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Nach Flutkatastrophe: Ärger im Ahrtal – Muss die Polizei die Fluthelden stoppen?


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Ärger im Ahrtal
Flutheld nur noch durch Polizei zu stoppen?


Aktualisiert am 24.06.2022Lesedauer: 7 Min.
Beste Freunde in der Flut: Wilhelm Hartmann und Markus Wipperfürth kamen gemeinsam, packten gemeinsam an und kämpfen weiter gemeinsam, um ihre Vorstellungen durchzusetzen.Vergrößern des Bildes
Beste Freunde in der Flut: Wilhelm Hartmann und Markus Wipperfürth kamen gemeinsam, packten gemeinsam an und kämpfen weiter gemeinsam, um ihre Vorstellungen durchzusetzen. (Quelle: Rike Schmickler-Bouvet, Montage:t-online)

Sie waren Fluthelden, jetzt muss die Polizei sie womöglich stoppen: Im Ahrtal spitzt sich Ärger um Helfer zu, die um jeden Preis weitermachen wollen.

Die beiden Fluthelfer Wilhelm Hartmann und Markus Wipperfürth wurden wegen ihrer eindringlichen Facebook-Videos direkt aus dem Katastrophengebiet Ahrtal zu Gesichtern der Katastrophe und zu Helden. Doch weil sie seither ihr Ding durchziehen und Entscheidungen der gewählten Kommunalpolitiker nicht akzeptieren, steht eine Eskalation bevor.

Der Hintergrund: Kurz nach dem 14. Juli, wenn sich die Flutkatastrophe mit mindestens 134 Toten im Ahrtal zum ersten mal jähren wird, schließt der Kreis Ahrweiler das von Hartmann betriebene Helferzentrum: In einem Containerdorf kann bereits nicht mehr übernachtet werden, nach dem 31. Juli sollen Betroffene auch im Baustoffzelt von Hartmann keine Güter mehr abholen können. Hartmann streicht für den Betrieb Gelder vom Kreis ein, legt aber laut der Behörde keine Zahlen vor, die den Bedarf dokumentieren würden.

Die Verwaltung hat angeordnet, dass keine Spenden mehr angenommen werden, damit sich das Zelt vor der Schließung leert. Ungeachtet davon hat Wilhelm Hartmann Unterstützer aufgefordert, weiterhin Hilfsgüter anzuliefern. In einem Video sagte er: "Ihr dürft weiter eure Spenden zu uns bringen, und wenn ich dafür ins Gefängnis muss." Pikant: Diesen Aufruf veröffentlichte er am 14. Juni, nachdem er im E-Mail-Postfach eine Erinnerung von der Behörde an das Verbot gefunden hatte.

Der Kreisverwaltung reicht es nun. Mit klaren Worten ist die Behörde an die Öffentlichkeit gegangen und hat erklärt, das Verhalten werde nicht weiter geduldet. Im Ahrtal wird nun darüber spekuliert, ob die Helfer von einem Gerichtsvollzieher und der Polizei gestoppt werden müssen.

Es geht um Zelt und Wohncontainer

Unmut über das Auftreten des Duos hat sich über Monate aufgebaut. Und immer wieder lieferten Zelt und Containerdorf einen Anlass. Nun gibt es den Beschluss des Kreistags, dass die kontrovers diskutierten Angebote nicht weiter verlängert werden.

Wilhelm Hartmann ist der Betreiber und sieht das nicht ein. Sein Freund Markus Wipperfürth steht ihm bei, er untermauert dessen Forderungen in eigenen Videos. Im Zusammenspiel und mit der großen Facebook-Reichweite bauen sie immer wieder Druck auf. In der Vergangenheit durchaus mit Erfolg: Dass Hartmanns Zelt und Container überhaupt noch stehen, schreiben viele an der Ahr einem Shitstorm zu, den das Duo im vergangenen Jahr entfacht hatte. t-online hatte im Februar unter der Überschrift "Fluthelden auf Besatzerkurs" berichtet, was sich damals bereits abzeichnete.

