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AfD-Wahlerfolg und Islamismus: Juden in Deutschland in Sorge


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Vorsitzender von deutsch-jüdischem Verein
"Diese Hoffnung ist nicht erfüllt worden"

InterviewVon Amir Selim

Aktualisiert am 10.09.2024Lesedauer: 4 Min.
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Björn Höcke: Seine AfD ist nach den Landtagswahlen stärkste Kraft in Thüringen. (Quelle: IMAGO/Dwi Anoraganingrum)

Bei den Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen erzielte die AfD hohe Ergebnisse. Nicht der einzige Grund, warum sich Juden in Deutschland sorgen.

Der Erfolg der AfD bei den Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen besorgt vielen Juden in Deutschland, zumal antisemitische Vorfälle stark zugenommen haben.

Dabei kommt die Bedrohung nicht nur von rechts, sagt Elio Adler, Vorsitzender des Vereins "Werteinitiative – jüdisch-deutsche Positionen". Der Verein versteht sich als eine zivilgesellschaftliche Stimme deutscher Juden.

Im Interview erklärt Adler, wo er weitere Gefahren für Juden in Deutschland sieht, wieso viele Juden im Ausland Wohnungen mieten und wie Politik und Gesellschaft auf Rechtsextremisten reagieren sollten.

t-online: Herr Adler, was haben Sie gedacht, als Sie die Wahlergebnisse aus Thüringen und Sachsen gesehen haben?

Elio Adler: Leider war das absehbar. Trotzdem ist das Ergebnis schlimm. Ich bin erschrocken, dass die Befürchtungen wahr geworden sind. Ich hatte die Hoffnung, dass die Befragten sich in Umfragen radikaler äußern, um die Politik zu beeinflussen. Offenbar ist diese Hoffnung nicht erfüllt worden.

Wie haben Ihre Mitglieder nach dem Wahlerfolg der Rechtsextremisten reagiert?

Wir Juden merken immer sehr schnell, wenn sich die Demokratie in einem Land verändert. Rechtsextreme hassen Juden, Linksextreme glauben an antisemitische Verschwörungsmythen wie das große Geld und die vermeintliche Macht der Juden, und Islamisten bezeichnen uns als Ratten. Deswegen sind viele von uns besorgt. Diese Wahl ist ein negativer Meilenstein der deutschen Geschichte.

Wie erklären Sie sich das?

Die Hasser der Demokratie haben durch ihren Populismus signifikanten Einfluss gewonnen. Das Erstarken der Rechtsextremen hat aber noch weitere Gründe: Die Politik war nicht in der Lage, die Sorgen der Bürger so zu adressieren, dass es glaubwürdig war. Da wirken die Versprechungen der AfD als attraktive Schwarz-Weiß-Lösungen.

Welche Sorgen machen Sie sich?

Wir machen uns Sorgen über das Erstarken der Rechtsextremisten und der Islamisten mit dem politischen Islam. Die Sicherheit in Deutschland hat massiv abgenommen. Die Rechtsextremisten haben mit den Themen gewonnen, die auch für uns wichtig sind – nur sind unsere Antworten anders. Wir lehnen Hass ab. Wir glauben an den von humanitären Werten geprägten Rechtsstaat. Trotzdem muss man festhalten: Es ist nicht nur ein Gefühl, sondern es steht faktisch schlechter um Juden in Deutschland. Antisemitische Vorfälle haben nachweislich zugenommen.

Der versuchte Terroranschlag in München auf das israelische Generalkonsulat dürfte ihre Sorgen weiter genährt haben.

Ja, er zeigt, wie sich dieser gewaltbereite Hass seinen Weg sucht und wie untrennbar Islamismus und Antisemitismus sind. Außerdem wird deutlich, wie löchrig das europäische Sicherheitsnetz ist. Wenn ein in Österreich polizeibekannter Islamist mal eben so mit einem Riesengewehr über die Grenze fahren und mitten in München einen Terrorangriff ausführen kann, ist das beängstigend. Hier müssen nun schleunigst länderübergreifende Präventivmaßnahmen implementiert werden, die Gefährdern die Umsetzung solcher Taten am besten unmöglich machen.

