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NRW: Gaga-Strafverfahren nach Munitionsfund bei Ex von Staatssekretärin


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Ex-Partner von Staatssekretärin
NRW-Behörden führten Gaga-Verfahren gegen Katastrophenhilfe-Chef


03.11.2024Lesedauer: 5 Min.
Freigesprochen: Michael Lesmeister wurde wegen nicht haltbarer Vorwürfe nach dem Waffengesetz verfolgt.Vergrößern des Bildes
Freigesprochen: Michael Lesmeister wurde wegen nicht haltbarer Vorwürfe nach dem Waffengesetz verfolgt. (Quelle: Lars Wienand)
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Ein Freispruch wirft Fragen auf: In Nordrhein-Westfalen wurde ein Mann mit einem fragwürdigen Strafverfahren überzogen. Seine Ex-Partnerin ist die Nummer 2 in der Kommandostruktur der Polizei, hat sich aber nach ihren Angaben nicht eingemischt.

Ein Mann findet auf Europas größtem Trainingszentrum für Feuerwehr, Polizei, Militär und Katastrophenschutz ein Magazin mit Übungsmunition von Behörden – und landet vor Gericht, nachdem er sie sicher in seinem Waffentresor verschlossen hat. Pikant macht den Fall, wem da unter welchen Umständen der Prozess gemacht wurde.

Vom Vorwurf des Verstoßes gegen das Waffengesetz wurde nach kurzem Prozess am Amtsgericht Kleve Michael Lesmeister freigesprochen, Chef der Rettungsorganisation ISAR Germany, deren Spezialisten weltweit oft unter den ersten Helfern bei schweren Katastrophen sind. Seine Ex-Partnerin ist Daniela Lesmeister, seit 2022 Staatssekretärin und Vertreterin von Nordrhein-Westfalens Innenminister Herbert Reul (beide CDU), zuvor Abteilungsleiterin Polizei im Innenministerium. Polizei und Justiz haben offenbar Fehler gemacht, als sie gegen ihren Mann vorgegangen sind.

In dem Fall hatte der Jäger die Munition mitgenommen, den Betreiber des Trainingszentrums über den Fund informiert und die Patronen zur Verwahrung in seinen Waffentresor gelegt. Dort wurden sie zwei Tage später bei einer Durchsuchung zufällig gefunden, die nach einer Anzeige seiner Noch-Ehefrau erfolgt war. Am Ende bekam er deshalb zunächst einen Strafbefehl und saß dann als Angeklagter im Gerichtssaal.

Staatsanwaltschaft forderte dann selbst Freispruch

Dort forderte aber dann auch die Staatsanwaltschaft selbst Freispruch. Verteidiger Christian Teppe, Spezialist für Waffenrecht und Autor des Spiegel-Bestsellers "Der kleine Jäger-Knigge", fasste die Kriminalisierung seines Mandanten so zusammen: "Er ist bei Grün über die Ampel gegangen und wird dargestellt, als sei er ein Schwerverbrecher!"

Teppe forderte, dass die Staatsanwaltschaft Kleve aufklärt, wieso offenbar ein Unschuldiger verfolgt worden sei: "Sorgen Sie dafür, dass sich ein solches Vorgehen nicht wiederholt!" t-online sagte er, dass es um ein mögliches Offizialdelikt gehe, bei dem die Staatsanwaltschaft von sich aus tätig werden müsse.

Er äußerte auch Verwunderung über das Vorgehen der Staatsanwaltschaft. Diese habe einen Strafbefehl gegen den Mandanten erwirkt und daran festgehalten, "obwohl wir sehr oft darauf hingewiesen haben, dass keine strafbare Handlung vorliegt". Gegen den Strafbefehl mit 30 Tagessätzen hatte die Verteidigung Einspruch eingelegt, deshalb kam es zur Verhandlung.

Richter: Da gab es kein strafbares Handeln

Für den Prozess hatte die Verteidigung beim Waffensachverständigen Lars Winkelsdorf ein Gutachten in Auftrag gegeben, das die Vorwürfe offenbar detailliert zerpflückt hätte. Es war im Prozess aber gar nicht mehr gefragt: Als die Verteidigung zu Verhandlungsbeginn darauf eingehen wollte, unterbrach der Richter. Er habe sich eine waffenrechtliche Meinung gebildet, demnach sehe er gar kein strafbares Handeln.

Waffengutachter Winkelsdorf sagte t-online nach der Verhandlung: "Es ist bisher die einzige von rund 550 Waffenbehörden in Deutschland, die auf die Idee kommt, gegen den Finder zu ermitteln." Die Behörde schreibe sogar auf ihrer Internetseite selbst richtig, dass bei umgehender Meldung keine strafrechtlichen Konsequenzen zu erwarten sind. Das Vorgehen sei für ihn unerklärlich.

Es geht um die Polizei im Kreis Kleve, wo Lesmeister mit seiner Frau wohnte. Inzwischen lebe er in Trennung, sagte er auf Frage des Gerichts. Getrennt haben sich auch ihre Wege bei der Hilfsorganisation: Die Staatssekretärin beendete im März 2023 ihre ehrenamtliche internationale Einsatztätigkeit für die ISAR Germany Stiftung gGmbH, die ihr 2010 sogar einen "Bambi" eingebracht hatte.

