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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Nach Leichenfund "Das ist das eigentliche Problem"
Die Leiche des lange vermissten Arian ist gefunden worden. Zuvor waren bereits Spürhunde im Einsatz – warum haben sie nicht angeschlagen?
Mit Drohnen, einem Kampfjet und hunderten Helfern ist nach dem sechsjährigen Arian aus Bremervörde gesucht worden. Der kleine Junge war am 22. April 2024 aus seinem Elternhaus verschwunden. Am 29. April wurde die Flächensuche eingestellt, am 24. Juni 2024 fand ein Landwirt beim Mähen seiner Wiese nun eine Kinderleiche – lediglich zwei Kilometer von Arians Zuhause entfernt.
Auch dort war bereits zuvor mehrfach gesucht worden, wie der Landwirt berichtete. Bei der Suche wurden auch gezielt Spürhunde eingesetzt. Warum die Hunde die Leiche nicht fanden, wird derzeit auch von der Polizei untersucht. t-online hat mit dem Spürhundtrainer Enrico Lombardi über mögliche Gründe gesprochen.
t-online: Herr Lombardi, bei der Suche nach dem kleinen Arian waren Spürhunde von Anfang an im Einsatz. Wie erklärt sich, dass sie die Leiche mitten im Suchgebiet nicht entdeckt haben?
Enrico Lombardi: Die Witterung spielt bei der Suche mit Spürhunden eine entscheidende Rolle. Wenn es sehr feucht und nass ist, wird es schwierig. Die Nässe drückt auf die Geruchsmoleküle und trägt sie nicht weiter. Ohne Fährte kann der Hund dann natürlich auch nichts finden.
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Das heißt, man kann Hunde gar nicht an jedem Tag einsetzen?
Genau – nur an trockenen Tagen. Wenn es regnet, kann nicht gesucht werden.
Was sind weitere Faktoren?
Wind ist auch ein sehr entscheidender Faktor. Er bestimmt, wie und wo gesucht wird. Idealerweise arbeitet man gegen den Wind, damit der Hund auch die entsprechenden Geruchsmoleküle durch den Wind zugetragen bekommt.
Das Suchgebiet erscheint im Fall Arian relativ weitläufig – welches Gebiet kann ein Spürhund überhaupt abdecken?
Das hängt von dem Hund ab. Leichenspürhunde können je nach Leistungsfähigkeit zwischen acht und fünfzehn Kilometer abspüren. Dabei braucht der Hund natürlich auch Pausen.
Bei einem Vermisstenfall ist es meist nicht klar, ob eine lebende oder tote Person gesucht wird. Kann ein Hund nach beidem suchen?
Bei Hunden ist es wie bei Menschen: Je mehr Aufgaben der Hund bekommt, desto höher wird die Fehlerwahrscheinlichkeit. Prinzipiell wäre es möglich, einen Hund auf mehrere Einsatzbereiche, also Sprengstoff, Leichen, Personen, Drogen oder Falschgeld zu trainieren. Im Normalfall konzentriert man sich aber auf ein Suchgebiet.
Werden die Hunde unterschiedlich trainiert?
Per se durchlaufen alle Spürhunde dasselbe Training. Lediglich die Gerüche, auf die sie trainiert werden, unterscheiden sich. Hunde, die auf das Suchen von lebenden Menschen trainiert werden, sogenannte "Mantrailer", werden beispielsweise auf das Erschnüffeln von Hautschuppen trainiert. Bei Leichenspürhunden ist es der Verwesungsgeruch, auf den die Hunde trainiert werden.
Apropos Leichengeruch: Welche Rolle spielt das Alter einer Leiche für einen Spürhund?
Im Verwesungsprozess kommen Bakterien und Insekten hinzu, die den Körper zersetzen – bis nichts mehr da ist. Deshalb können sterbliche Überreste auch nur eine gewisse Zeit von Hunden erschnüffelt werden. Im Schnitt kann der Leichengeruch zwischen 17 und 20 Tage vom Hund verfolgt werden.
Können Sie sagen, wie hoch die Fehlerquote bei einem Spürhund ist?
Die Leistungsfähigkeit von Spürhunden ist extrem hoch. Aber letztlich hängt der Erfolg immer von mehrere Faktoren ab – dem Hundeführer beispielsweise. Bei so großangelegten Suchaktionen ist die Fehlerquote sehr gering.
Zur Person
Enrico Lombardi war bei der Bundeswehr Übungsleiter im Bereich Spürhunde, mit Spezialisierung auf Sprengstoff- und Drogenspürhunde. In seiner Tätigkeit bildete er die Hundestaffel aus und leitete diese in Einsätzen. Seit drei Jahren arbeitet Lombardi in der Privatwirtschaft und bildet Spürhunde für Sicherheitsunternehmen aus.
Warum?
Es wird mit mehreren Hunden gearbeitet. Dadurch werden die Hunde nicht überlastet und die Ergebnisse können miteinander verglichen werden. Das setzt die Fehlerquote erheblich herunter. Wie eingangs erwähnt, sind hier äußere Einflüsse, wie Witterung, das eigentliche Problem.
Wenn wir von idealen Umgebungsbedingungen ausgehen, wie hoch ist die Erfolgsquote eines Spürhundes?
Da kann man von hundert Prozent ausgehen. Aber natürlich nur, wenn die Situation optimal ist.
- Interview mit Enrico Lombardi