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Wetter – Kachelmann: Darum sind viele Wetter-Apps totaler Unsinn


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Kachelmanns Donnerwetter
Der Taupunkt macht viele Vorhersagen überflüssig

MeinungVon Jörg Kachelmann

Aktualisiert am 05.07.2018Lesedauer: 5 Min.
Frostwetter am Edersee – im Februar: Der Bodenfrost im Juli hat viele überrascht – die kennen offenbar den Taupunkt nicht.Vergrößern des Bildes
Frostwetter am Edersee – im Februar: Der Bodenfrost im Juli hat viele überrascht – die kennen offenbar den Taupunkt nicht. (Quelle: Uwe Zucchi/dpa)

Was ist der Taupunkt? Die meisten Wetterdienste verschweigen ihn gerne. Dabei kann er alles – vor allem Wetter umfassend beschreiben und vorhersagen.

Drei Frosttage hatte der Juli bislang. Und trotzdem ist es richtig warm. Und trocken. Wie passt das alles zusammen? Der Taupunkt kann das alles erklären.

Die tiefen Temperaturen mögen manche überraschen, weil ja gerade allenthalben die Mutter aller Brüllsommer ausgerufen wird. Dabei gibt es beispielsweise im sächsischen Marienberg-Kühnhaide in jedem Monat des Jahres Frost, während der Rest des Landes irgendwas von Sommer erzählt. Dort weiß man: Im Frühling kann man sich das Sommergeblüm für den Balkon sparen – die Natur weiß schon selbst, welche Pflanzen es richtig finden, wenn an einem 2. Juli -4 Grad, am Boden -7 Grad herrschen, und welche nicht.

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Der Sommer ist übrigens auch gar nicht brüllend, was die Temperaturen betrifft – nur die Sonnenstunden und die Dürre im Norden und in der Mitte sind bemerkenswert. Vor allem im Lee von Thüringer Wald und Harz sind die Regenmengen seit Monaten stark unternormal. In Artern im Kyffhäuserkreis fielen von April bis heute gerade mal 35 Liter pro Quadratmeter, das ist weniger, als im trockensten Monat des Jahres erwartbar wäre. Im ganzen Juni waren es popelige 3,2 Liter pro Quadratmeter. Auf der anderen Seite der deutschen Nässeskala fielen im bayerischen Siegsdorf-Höll 413,2 Liter pro Quadratmeter von April bis Juni.

Mehr Zahlen und Fakten zur Dürre finden Sie hier.

Die vielen Sonnenstunden machen das Wetter sommerlich, aber bisher weitgehend hitzefrei – Hitzetage finden statt, wenn die Höchsttemperatur mindestens 30 Grad erreicht. Es gab ein paar, aber weit entfernt von irgendwelchen Rekorden. In Essen gab es in diesem Jahr beispielsweise bisher noch keinen einzigen.

It’s the Taupunkt

Wie passt das nun alles zusammen? Viel Sonne, Dürre, warm, Frost, dunkelblauer Himmel im Juli? Die Antwort ist kurz und einfach, frei nach Bill Clinton: It’s the Taupunkt, stupid. In den US-Wetterberichten begegnet er einem praktisch täglich, denn er ist ein Universalgenie für ganz viele Dinge: Am Taupunkt erkennt man, ob es schwül oder angenehm wird, ob es Gewitter geben kann oder nicht, ob viel UV von der Sonne kommt und wie kalt die Nächte werden. Der Taupunkt kann alles, was die popelige Wursttemperatur oder die depperte relative Feuchtigkeit nicht können: Wetter umfassend beschreiben.

Das Problem ist nur, dass deutsche Medienmeteorologen den Taupunkt verschweigen – weil sie ihn entweder selbst nicht verstehen oder denken, dass Deutsche zu doof dazu sind. Es gibt beim Fernsehen nicht nur Meteorologen, sondern auch Menschen, die zwar völlig ahnungslos über die Materie sind, aber besser aussehen als andere Menschen.

Das ist sicher eine valide Sorge und welcher Kenner des deutschen Schulsystems möchte sich dieser Annahme mit Feuer und Schwert entgegenstellen. Aber es gibt ja t-online.de, das Bildungsfernsehen des 21. Jahrhunderts und wir probieren das nun gemeinsam.

Was ist der Taupunkt?

Der Taupunkt ist eine Temperatur. Wir müssen wissen, dass kältere Luft weniger Feuchtigkeit aufnehmen kann als warme Luft (wir ahnen das, es regnet tierischer in den Tropen als es in der Arktis schneit). Wenn nun eine Luftmasse sich abkühlt, kommt der Moment, in dem sie mit Feuchtigkeit komplett gesättigt ist. Diese Temperatur, bei der das Maximum an Feuchtigkeit in der Luftmasse drin ist und nix mehr reinpasst, nennt man Taupunkt. Wird nämlich nur ein bisschen weiter abgekühlt, muss die Feuchtigkeit raus aus der Luft, wird kondensiert von Wasserdampf zu Wassertröpfchen und es entsteht zum Beispiel (Tusch einspielen) TAU. Deswegen Taupunkt.

Den aktuellen Taupunkt in Ihrer Region finden Sie hier.