Dabei hatten sie sich mit ihrer Mission an der Ahr zunächst Kult- und Heldenstatus erworben. Im ersten Chaos waren Wilhelm Hartmann, Gartenbau- und Winterdienst-Unternehmer aus Fulda, und sein Freund Markus Wipperfürth, Lohnunternehmer mit Pferdehöfen, ins Katastrophengebiet gefahren. Am Mittag des 15. Juli 2021, Tag eins nach der katastrophalen Flutnacht, legten sie mit Traktoren und Baugerät auf eigene Faust los. Die Männer mit landwirtschaftlichem Hintergrund hatten die Flutkatastrophe anders als manche Behördenvertreter kommen sehen und waren flexibel.

Als Helfer der ersten Stunde berichteten sie fortan von ihren Einsätzen im Flutgebiet. Mit ihrem schweren Gerät waren sie für viele Betroffene wie Befreier. Wipperfürth bekam in den ersten Tagen nach der Flut so viele Facebook-Reaktionen wie "ZDF heute", "Bild", "Tagesschau" und "Der Spiegel" zusammen.

Auch ohne offizielles Okay aufgestellt

Hartmann merkte schnell, dass es an Infrastruktur fehlt und setzte auch hier an: Nach einem Zelt ließ er Wohncontainer aufstellen, die früher Asylbewerber gedient hatten.

So wie die beiden Unternehmer beim schnellen Anpacken nicht lange gefragt und losgelegt hatten, agierten sie auch beim Containerdorf. Hartmann räumte damals sogar öffentlich ein: "Es hat bisher noch keiner hierzu offiziell Ja gesagt". Im Gegenteil: "Euer Bürgermeister, den ich nicht denunzieren möchte, bezweifelt die Notwendigkeit."

Er hatte die Container von einem Landwirt für 155.000 Euro übernommen. Er musste sie selbst zwar nicht zeitnah bezahlen, Geld von den Behörden dafür wollte er aber schnell sehen und drängte mit Wipperfürth in mehreren Videos auf Kostenerstattung. Zugleich wurden dem Kreis von der landeseigenen Berliner Immobiliengesellschaft 288 Container kostenlos zur Verfügung gestellt.

Die Zweifel an der Notwendigkeit der Hartmann-Hilfe, die damals der Bürgermeister geäußert hatte, sind heute noch bohrender bei Containerdorf und Zelt: Zwar gibt es viele dankbare Betroffene, die sich im Zelt kostenlos Baustoffe abholen konnten und immer noch können, während die Kosten für gekauftes Material nur bis zu 80 Prozent aus staatlichen Hilfsgeldern erstattet werden. Deshalb sind auch manche Bürger über die Schließung empört.

Allerdings gibt es auch andere Hilfsangebote im Tal, und der Hilfebedarf hat sich zudem verändert. Vor allem hat Hartmann aus Sicht der Behörden nie die Zahlen vorgelegt, mit denen Kosten und Nutzen beurteilt werden könnten.

Um das zu verdeutlichen und das Aus verständlich zu machen, ging die Kreisverwaltung selbst in die Offensive: "Festzustellen ist, dass der Betreiber nicht mit der Kreisverwaltung kooperiert und trotz vielfacher Aufforderungen keine Bestrebungen unternommen hat, die für einen möglichen Fortbestand des Projekts erforderlich gewesen wären." Eine Fortsetzung der Zusammenarbeit? Das sei "nicht möglich."

Dass Hartmann trotz des beschlossenen Endes und entgegen der Anordnung weiter Spenden annimmt? „Von unserer Seite aus nicht hinnehmbar“, so der Kreis. Welche Schritte die Kreisverwaltung aber jetzt unternimmt, wenn der unerwünschte Helfer weitermacht, beantwortete sie auf t-online-Anfrage vom Donnerstag zunächt nicht.

