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Rechtsextremist Martin Sellner könnte selbst Einreiseverbot bekommen


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Rechtsextremer mit Vertreibungsfantasien
Deutschland prüft Grenzschließung für Rechtsextremist Sellner


Aktualisiert am 22.01.2024Lesedauer: 4 Min.
"Remigrationstour": Martin Sellner ist als lebender Werbeträger für die Fantasien unterwegs, Millionen Menschen aus Deutschland zu werfen. Künftig könnte an der Grenze selbst für ihn Schluss sein.Vergrößern des Bildes
"Remigrationstour": Martin Sellner ist als lebender Werbeträger für die Fantasien unterwegs, Millionen Menschen aus Deutschland hinauszuwerfen. Künftig könnte an der Grenze für ihn selbst Schluss sein. (Quelle: Flickr/Martin Sellner (CC BY 2.0 DEED) )
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Er will Millionen Menschen aus Deutschland vertreiben lassen – und darf vielleicht selbst bald nicht mehr nach Deutschland: Behörden prüfen, ob Martin Sellner die Einreise verwehrt werden soll.

Es dauerte etwas länger an der Grenze: Bei Fernbussen sieht die Bundespolizei oft genauer hin, weil damit Migranten illegal ins Land kommen wollen. Am 8. Januar war es aber ein Österreicher, der die Aufmerksamkeit erregte: Martin Sellner, das Gesicht der "Identitären Bewegung" im deutschsprachigen Raum, musste an seinem 35. Geburtstag Ausweis und Reisegepäck zu einer genaueren Inspektion abgeben und erklären, was er in Deutschland will. Sellner erzählte nach seiner eigenen Darstellung etwas von "Bekannte besuchen". Nach 40 Minuten durfte der Bus mit ihm weiterfahren und Sellner reiste nach Dresden, wo er bei von den "Freien Sachsen" orchestrierten "Bauernprotesten" teilnehmen wollte.

USA und Großbritannien verhängten Sperre

Sellner war der Mann, der im Haus Adlon in Potsdam vor Politikern von AfD und aus der Werteunion und der CDU sein "Konzept" ausbreitete, Millionen Menschen mit Migrationshintergrund aus Deutschland zu vertreiben. Sellner ist der Akteur, der seit Jahren für seine Ideen den verharmlosenden Begriff "Remigration" nutzt und damit Vorreiter war für AfD-Politiker. Der aus dem Neonazi-Umfeld stammende Sellner war bis Anfang 2023 Sprecher der "Identitären Bewegung" Österreichs, gilt aber im gesamten deutschsprachigen Raum als zentraler Taktgeber.

Nach Informationen von t-online gibt es nun im Bundesinnenministerium (BMI) Überlegungen, gegen Sellner eine Einreisesperre zu verhängen. Obwohl EU-Bürger, dürfte er dann zumindest befristet nicht mehr für Vorträge und Treffen nach Deutschland kommen. Großbritannien und die USA haben gegen ihn bereits einen entsprechenden Bann erlassen. Die Idee ist aber umstritten.

In der nicht öffentlichen Sitzung des Innenausschusses in der vergangenen Woche erklärte nach Informationen von t-online die Parlamentarische Staatssekretärin Rita Schwarzelühr-Sutter (SPD), in Rücksprache mit den Ländern werde geprüft, ein Einreiseverbot zu erlassen. Die Faeser-Vertraute sprach von hohen Hürden, EU-Bürgern das Recht auf Einreise und Aufenthalt im Bundesgebiet zu verweigern. Allerdings gehörte Großbritannien auch noch zur EU, als Sellner im Jahr 2018 zweimal bei der Einreise in London festgenommen und in eine Abschiebeeinrichtung gebracht wurde. Aus Kreisen der "Identitären" hieß es zur Begründung der Behörden, Sellner habe nach deren Ansicht dort zum "Rassenhass aufstacheln" wollen. Auch der Pegida-Gründer Lutz Bachmann durfte damals nicht nach Großbritannien einreisen.