Ihr Ausstieg dort fällt zeitlich zusammen mit einer Hausdurchsuchung, bei der die fragliche Munition entdeckt wurde. Am 14. März 2023 waren Polizisten im Anwesen, um den Waffenschrank von Michael Lesmeister zu durchsuchen und die Waffen mitzunehmen. Ihnen öffnete die Haushälterin und sagte, schon informiert zu sein.

Trennung und Anzeige kurz vor Durchsuchung

Die Durchsuchung war im Zuge eines "anderen Verfahrens" erfolgt, hieß es im Prozess. Dieses sei aber abgeschlossen und Michael Lesmeister weiter unbescholten, so die Verteidigung. Worum es dabei ging, blieb nebulös. Verteidiger Teppe wollte auf Anfrage von t-online die Informationen nicht kommentieren, dass in diesem anderen Verfahren Lesmeisters Frau Anzeige erstattet hatte. Diesen Hergang bestätigte die Staatssekretärin später selbst t-online.

In der Verhandlung gab es keine Hinweise, dass sie auf das Ermittlungsverfahren wegen der Munition Einfluss genommen hat. Als Amtschefin führt sie im für die Polizei zuständigen Ministerium die laufenden Geschäfte und ist auch die Fachaufsicht über diese.

Auch Daniela Lesmeister erklärte t-online, sie habe sich nicht in das Ermittlungsverfahren um die gefundene Munition eingeschaltet. Zur Vorgeschichte: Sie hat sich am 10. März 2023 von ihrem Mann getrennt und ihn wegen häuslicher Gewalt und Bedrohung angezeigt. Dabei habe sie angegeben, dass er als Jäger über scharfe Schusswaffen verfüge. Außenstehende als Zeugen für strafbare Handlungen gab es nach t-online-Informationen nicht.

"Wollte wie jeder andere Bürger behandelt werden"

Sie habe bei ihrer Anzeige "auch klar ausgedrückt, dass ich wie jeder andere Bürger behandelt werden will". Das Verfahren danach sei im Rahmen eines Täter-Opfer-Ausgleichs abgeschlossen worden. In diesem Zuge habe ihr Ex-Partner einer wohltätigen Organisation eine Zahlung geleistet. Sie engagiere sich in einem von ihr gegründeten Verein, um Opfern von häuslicher Gewalt zu helfen.

Von den folgenden Ermittlungen wegen der Munition habe sie "nur durch Erzählungen ihres Mannes bei gemeinsamen Freunden und Bekannten erfahren", sagte Lesmeister zu t-online. Die Haushälterin habe tatsächlich von ihr von der Durchsuchung gewusst. Sie erklärt das so: Die Polizei habe ihr als Anzeigeerstatterin angekündigt, wegen seiner Waffen ins Haus zu wollen, "und ich habe gearbeitet, war nicht zu Hause und habe die Haushälterin gebeten, die Tür zu öffnen".

Am Tag der Durchsuchung stießen die Ermittler im Tresor auf Lesmeisters legale Waffen und seine Munition – ebenso wie auf den von ihm verwahrten Fund vom Übungsgelände. Dabei handelte es sich um ein Magazin mit sogenannter Fx-Munition. Das sind Patronen mit geringer Geschossenergie, die bei Treffern Farbmarkierungen hinterlassen und zu Übungen von Polizei und Militär mit speziellen Waffen eingesetzt werden.

Munition hatte zwei Tage im Safe gelegen

Von der Polizei Kleve gingen Magazin und Patronen aus "Geheimhaltungsgründen" ohne Informationen zu Tatortadresse und Personalien für ein Gutachten ans Landeskriminalamt Nordrhein-Westfalen. Dort, so kritisierte Anwalt Teppe, seien ausschließlich belastende Umstände aufgeführt worden. "Man hat den Eindruck, dass die Ermittlungen vom Ergebnis her geführt wurden" – also mit dem Ziel, den Waffenbesitzer zu belasten. Es sei unklar, ob das "systemisch oder einzelfallbezogen" erfolgt sei.

Michael Lesmeister hatte die Munition nach seiner Darstellung zwei Tage vor der Durchsuchung am 12. März auf der Training Base Weeze gefunden. Am Tag der Durchsuchung war er stationär in einer Klinik. Von dort gab er den Polizisten bei der Durchsuchung telefonisch die Safe-Kombination durch und informierte ein oder zwei Tage nach der Durchsuchung die Polizei, unter den sichergestellten Gegenständen sei auch die Munition, die ihm nicht selbst gehöre.

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Für den Richter stand fest: Lesmeister ist zeitlich im Rahmen der Frist geblieben. Nach einem Fund gebe es vorübergehende Besitzerlaubnis. Der Begriff einer "unverzüglichen" Meldung des Fundes sei dehnbar. Der Austausch von Lesmeister mit dem Inhaber des Trainingsgeländes zeige auch, dass Lesmeister die Munition nicht für sich habe behalten wollen.

Die Verteidigung forderte, dass Lesmeister jetzt umgehend Jagdschein und Waffenbesitzkarte zurückerhält und ein ergangenes Waffenverbot aufgehoben wird.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherchen
  • Teilnahme am Prozess
  • Anfrage an Daniela Lesmeister
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