Shitstorm nach "Ich gehe"-Ankündigung

Schon im Herbst 2021 stand der Kreis an dem Punkt, dass es mit Hartmann eigentlich nur mit entsprechenden Nachweisen weitergehen sollte. Die Verwaltung hatte ihm geschrieben, zur weiteren Kostenübernahme bedürfe es einer Bedarfsfeststellung. Hartmann machte daraus wenige Stunden nach Erhalt der Nachricht: Es sei offenbar "nicht gewollt, der leidenden Bevölkerung unsere Hilfe zuteil werden zu lassen". Weiter schrieb er auf Facebook: "Ich gebe auf!"

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Schon am nächsten Morgen sicherte der damals kommissarisch agierende Landrat den Weiterbetrieb zu. Dazu stand er bei einem Ortstermin inmitten einer Gruppe aufgewühlter Fans von Hartmann, die auch eine Holzbüste von "Kaiser Wilhelm" enthüllten. Nach dem Posting von Hartmann vom Abend zuvor, er müsse gehen, war ein Proteststurm losgebrochen, der die Kommunalpolitik überrollt hatte.

"Können noch ganz andere Sachen auffahren"

Der plötzliche Shitstorm war lange vorbereitet worden mit Andeutungen und Sticheleien, die unter die Hunderttausende Fans gestreut worden waren. Wipperfürth selbst weist zurück, Shitstorms auszulösen. Er setze sich immer dafür ein, dass seine Follower sich fair und respektvoll verhalten. Er hatte aber sogar erklärt, bei einem Termin von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier in Ostfriesland würden massenhaft Bauern für Hartmann demonstrieren. Sein O-Ton damals in einem Facebook-Video: "Kleiner Wink an die Kreisverwaltung hier, ihr macht Euch gerade keine Freunde. Wir können noch ganz andere Sachen auffahren hier." Im Ahrtal war zudem die Sorge groß, im Sog von Wipperfürth und Hartmann könnten auch andere Helfer gehen.

Damals bekamen die beiden Freunde ihren Willen mit einem Beschluss vom 8. November 2021: Hartmann konnte mit Zelt und Containern umziehen, der Betrieb wurde zunächst bis Ende Mai beschlossen. Das gesamte Paket, als "Zentralisierung und Zusammenführung der Helferorganisationen im Flutgebiet" bezeichnet, sah für den Umzug und den Betrieb von Hartmanns Projekten und weiteren Hilfsangeboten bis Ende Mai bis zu 3,5 Millionen Euro an Kosten vor. Der Gesamtbetrag sollte auch den Betrieb einer anderen Einrichtung mit abdecken, die es dort heute nicht mehr gibt: Der sogenannte Helfershuttle hat sich dem veränderten Bedarf inzwischen angepasst und sich auf eine Onlineplattform verlagert.

An Betriebskosten waren in der Beschlussvorlage für die Projekte der Helfer bis zu 285.000 Euro monatlich vorgesehen, dazu monatliche Mietkosten in Höhe von 140.000 Euro. Wie viel davon für Hartmanns Zelt und Container vorgesehen war, blieb unklar. RTL berichtete von monatlich 50.000 Euro Betriebskosten fürs Zelt.

Markus Wipperfürth gab ein Angebot ab, für 338.638,30 Euro die Flächen herzurichten und später rückzubauen, und bekam den Auftrag. Er machte seine Erwartung bei Arbeiten deutlich: "Ich gehe davon aus, dass das hier mindestens zwei Jahre aktiv bleibt."

Am 31. Mai 2022 entschied der Kreistag in nichtöffentlicher Sitzung, dass dem nicht so ist, und Signale hatte Wilhelm Hartmann zuvor schon bekommen. Für das Containerdorf, in dem Helfer übernachten sollten, war sofort Schluss.

