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Olof Palmes mutmaßlicher Mörder: Was weiß man über den "Skandia-Mann"?


Olof Palmes mutmaßlicher Mörder
Was weiß man über den "Skandia-Mann"?

Aktualisiert am 10.06.2020Lesedauer: 4 Min.
Stig Engström: Der Grafik-Designer und Zeuge des Mordes stand immer wieder im Verdacht, selbst der Täter zu sein.Vergrößern des Bildes
Stig Engström: Der Grafik-Designer und Zeuge des Mordes stand immer wieder im Verdacht, selbst der Täter zu sein. (Quelle: Goran Arnback/TT News Agency/ap)

1986 erschütterte der Mord am schwedischen Premier Olof Palme die Welt. CIA und PKK standen im Verdacht, selbst die Polizei. Nun gibt es einen mutmaßlichen Täter – und die Ermittlungen werden eingestellt.

Es war eine Ermittlung der Superlative. 10.000 Zeugen wurden vernommen, 8.000 Spuren untersucht, rund 250 Meter Akten angelegt. Alles, um den Mörder des schwedischen Ministerpräsidenten Olof Palme zu ermitteln, der am 28. Februar 1986 in Stockholm von einem Unbekannten erschossen worden ist. Seit 32 Jahren rätselten die Schweden, wer die Tat begangen hat.

Nun hat die Polizei nach eigenen Angaben den mutmaßlichen Täter ausgemacht. Es sei erwiesen, dass der Grafik-Designer Stig Engström im Jahr 1986 Palme erschossen habe, sagte Staatsanwalt Krister Petersson am Mittwoch. Viele Schweden dürfte das nicht überraschen. Engström ist ein der dortigen Öffentlichkeit wohl bekannter Mann. Er war 1986 der erste Zeuge am Tatort. Mehr Infos zur Mitteilung der Polizei finden Sie hier.

Neue Erkenntnisse über Engström

Der Tatablauf gestaltete sich wie folgt: Am Abend des 28. Februar 1986 hatte Palme zusammen mit seiner Frau Lisbet im Kino einen Film angeschaut, nach 23 Uhr verließen sie das Lichtspielhaus. Auf ihrem Weg nach Hause lag das Ausstattungsgeschäft Dekorima. Vor dessen Schaufenster soll, so Zeugen später, ein Mann gewartet haben. Er holte das Paar ein und schoss Palme aus 30 Zentimeter Entfernung in den Rücken. Die Kugel zerfetzte die Aorta des Premiers.

Stig Engström meldete sich nach dem Mord als Zeuge. Landesweit wurde er als der "Skandia-Mann" bekannt, einfach weil er in dem nahe liegenden "Skandia"-Gebäude bis spät in die Nacht Überstunden gemacht hatte. Viermal vernahmen Polizeibeamte Engström, später trat er mit seiner Schilderung der verhängnisvollen Nacht immer wieder im Fernsehen auf.

Nach langen Recherchen des Journalisten Thomas Pettersson und offenbar gefüttert mit neuesten Erkenntnissen der Sonderkommission zum Mord an Palme berichtete das Magazin "Filter" im Mai 2018 aufsehenerregende neue Erkenntnisse über Engström. Er hatte durch einen Freund nicht nur Zugang zu einem Exemplar der mutmaßlichen Tatwaffe, sondern war ein trainierter Schütze. Vor allem aber: Engström hatte laut "Filter" ein Motiv. Und zwar einen ausgeprägten Hass auf Palme und dessen sozialdemokratische Politik. Er soll dies auch immer wieder offen erklärt haben.