Nun zu den Goodies aus dem Taupunkt:

1. Die Sache mit der Schwüle

Die Temperatur sagt nichts über Schwüle aus. Es gibt angenehme 45 Grad in der Wüste und schwüle 18 Grad im Regenwald. Dafür brauchen wir den Taupunkt. Ab 16 darf man jammern, ab 18 wehklagen und ab 20 würde ein Fußballreporter sagen: "Bei diesen Verhältnissen sollten die Jungs in Brasilien nicht spielen müssen."

Wenn man die Karte der Taupunkte in Deutschland von 12 Uhr betrachtet, sieht man die großen Unterschiede – im Süden ist die Schwüle da, in der Mitte ist es extrem trocken (alle werden dort die Wärme als angenehm empfinden) und an der Küste gibt es höhere Taupunkte bei Seewind, weil die Luft nicht trockener und damit der Taupunkt nicht tiefer sein kann als die Wassertemperatur. Deswegen ist es in den Sommerferien immer tierisch schwül an Küsten, die warmes Wasser haben. Es ist nicht das Wetter, it’s the Taupunkt via Wassertemperatur.

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Deswegen freuen sich viele Menschen über den Seewind. Dabei ist er nichts anderes als ein sehr leichter Wind, den wiederum dieselben Menschen am Strand von Fuerteventura total supi finden, sogar in stärkerer Form. Aber darüber kommende Woche mehr.

2. Die Sache mit dem Gewitter

Damit sich Gewitterwolken bilden können, brauchen Sie Feuchtigkeit. Bei Taupunkten von 10 und weniger können Sie es von vornherein vergessen, meistens ist es ab 13, 14 Grad Taupunkt nicht mehr ganz undenkbar. Ein hoher Taupunkt alleine ist noch lange kein Grund, dass es ein Gewitter gibt, aber beim Betrachten der Deutschlandkarte sehen Sie von vornherein, wo sie völlig ausgeschlossen sind. Und technisch reicht Ihnen die Vorhersage des Taupunkts für Mittwochnachmittag um zu wissen, wo sie dann nicht mehr ausgeschlossen sind.
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3. Die Sache mit den UV-Strahlen

Herkömmliche Wettervorhersage-Apps sind Schwachsinn, UV-Apps sind der Gipfel des Schwachsinns. Menschen denken, dass geheimnisvolle Dinge, von denen sie nichts wissen, in diese wunderbaren unwissenschaftlichen Indices gerechnet werden, Ozonloch, Mondstrahlung, Jupiterrotation und mehr. Die Wahrheit: Es ist nichts. Ist ein Tag leicht bewölkt, wird ein bisschen runtergerechnet. Und der allein maßgebende Faktor ist die Feuchtigkeit in der Luft. Viel Soße bedeutet weißlichblauen Himmel, bedeutet weniger UV kommt durch. Wenig Feuchtigkeit in der Luft bedeutet dunkelblauen Himmel, bedeutet viel UV kommt durch. Und raten Sie mal, woran man das alles sieht? Am Taupunkt!

Wenn Sie noch bei Trost sind und wirklich wissen müssen, ob Sie, der Sie nie Sonnenschutz applizieren und noch nie in der Sonne waren, nicht nach 19, sondern nach 18 Minuten Sonnenbrand bekommen: Das Himmelsblau sagt es Ihnen. Falls Sie sich eincremen und auch schon mal in der Sonne waren, ist das ganze UV-Gedöns auf Sie nicht anwendbar. Warum Sie sich trotzdem für den völlig sinnlosen Mist der UV-Welt interessieren, die nur beinhaltet: "Wenn es bewölkt ist, gibt es weniger Sonnenbrand als bei Sonne", entzieht sich meiner Kenntnis. Wer irgendwas in seinem Leben nach dem UV-Index richtet, hat die Kontrolle über sein Leben verloren.

4. Die nächtliche Tiefsttemperatur

Der Taupunkt ist ein gutes Maß, wie kalt es in klaren, windstillen Nächten werden kann. Wenn Sie die Karte von Dienstag 12 Uhr ansehen wissen Sie, warum es im Erzgebirge so kalt werden kann: Der Taupunkt erlaubt es, man braucht nur eine windgeschützte Muldenlage und ein paar Berge drumherum, die die Sonne früher unter- und später aufgehen lassen. In einer klaren Nacht schafft es die Temperatur meistens ein, zwei Grad unter den Taupunkt. Im Flachland wird es nicht so kalt wie in Marienberg-Kühnhaide, da es einen steten Luftaustausch mit dem Umland gibt und nicht alles in Ruhe auskühlen kann wie in der Mulde am Schwarzwasser.

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Wenn Sie das alles verstanden haben, hat sich vieles in Ihrem Leben verändert. Sie haben die Lizenz verloren, RTL2 einzuschalten. Und wenn Sie gefragt werden, wie Sie am liebsten Ihre Freizeit verbringen, dürfen Sie nun Dinge sagen wie: "Ich greife abends gerne zur Bratsche oder sehe manchmal Arte beim Rotwein mit Freunden."

Danke, Taupunkt.

Jörg Kachelmann ist Meteorologe und Unternehmer. Er arbeitet seit vielen Jahren als Wetterexperte für das Fernsehen. Zudem hat er seine eigenen Wetterdienste gegründet. Seit 2015 ist er Chef der Wetterplattform kachelmannwetter.com.

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