Zur Person

Elio Adler ist Gründer und Vorsitzender der "Werteinitiative – jüdisch-deutsche Positionen". Der Verein versteht sich als eine zivilgesellschaftliche Stimme deutscher Juden. Beruflich ist Adler als Zahnarzt tätig. Er lebt mit seiner Frau und zwei Söhnen in Berlin.

Nun machen sich viele Juden Gedanken, ob Sie langfristig in Deutschland bleiben können oder wollen. Ist das auch bei Ihren Mitgliedern der Fall?

Ja, gerade in Berlin ist das ein sehr großes Thema. In Ballungszentren häufen sich die Aggressionen gegen Juden. In kleineren Städten ist das weniger ausgeprägt. Ein Großteil der Mitglieder fragt sich, wann sie Deutschland verlassen müssen. Die Lage hat sich nach der terroristischen Attacke der Hamas auf Israel am 7. Oktober deutlich verschärft. Sogenannte pro-palästinensische Gruppen, in denen sich autoritäre Linke, Islamisten und sonstige Israelhasser sammeln, sind seitdem für zahlreiche Übergriffe verantwortlich und sorgen für ein bedrohliches Klima für Juden.

Wo fühlen sich Juden momentan sicherer als in Deutschland?

Eine ganze Reihe ist schon nach Israel, in die USA, die Schweiz, Portugal oder Tschechien gegangen. Sie mieten sich Wohnungen im Ausland, um ein zweites Standbein zu haben. In Florida etwa gibt es eine hohe Dichte an Juden, und das vermittelt Sicherheit. Obwohl es objektiv wohl nicht ganz zutrifft, fühlen sich viele Juden in Israel sicherer als hierzulande. Portugal und Spanien sind sehr christlich geprägt. Dorthin gehen Juden, die angeben, Angst vor muslimischem Antisemitismus zu haben.

Was erwarten Sie von der Politik, um das Sicherheitsgefühl bei Juden zu verbessern?

Die Zeit der Ideologie muss vorbei sein. Auch wenn faktisch andere Themen, wie Wirtschaftspolitik wichtig sind, emotionalisieren die Probleme bei der Migration massiv. Die Politik muss auf die Sorgen und Bedürfnisse der Bürger in der gesellschaftlichen Mitte zufriedenstellende Antworten und Lösungen finden, die die Probleme in unserem Land schnell und zielführend angehen. Wenn wir ungeregelte Migration, Chaos und Missbrauch zulassen, wird die demokratische Mitte an Akzeptanz verlieren. Stattdessen werden den falschen Politikern Kompetenzen zugesprochen, die sie nicht haben: Nazis können nicht die Antwort sein. Menschen, die Probleme bei Migration oder Integration ansprechen, dürfen aber auch nicht verteufelt werden. Sie dürfen nicht in die rechte Ecke geschoben werden.

Und was erwarten Sie von der Gesellschaft?

Die Hasser müssen auf Widerstand stoßen, egal ob online oder im realen Leben. Die gesellschaftliche Verantwortung ist so hoch wie nie.

Welches Ergebnis erwarten Sie bei den Landtagswahlen in Brandenburg?

Ich bin auch nicht klüger als alle Wahlprognosen. Es ist davon auszugehen, dass nach den Wahlen größte Bündnisse geschmiedet werden, um richtigerweise eine AfD-Beteiligung an der Regierung zu verhindern. Dies wird dazu führen, dass sich die AfD als Opfer inszenieren und vier Jahre lang die Behauptung einer "gestohlenen Wahl" vor sich hertragen wird. Und dann wird wieder gewählt, und die dann folgenden Wahlen sind die, die mir die größte Sorge machen. Dann kann es sehr dunkel in unserem Land werden.

Herr Adler, vielen Dank für das Gespräch.

Verwendete Quellen
  • Gespräch mit Dr. Elio Adler
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