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App-Alarm stark verzögert: Der Warntag wird zum Fehlschlag


Probealarm kommt
Der Warntag wird zum Fehlschlag

Von dpa
Aktualisiert am 10.09.2020Lesedauer: 3 Min.
Der Warntag, der künftig jedes Jahr am zweiten Donnerstag im September stattfinden soll, soll auf Gefahrenlagen wie Überschwemmungen, Chemieunfälle oder auch Terroranschläge vorbereiten.Vergrößern des Bildes
Der Warntag, der künftig jedes Jahr am zweiten Donnerstag im September stattfinden soll, soll auf Gefahrenlagen wie Überschwemmungen, Chemieunfälle oder auch Terroranschläge vorbereiten. (Quelle: Jens Büttner/dpa-Zentralbild/dpa./dpa)
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Bonn/Berlin (dpa) - Der erste bundesweite Warntag hat am Donnerstag deutliche Lücken bei der Alarmierung der Bevölkerung offenbart.

Zum einen wurde deutlich, dass es vielerorts gar keine Sirenen mehr gibt, zum anderen kam die Meldung der Warn-Apps NINA und KATWARN erst mit einer guten halben Stunde Verspätung auf den Smartphones an. Im Ergebnis: Wäre es ein Ernstfall gewesen, hätten viele Bürger nichts mitbekommen.

Das Bundesinnenministerium bezeichnete den Probealarm denn auch offen als "fehlgeschlagen". Grund sei ein technisches Problem gewesen. "Die Vorgänge werden jetzt umfassend aufgearbeitet", kündigte das Ministerium in Berlin an. Die gewonnenen Erkenntnisse sollten bei der weiteren Entwicklung des Warnsystems berücksichtigt werden.

Der Präsident des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) in Bonn, Christoph Unger, machte im Radioprogramm SWR Aktuell verschiedene Leitstellen dafür verantwortlich, dass die Warn-Apps auf den Handys nicht funktioniert hätten. "Sie haben sich nicht an die Absprachen gehalten", sagte Unger. Es sei vereinbart gewesen, dass das Bundesamt die Apps alleine von Bonn aus bedienen würde. Fast zeitgleich seien aber etwa 30 andere Warnmeldungen rausgegangen. "Das hat das System nicht verkraftet", sagte Unger. Bis zum nächsten Warntag im September 2021 müssten die Defizite bereinigt werden.

Der erste Warntag ging an weiten Teilen der Bevölkerung vorbei. Für München erklärte ein Feuerwehrsprecher, es gebe in der Landeshauptstadt seit vielen Jahren keine Sirenen mehr. Sie seien nach dem Ende des Kalten Kriegs nach und nach abgebaut worden. In sozialen Netzwerken äußerten sich viele Nutzer verwundert darüber, dass Sirenen nicht heulten. Der Gehörlosen-Bund twitterte scherzhaft: "Also, wir haben nix gehört."

Der stellvertretende Vorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion, Michael Theurer, bezeichnete den Warntag als "Fiasko". Statt die Bevölkerung mit den Warnsystemen vertraut zu machen, habe der Tag gezeigt, dass diese nicht vernünftig funktionierten.
"Im Bereich Katastrophen- und Bevölkerungsschutz gibt es
praktisch in ganz Deutschland besteht dringenden Handlungsbedarf", so Theurer. Die Bundesregierung müsse jetzt das Versagen der verschiedenen Systeme aufarbeiten und konkrete Lösungen präsentierten.

Der Warntag, der künftig jedes Jahr am zweiten Donnerstag im September stattfinden soll, soll auf Gefahrenlagen wie Überschwemmungen, Chemieunfälle oder auch Terroranschläge vorbereiten. Eingebunden werden sollten alle vorhandenen Warnmittel wie beispielsweise Warn-Apps, Radio und Fernsehen, digitale Werbetafeln, Sirenen und Lautsprecherwagen.

Nicht alle sind davon überzeugt, dass ein solcher Warntag überhaupt sinnvoll ist. Der Psychologe Andreas Hamburger von der International Psychoanalytic University Berlin kritisierte insbesondere den Sireneneinsatz. "Die Menschen, die selber noch als Kinder Luftangriffe erlebt haben, sei es in Deutschland im Krieg, seien es Geflüchtete, die aus Kriegssituationen kommen, werden ganz unmittelbar und sehr intensiv mit Gefühlen von Panik auf solche Signale reagieren", sagte Hamburger der Deutschen Presse-Agentur. "So dass man sich schon die Frage stellen muss oder sollte: Ist es notwendig, und welchem wirklichen Zweck dient es denn, diese Reflexe bei Menschen, die solche Erfahrungen gemacht haben, zu triggern?"

In anderen Ländern sind Warntage teilweise seit langem Routine. So werden in den Niederlanden jeden ersten Montag im Monat alle 3800 Sirenen gleichzeitig getestet. In Tschechien heulen die Sirenen am ersten Mittwoch des Monats auf.

In den USA wird regional beispielsweise vor schweren Unwettern oder vor Überflutungen gewarnt. Im Fernsehen wird dann das laufende Programm automatisch unterbrochen, es ertönt ein wiederkehrendes schrilles Alarmgeräusch. Auf dem Bildschirm erscheint ein Text, der präzisiert, wovor gewarnt wird. Auch aus Handys ertönt im Alarmfall der gleiche schrille Ton, auf dem Display erscheinen Details zur Warnung. Eine wahre Kakophonie ertönt, wenn man in einem Reisebus unterwegs ist, der durch ein Gebiet mit einem schweren Unwetter fährt: Dann schlagen alle Handys an Bord gleichzeitig Alarm.

In Israel gibt es häufig Raketenalarm. Meistens in den Ortschaften in der Nähe des Gazastreifens, mitunter auch an der Nordgrenze zum Libanon und Syrien. Außerdem hat Israels Zivilschutz vor einigen Jahren eine App entwickelt, die bei Raketenangriffen punktuell Menschen in der Gefahrenzone warnt.

In Südkorea heulen die Sirenen normalerweise im Rahmen von zivilen Schutz- oder Verteidigungsübungen. Der Probealarm soll die Bewohner auf mögliche Terroranschläge, aber auch für den Fall eines Angriffs aus Nordkorea vorbereiten. In diesem Jahr fielen die Übungen in der Hauptstadt Seoul allerdings wegen der Corona-Krise aus.

Mexiko wird immer wieder von starken Erdbeben erschüttert. Zur Warnung der Bevölkerung wurde hier ein seismisches Warnsystem installiert: In mehreren Städten ertönt eine Sirene, bevor die Bodenerschütterungen zu spüren sind. Dieser Alarm gibt den Menschen bis zu einer Minute Vorwarnzeit, um die Gebäude zu verlassen oder sich in Sicherheit zu bringen.

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