Qualvoll gestorben 84-Jährige vor Gericht: Ex-Mann angezündet?
Konstanz (dpa) - Eingehakt in den Arm ihrer Verteidigerin betritt die 84-Jährige den Saal des Landgerichts Konstanz. Ihr graues Haar fällt ihr in dünnen Strähnen ins Gesicht; unter ihrer ausladenden Jacke wirkt die betagte Frau schmal, fast zerbrechlich.
Kaum vorstellbar, was die Staatsanwaltschaft ihr zur Last legt: Sie soll mit einem Fleischerhammer aus Metall auf den Kopf ihres Ex-Mannes eingeschlagen haben. Als der 73-Jährige ihr den Hammer abnehmen und den Notruf wählen konnte, habe die Angeklagte Benzin geholt, ihn damit übergossen und angezündet.
Der Mann sei qualvoll gestorben, sagte der Staatsanwalt. Die Tat sei gefühllos gewesen und zeige eine unbarmherzige Gesinnung. Weil auch Teile des Hauses in Brand gerieten, wird der Frau neben Mord auch Brandstiftung vorgeworfen.
Bei den Löscharbeiten fand die Feuerwehr die Leiche des Mannes. Einer der Feuerwehrmänner beschrieb den Anblick als "grauenhaftes Bild". Über die Angeklagte sagten mehrere Feuerwehrmänner, sie habe auf Ansprache nicht reagiert und auch nicht unglücklich gewirkt. Laut einem Feuerwehrmann sah sie sogar "leicht zufrieden" aus.
Die Verteidigerin beantragte eine Aussetzung des Prozesses: Wegen gesundheitlicher Einschränkungen der Angeklagten sei es nicht möglich gewesen, den Prozess vorzubereiten. Die Frau habe erhebliche Seh- und Höreinschränkungen, die eine Kommunikation häufig unmöglich gemacht hätten. Erschwerend sei hinzugekommen, dass Anwältin und Mandantin wegen der Corona-Pandemie durch eine Trennscheibe kommunizieren mussten. Da die 84-Jährige zu Beginn gar keine und später nur eingeschränkt funktionierende Hörgeräte besessen habe, habe sie Fragen häufig nicht verstanden.
Der psychiatrische Sachverständige bestätigte die körperlichen Einschränkungen der Angeklagten. "Sie ist natürlich eine Greisin", sagte er. Sie leide unter einer ausgeprägten Schwerhörigkeit. Hinzu kämen eine Durchblutungsstörung des Gehirns und eine Augenkrankheit, die zur Erblindung führen kann. Allerdings sei sie trotz der Einschränkungen grundsätzlich verhandlungsfähig. Sie sei weder verwirrt noch desorientiert. Man könne allerdings keine sehr langen Gerichtsverhandlungen durchführen, sondern müsse Rücksicht auf die Angeklagte nehmen, sagte der Sachverständige.
Zum Motiv machte der Staatsanwalt zum Prozessauftakt keine Angaben. Nach früheren Angaben vermuteten die Ermittler das Motiv in der Lebenssituation des ehemaligen Paares. Der 73-Jährige habe die Frau trotz einer lange zurückliegenden Trennung weiter bei sich wohnen lassen. Zuletzt hatte er sich aber wohl entschieden, das Haus zu verkaufen und eine neue Beziehung zu suchen.
Die Angeklagte wurde noch nicht zur Tat befragt. Das Gericht entschied, über den Aussetzungsantrag zu einem späteren Zeitpunkt zu entscheiden. Der Prozess ist auf vier Verhandlungstage angesetzt. Ein Urteil wird Mitte August erwartet.