Prüfstatik fehlte lange

Der Kreis rechnete diese Woche in seiner Bilanz vor, was alles schieflief: Übernachtet werden durfte in den Containern nach dem usprünglich für Ende 2021 geplanten Umzug überhaupt erst seit dem 1. April. Vorher habe eine Prüfstatik für die Überdachung gefehlt, obwohl das Bauamt den Betreiber wiederholt zur Vorlage aufgefordert habe. Wie viele Menschen dann im April dort übernachteten? Bei der Dokumentation seien die vom Betreiber genannten Zahlen "nicht prüffähig".

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Das Gleiche bei der Warenausgabe im Baustoffzelt: Wilhelm Hartmann feierte öffentlich, wenn wieder mal Waren im Wert der nächsten Million herausgegeben worden seien – aber das waren stets nur eigene, grobe Schätzungen. Es gibt keine genauen Zahlen.

Sein Freund Markus Wipperfürth verteidigte ihn am Mittwoch in einem Video: "Wer hat daran gedacht im August, dass man Nachweis für Lieferungen erbringen muss, um jetzt das Baustoffzelt weiterbetreiben zu können?" Das sei ein Schlag ins Gesicht aller Spender, "pfui Deibel!"

Grobe Aufschlüsselung nach x Aufforderungen

Fehlende Belege aus dem August 2021 wären aus Sicht der Kreisverwaltung aber wohl auch nicht das große Problem. Sie teilt mit, es sei auch nicht darum gegangen, "jede Schraube zu zählen", wie von den Baustoffzelt-Betreibern behauptet. "Erst Ende April und nach vier weiteren Aufforderungen übermittelte der Betreiber eine grobe Aufschlüsselung von Waren und Leistungen, die jedoch entgegen der Absprache nicht durch Belege dokumentiert waren."

Überprüfen lassen habe sich nur der Wert des Teils der Sachspenden, für welche die Kreisverwaltung selbst Spendenbescheinigungen ausgestellt hatte. Und das Ergebnis habe nicht mit den Angaben des Betreibers übereingestimmt. Intern ist von Chaos die Rede. Und das, obwohl Hartmann das Zelt hauptamtlich führen lässt. Fazit des Kreises: Der Betreiber kommt der Nachweispflicht für die entstandenen Kosten nicht nach.

Und diese Kosten muss der Kreis tragen. Landrätin Cornelia Weigand in der Mitteilung: "Umso wichtiger ist es, dass die Kosten seitens des Betreibers offen und transparent dargelegt werden, damit wir diese verlässlich und seriös überprüfen können."

Transparenz ließ Hartmann auch an anderer Stelle vermissen: Um doch noch den Weiterbetrieb durchzusetzen, werben er und Wipperfürth seit dem 4. Juni für eine Petition mit dieser Forderung. Von den insgesamt fast 40.000 Unterzeichnern haben aber nicht einmal 4.000 erst seit diesem Aufruf unterschrieben. Fast 37.000 hatten die Petition im vergangenen Jahr unterschrieben, als der Text noch ein anderer war (hier die archivierte Originalversion).

Angebliches Gerücht um Kopfgeld

Wenn sie jetzt gehen müssen, dann haben sie zumindest eine Erklärung dafür: Es könnte sein, dass ein Kopfgeld für jeden von ihnen in Höhe von 500.000 Euro ausgesetzt sei, wenn es jemand schaffe, sie aus dem Ahrtal zu vertreiben. Er habe das als "lustiges Gerücht" gehört und wisse gar nicht, ob er das erzählen könne. Tat er dann doch und machte einen anderen Vorschlag: "Den Deal können wir eingehen. Eine Million, dann spenden wir das, und dann bin ich weg aus dem Ahrtal."

Und Hartmann postete ein Video aus der Heimat, wo man ihn zu schätzen wisse. Bei einer Veranstaltung traf er Fuldas Oberbürgermeister Heiko Wingenfeld, und der sagte in Hartmanns Kamera: "Ich freu' mich auf jede Begegnung."

Verwendete Quellen
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