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HomePolitikUwe Vorkötter: Elder Statesman

ARD und ZDF müssen laut Experten an Haupt und Gliedern reformiert werden


Meinung
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Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.

Öffentlich-rechtlicher Rundfunk
Wenn die Frösche den Sumpf nicht trockenlegen wollen

  • Uwe Vorkötter
MeinungEine Kolumne von Uwe Vorkötter

Aktualisiert am 12.06.2024Lesedauer: 5 Min.
Moderatorin Andrea Kiewel und TV-Koch Alexander Kumptner im ZDF-Fernsehgarten:Vergrößern des Bildes
Moderatorin Andrea Kiewel und TV-Koch Alexander Kumptner im ZDF-Fernsehgarten: Zu viel Programm, zu teuer. (Quelle: BOBO/imago-images-bilder)
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Wie viel öffentlich-rechtliches Fernsehen brauchen wir, und welches? Muss die ARD auf 64* Radiowellen senden? Was darf das alles kosten? Unser Kolumnist fordert eine radikale Reform des Rundfunks.

18,36 Euro. Ist das viel Geld? Sie können dafür zwei Schachteln Zigaretten kaufen, oder 10 Liter Benzin tanken, oder eine große Pizza bestellen. Für 18,36 Euro im Monat bekommen Sie auch: die "Tagesschau", den "Tatort", das "Aktuelle Sportstudio", Florian Silbereisen und Kiwis "Fernsehgarten", die "heute-Show", Info-Radio, "Popwellen", Klassik und Volksmusik, die Nachrichten im Deutschlandfunk. Das ist doch ein super Deal, sagen die Macher des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, dieses ganze Info- und Unterhaltungspaket für nur 18,36 Euro.

Leider hat die Sache einen Haken: Sie haben gar keinen Deal unterschrieben. Die Politik hat entschieden, dass dieses Abo gut für Sie ist. Und wertvoll für die Demokratie. Deshalb zahlen Sie 18,36 Euro im Monat als Rundfunkbeitrag, auch wenn Sie nur Shows auf RTL schauen oder Serien bei Netflix. Ja, das ist ärgerlich. Trotzdem halte ich jetzt kein Plädoyer gegen den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Er wird gebraucht, erst recht in Zeiten, in denen russische Bots, zweifelhafte Influencer und politische Extremisten die Informationshoheit in unserer Gesellschaft für sich beanspruchen. Nicht abschaffen, aber reformieren, und zwar gründlich – das ist mein Plädoyer für die Öffentlich-Rechtlichen.

Uwe Vorkötter
(Quelle: Reinaldo Coddou H.)

Zur Person

Uwe Vorkötter gehört zu den erfahrensten Journalisten der Republik. Seit vier Jahrzehnten analysiert er Politik, Wirtschaft und Gesellschaft, er hat schon die Bundeskanzler Schmidt und Kohl aus der Nähe beobachtet. Als Chefredakteur leitete er die "Stuttgarter Zeitung", die "Berliner Zeitung" und die "Frankfurter Rundschau". Er ist Herausgeber von "Horizont", einem Fachmedium für die Kommunikationsbranche. Nach Stationen in Brüssel, Berlin und Frankfurt lebt Vorkötter wieder in Stuttgart. Aufgewachsen ist er im Ruhrgebiet, wo man das offene Wort schätzt und die Politik nicht einfach den Politikern überlässt. Bei t-online erscheint jeden Dienstag seine Kolumne "Elder Statesman".

Es beginnt mit drei einfachen Erkenntnissen. Erstens: ARD, ZDF und Deutschlandradio machen zu viel Programm. Allein die ARD strahlt 18 Fernsehprogramme aus. Kennen Sie den Sender One? Suchen Sie ARD Alpha auf Ihrer Fernbedienung? Es gibt einschließlich der drei Programme des Deutschlandradios 67 öffentlich-rechtliche Radioprogramme, 67*! Allein der Bayerische Rundfunk hat acht Radiowellen, von BR1 bis BR3, BR24, von BR Heimat über BR Schlager bis BR Klassik, BR Plus kommt auch noch dazu.

