker mit seinem Team aus dem Newsroom in Berlin. Sie können sich darauf verlassen: Wir lassen uns vom Glanz am Golf nicht blenden.


EU gegen Russland

Acht Sanktionspakete hat die EU schon gegen Russland verabschiedet, doch zuletzt bröckelte die Front der 27 Mitgliedsländer: Während Polen, Lettland, Estland und Litauen für weitere Strafen eintraten, sperrte sich Belgien gegen ein Importverbot für Diamanten, Ungarn blockierte verschärfte Energiesanktionen. Diplomaten klagten über die "strategische Ermattung" der EU. Heute will das Europaparlament zumindest über eine Resolution abstimmen, die Russland als "staatlichen Terrorismus-Unterstützer" brandmarkt. Dabei mag es sich zunächst um eine eher symbolische Feststellung handeln. Sie wäre aber nicht nur inhaltlich gerechtfertigt, sondern kann auch helfen, wenn Putin und seine Schergen dereinst vor einem internationalen Gericht zur Rechenschaft gezogen werden.


Urteil über Schottlands Schicksal

Nicht nur in Großbritannien blickt man heute gespannt nach London: Dort gibt am Vormittag das höchste Gericht des Vereinigten Königreichs sein Urteil im Streit um ein zweites Unabhängigkeitsreferendum in Schottland bekannt. Der Supreme Court soll entscheiden, ob Edinburgh ohne Zustimmung aus London eine Volksabstimmung ansetzen darf. Regierungschefin Nicola Sturgeon will Schottland in die EU zurückführen – die britische Regierung sperrt sich dagegen. Bei einer ersten Volksabstimmung 2014 stimmte eine Mehrheit der Schotten für den Verbleib in Großbritannien. Seit dem Brexit schlägt das Pendel aber in die andere Richtung aus, in Umfragen liegen die Unabhängigkeitsbefürworter knapp vor den Unionisten.

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Sprung in die Geschichte

In Berlin wird ein Museum der anderen Art eröffnet: Das Cold War Museum Unter den Linden zeigt Aspekte des Kalten Krieges zwischen Ost und West in rein digitaler Form. Höhepunkt ist die Installation "Der Sprung" von Boris Hars-Tschachotin, bei der Besucher mittels einer VR-Brille den historischen Moment einer Flucht aus der DDR hautnah miterleben können. Sollte man gesehen haben.


Was lesen?

Die Ampelparteien haben sich mit der Union auf einen Kompromiss beim Bürgergeld verständigt: Bezieher dürfen nur 40.000 statt 60.000 Euro Vermögen behalten, die sanktionsfreie "Vertrauenszeit" von sechs Monaten wird gestrichen, die Karenzzeit von zwei Jahren, in denen die Kosten der Wohnung ohne weitere Überprüfung übernommen werden, auf ein Jahr verkürzt. CDU-Chef Friedrich Merz feiert das als seinen Erfolg. Warum die meisten Sanktionen gegen Arbeitslose in Wirklichkeit jedoch Kokolores sind, erfahren Sie in diesem Interview unserer Chefreporterin Miriam Hollstein mit einem Jobcenter-Chef.




Eigentlich sind Raumfahrer Helden. Doch diese drei Astronauten drehten 1971 ein krummes Ding. Mehr auf unserem Historischen Bild.


Was amüsiert mich?

Merz und Söder bersten vor Empathie.

Ich wünsche Ihnen einen solidarischen Tag.

Herzliche Grüße

Ihr

Florian Harms
Chefredakteur t-online
E-Mail: t-online-newsletter@stroeer.de

Mit Material von dpa.

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