Schwarzelühr-Sutter erklärte im Ausschuss nach t-online-Informationen, bei einer Gefahr für öffentliche Sicherheit und Ordnung könne das Recht entzogen werden. Offiziell will das Ministerium dazu nichts sagen: "Zu Gesprächsinhalten in nicht öffentlichen Sitzungen der Ausschüsse des Deutschen Bundestages nimmt das BMI nicht Stellung." Auch zu "etwaigen laufenden freizügigkeitsrechtlichen Verfahren gegen Einzelpersonen nimmt das BMI grundsätzlich nicht Stellung". Ob bereits entsprechende Prüfungen seitens der zuständigen Landesbehörden erfolgen, sei nicht bekannt. Sellner selbst beantwortete Fragen von t-online nicht. Ehe ein Einreiseverbot verhängt würde, müsste er laut Ministerium noch angehört werden.

Früherer Innensenator fordert Einreiseverbot

Martina Renner, Sprecherin der Linken für Antifaschismus und langjährige Obfrau der Fraktion für den Innenausschuss, sagte t-online, die hohen Voraussetzungen für einen solchen Schritt seien in der Person Sellners aus ihrer Sicht erfüllt. "Denn er plädiert ganz offen für die Abschaffung unserer Verfassungsordnung. Dazu müssen wir ihn aber nicht einladen!" In der Vergangenheit sei Neonazis aus Deutschland die Ausreise etwa nach Bulgarien oder Ungarn untersagt worden, umgekehrt solle dies auch für die Einreise ausländischer Neonazis nach Deutschland genutzt werden. Auf X schrieb sie noch: Es gehe um "konkrete Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und um ein Geschäftsmodell der extrem Rechten, am Rande solcher Veranstaltungen Spenden für Projekte der Identitären Bewegung einzuspielen".

Die Möglichkeit eines Einreiseverbots hatte bereits der frühere Berliner Innensenator Ehrhart Körting (SPD) in einem Gastbeitrag für den "Tagesspiegel" ins Gespräch gebracht. "Rechtsextremisten, die gegenüber sich rechtmäßig in der Bundesrepublik aufhaltenden Personen eine Ausweisung und Abschiebung vorschlagen, gefährden die öffentliche Sicherheit und Ordnung. Dementsprechend ist zu fordern, Herrn Sellner Einreisen in die Bundesrepublik Deutschland zu untersagen."

Aber in den Regierungsparteien gibt es auch eine andere Ansicht: Lamya Kaddor, Sprecherin der Grünen-Fraktion für Innenpolitik, sieht nicht nur in rechtlichen Hürden ein Hindernis: "Ein Einreiseverbot für Martin Sellner wäre politisch kontraproduktiv, denn es stärkt lediglich das Opfernarrativ der Rechten." Diese Leute agierten und verabredeten sich in ganz Europa – wenn nicht mehr in Deutschland, dann eben in einem andern Land. "Ihre menschenverachtende Ideologie kursiert und gedeiht auch im Netz. Einreiseverbote werden dem Problem daher nicht gerecht. Vielmehr müssen unsere Sicherheitsbehörden jeden Winkel dieses braunen Sumpfes ausleuchten und gegebenenfalls anlassbezogen bei Veranstaltungen der Szene in Deutschland reagieren."

Spotify lässt Sellner nicht mehr rein

Für Sellner gibt es unterdessen bereits im Netz neue Grenzen: Der Audio-Streamingdienst Spotify hat ihn von der Plattform verbannt. Eine Spotify-Sprecherin sagte der österreichischen Tageszeitung "Der Standard": "Unsere Plattformregeln besagen eindeutig, dass wir keine Inhalte zulassen, die Terrorismus oder gewalttätigen Extremismus fördern oder unterstützen. Nach Überprüfung wurde dieser Inhalt entfernt." Seine Analysen sind dort nicht mehr abrufbar.

Andere Plattformen haben ihn schon länger gesperrt: Instagram und Facebook waren Vorreiter. Im Juli 2020 wurde dann sein persönlicher Account auf Twitter, dem heutigen X, zusammen mit zwei weiteren Accounts der "Identitären Bewegung" gelöscht. In der gleichen Woche machte auch YouTube seinen Kanal mit 100.000 Abonnenten dicht. Diese Plattform nutzt Sellner insgeheim weiter mit einem Kanal, der als leer erscheint. Unterstützern schickt er aber Links zu nicht gelisteten Beiträgen, die sie dann dort abrufen können. Sein wichtigster Kanal ist Telegram; Sellner hatte in der Erwartung von Sperren frühzeitig auf den Messengerdienst gesetzt.

Verwendete Quellen
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