Zweitens: Zu viel Programm ist zu teuer. Ihre 18,36 Euro und die der übrigen 40 Millionen Haushalte in Deutschland summieren sich im Jahr auf 8,5 Milliarden Euro. Werbeeinnahmen haben ARD und ZDF auch noch, insgesamt reden wir über ein Finanzvolumen von 10 Milliarden Euro. Zum Vergleich: Der größte private Medienkonzern der Republik, Axel Springer, macht knapp 4 Milliarden Euro Umsatz. Die BBC, die älteste und prominenteste nationale Rundfunkanstalt der Welt, kommt mit umgerechnet 6,5 Milliarden Euro aus. In Frankreich verfügen France Télévisions und Radio France zusammen über 3,5 Milliarden Euro, die italienische Rai liegt bei 2,5 Milliarden Euro. Noch mal Deutschland: 10 Milliarden.

Fusionen müssen her

Drittens: Es gibt zu viele ARD-Anstalten. Rundfunkmacher und Rundfunkpolitiker sind sich einig, dass der Saarländische Rundfunk und Radio Bremen teuer, aber nicht sinnvoll sind. Es sei denn, man fragt Anke Rehlinger, die Ministerpräsidentin des Saarlands, oder Andreas Bovenschulte, Bremens Ersten Bürgermeister. Rehlinger hält ihren Sender für ein Erfolgsmodell, Bovenschulte kann keine Überfinanzierung des Systems erkennen. Radio Bremen leistet sich 450 fest angestellte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter; bezahlt werden sie zum größten Teil aus dem ARD-internen Finanzausgleich, also von Gebührenzahlern anderer Bundesländer.

Diese Erkenntnisse habe ich nicht exklusiv, die Grundprobleme der Öffentlich-Rechtlichen sind seit Jahren bekannt. Seit Jahren wird auch debattiert und reformiert. Die Rundfunkkommission der Bundesländer, die für die Medienpolitik zuständig sind, hat mehr Kooperation unter den Sendern verabredet. Zum Beispiel bei Großereignissen, Auslandsstudios sollen zusammengelegt werden. Kai Gniffke, der amtierende ARD- Vorsitzende, hat mit den Intendanten der Sender verabredet, dass technische Plattformen gemeinsam genutzt werden, dass journalistische Kompetenzen für Themen wie Klima oder Gesundheit an einer Stelle gebündelt werden. Schlanker, effizienter und sparsamer will der Rundfunk werden.

Schlanker, effizienter, sparsamer

Das klingt gut. Allerdings hat eine andere Kommission ausgerechnet, welche Auswirkungen der Reformeifer auf den Rundfunkbeitrag hat. Ergebnis: Von 2025 an soll er von 18,36 Euro auf 18,94 Euro steigen. Schlanker, effizienter, sparsamer?

Wer ist eigentlich zuständig für die Reform? Die Intendanten verweisen auf die Politik: Die Länder bestellen das Programm, wir liefern. Wenn der bayerische Landtag acht Radiowellen will, dann bekommt er die. Das kostet dann eben. Die Politik sieht die Intendanten in der Pflicht. So wird die Verantwortung hin- und hergeschoben. Unterdessen wachsen und gedeihen im öffentlich-rechtlichen Garten immer neue Pflanzen und Pflänzchen. Alle müssen gegossen werden, mit dem Geld aus dem Rundfunkbeitrag. Wenn es nicht reicht, wird der Beitrag erhöht.

Lassen Sie uns über Inhalte reden: drei Fragen, drei Antworten.

Erste Frage: Sollten sich ARD und ZDF auf Information beschränken, plus Kultur? Show, Spielfilm und teure Sportrechte kann man doch den Privaten überlassen, oder? Nein! Das hieße, die Öffentlich-Rechtlichen zu Medien für Eliten zu machen, nicht für die Mitte der Gesellschaft. Und um die Fußballspiele der Euro 2024 zu sehen, müssten Sie noch ein Abo bei Magenta TV abschließen. Ein Irrweg.