Erbitterte Gegner

Die Ermittlungen zum Mord an Olof Palme waren von Anfang an verworren: Mehr als 100 Personen galten im Laufe der Jahre als tatverdächtig. Mal stand die kurdische Partei PKK im Fokus, die der Sozialdemokrat Palme als Terrorgruppe eingestuft hatte. Oder das südafrikanische Regime, weil Palme das Apartheid-System ächten wollte. Auch über rechte Kreise in Skandinavien wurde spekuliert, die amerikanische CIA, den israelischen Mossad oder gar die Palästinenser von der PLO. Und nicht zuletzt: Die schwedischen Sicherheitsbehörden selbst, die sich gegen den 59-jährigen Politiker verschworen haben könnten.

Palme, der Schweden elf Jahre lang regiert hatte, war umstritten: Im Inneren baute er den Sozialstaat massiv aus, finanziert durch höhere Steuern. In der Außenpolitik hatte er lange zuvor den Vietnam-Krieg der Amerikaner harsch kritisiert, wollte jetzt den Gesprächsfaden mit dem Ostblock aufnehmen. Palme hatte frenetisch applaudierende Freunde auf seiner Seite – und noch mehr erbitterte Gegner.

Pannen, Pannen, Pannen

Hat die Wucht des Falls die Ermittler irritiert? Oder legten einige unter ihnen bewusst falsche Spuren? Ihre ersten kapitalen Fehler waren unmittelbar nach dem Eintreffen am Tatort passiert. Die Uhrzeit der beiden Schüsse, irgendwann zwischen 23.15 Uhr und 23.32 Uhr, wurde ungenau festgelegt. Der Tatort wiederum viel zu eng abgesteckt und abgesperrt. Zwei Geschosshülsen aus der Tatwaffe fanden Passanten am nächsten und übernächsten Tag außerhalb der gesperrten Zone.

Anrufe in der Polizeizentrale wurden nicht durchgestellt, weder Fingerabdrücke sichergestellt noch Material, das nach heutigem Stand der Kriminaltechnik DNA-tauglich gewesen wäre. Dilettantisch entwickelten sich die Ermittlungen weiter: Bis heute ist unklar, ob eine Waffe vom Typ Smith and Wesson mit dem Kaliber 357, später aus einem See gefischt und einem Journalisten zugeschickt, die Mordwaffe war. Nie geklärt wurde zudem auch, warum Zeugen kurz nach den Schüssen zahlreiche Männer in der Umgebung des Tatorts mit Walkie Talkies gesehen haben.

Mysteriöse Todesfälle

Nicht nur deswegen wird bis heute über eine Tatbeteiligung der schwedischen Sicherheitsbehörden spekuliert. Chefermittler Hans Holmer musste zurücktreten, nachdem er erklärt hatte, er sei in der Tatnacht nicht in Stockholm gewesen. Als Holmers Chauffeur das Gegenteil erzählen wollte, fand man ihn kurz vor der Aussage tot auf. Weitgehend unwidersprochen blieb auch eine Behauptung, kurz vor dem Palme-Mord habe es eine Verabredung führender Polizisten beziehungsweise Militärs zum Putsch gegen die sozialdemokratische Regierung gegeben.

Ein Mann namens Christer Petersson wurde schließlich von Lisbet Palme als Mörder ihres Mannes bei einer Gegenüberstellung identifiziert. Ein Trunkenbold und Drogensüchtiger, mit Schnurrbart und großer Statur. Aber auch hier unterliefen den Fahndern so viele Fehler, sodass der Mann 1990 freigelassen wurde. 2004 starb er – nach einem Unfall.

Der nun als mutmaßlicher Täter benannte Stig Engström kann ebenfalls nicht mehr befragt werden. Im Jahr 2000 hat er sich mit einer Schusswaffe das Leben genommen. Eine Anklage könne deshalb nicht mehr gegen ihn erhoben werden, gab Staatsanwalt Krister Petersson am Mittwoch bekannt. Die Palme-Ermittlungen werden deshalb eingestellt.

Dieser Artikel erschien bereits in einer älteren Fassung am 28.02.2019. Wir haben ihn aufgrund der aktuellen Nachrichtenlage für Sie aktualisiert.

Verwendete Quellen
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