Zweite Frage: Sind ARD, ZDF und Deutschlandradio zu links, zu grün, zu regierungsnah? Ja, schon, die Programme haben eine politische Schlagseite. Themenauswahl und -gewichtung folgen eng der regierungsamtlichen Agenda, die Tonlage ist bisweilen so gouvernantenhaft wie ein Demokratie-Förderprogramm von Nancy Faeser, das Meinungsspektrum so breit wie die Meinungsvielfalt in der Ampelkoalition. Eigentlich ist der öffentlich-rechtliche Rundfunk dazu da, die Filterblasen der gesellschaftlichen Kommunikation zum Platzen zu bringen. Tatsächlich richtet er sich ganz kommod in der Filterblase ein, in der Journalistinnen und Journalisten leben.

Müssen alle alles machen?

Dritte Frage: Müssen die Öffentlich-Rechtlichen sich auch noch im Internet auf allen Kanälen breit machen? Ja und nein. Ja, die Präsenz der Tagesschau auf TikTok ist wichtig (und übrigens auch sehr erfolgreich). Weil Jugendliche dort ansonsten von allerlei zwielichtigen Gestalten "informiert" werden, zum Beispiel von den Freunden des Kalifats und von rechtsextremen Predigern. Aber ARD und ZDF unterhalten Hunderte Social-Media-Accounts, die Zahl der Podcasts ist völlig unüberschaubar. Das hat wenig mit ihrem Auftrag zu tun. Sie haben einfach die Leute und das Geld dafür.

Anfang dieses Jahres hat ein "Zukunftsrat für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk" einen weitreichenden Umbau von ARD und ZDF empfohlen. Vorsitzende war Julia Jäkel, die ehemalige Chefin des Medienkonzerns Gruner und Jahr. Sie kam zu dem Ergebnis, dass das System reformwillig sei, aber nicht reformfähig. Da ist was dran.

Gibt es einen Ausweg aus dem Reformdilemma? Ja. Aber nur genau einen. Er führt übers Geld. Solange erst über die Zahl der Anstalten und der Programme entschieden wird und dann über die Finanzen, die man dafür braucht, wird das nichts. Es geht nur andersherum: Die Politik legt einen Finanzrahmen für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk fest. Und die Sender liefern das Programm, das in diesen Rahmen passt. Es wird weniger sein als heute. Aber es muss deshalb nicht schlechter sein.

Erkenntnis bei einem Glas Weißwein

Kürzlich traf ich übrigens einen Intendanten der ARD, er leitet eine der großen Anstalten. Als wir bei einem Glas Weißwein die Medienwelt neu ordneten, überraschte er mich mit einer Prognose: In zehn Jahren werden wir, also die Öffentlich-Rechtlichen, nur noch halb so groß sein wie heute. Weil die Gesellschaft das System, so wie es ist, nicht mehr akzeptiert. Ich versichere Ihnen, der Mann war stocknüchtern, es war das erste Glas Weißwein. Aber dieser nüchterne Blick ist im öffentlich-rechtlichen Rundfunk die Ausnahme. Typisch ist eine gewisse Überheblichkeit: 18,36 Euro? Ach, das ist doch nur Kleingeld.

*Wir hatten an dieser Stelle zunächst von 83 Radiowellen geschrieben. Die neun ARD-Sender strahlen 64 Radioprogramme aus. Hinzu kommen die drei Programme Deutschlandfunk, Deutschlandfunk Kultur und Deutschlandfunk Nova, die nicht bei den ARD-Programmen eingerechnet sind. Das Deutschlandradio ist eine Körperschaft des Öffentlichen Rechts und wird von ARD und ZDF getragen.

Verwendete Quellen
  • Eigene Überlegungen
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