Rundfunkbeitrag Zwangsabgabe oder gerechtfertigter Beitrag?
Der Rundfunkbeitrag löste im Jahr 2013 die GEZ-Rundfunkgebühr ab. Doch die Wogen haben sich dadurch nicht geglättet. Auch das Bundesverfassungsgericht hat sich mit der Abgabe bereits beschäftigt. Wir klären die wichtigsten Fragen.
Inhaltsverzeichnis
- Was sagt das Bundesverfassungsgericht?
- Gebühr und Beitrag: Was ist der Unterschied?
- Was wurde aus der GEZ?
- Warum keine Finanzierung über die Steuer?
- Verstößt der Rundfunkbeitrag gegen den Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes?
- Wie hoch ist der Rundfunkbeitrag?
- Bundesländer einigen sich auf Indexmodell
- Wer ist von den Zahlungen befreit?
- Welche Daten übermitteln die Meldeämter?
- Kann ich den Rundfunkbeitrag bar zahlen?
- Was sagt das Europarecht?
Die Gebührenreform solle dem Schwarzsehen und Schwarzhören einen Riegel vorschieben und die Finanzierung der Sendeanstalten langfristig sicherstellen. Der Grund: Vor der Umstellung auf den Rundfunkbeitrag zahlten vor allem in Großstädten nur rund drei Viertel der Haushalte die Rundfunkgebühr. Die Mitarbeiter der damaligen Gebühreneinzugszentrale (GEZ) waren ständig auf der Suche nach Gebührenverweigerern.
Der Rundfunkbeitrag in Kürze:
- Aus der GEZ-Rundfunkgebühr wurde der Rundfunkbeitrag.
- Vom Vorhandensein eines empfangsbereiten Gerätes wurde auf das Vorhandensein einer Wohnung umgestellt.
- Der Rundfunkbeitrag muss auch gezahlt werden, wenn der Haushalt nicht über einen Fernseher oder ein Radio verfügt.
- Monatlich fallen 18,36 Euro an.
- Die Befreiung von der Zahlungspflicht ist an einen Sozialleistungsbescheid geknüpft.
- Für eine Zweitwohnung fällt kein gesonderter Rundfunkbeitrag an.
- Meldeämter geben Daten an den Beitragsservice weiter. Das heißt, man bekommt automatisch Post mitsamt Überweisungsträger.
Was sagt das Bundesverfassungsgericht?
Im Mai 2018 stand nichts weniger als die Rechtmäßigkeit des Rundfunkbeitrags auf dem Prüfstand. Der zweitägigen Verhandlung vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe lagen Verfassungsbeschwerden von drei Privatleuten und einem Unternehmen zugrunde (1 BvR 1675/16, 1 BvR 745/17, 1 BvR 836/17, 1 BvR 981/17).
In der am 18. Juli 2018 verkündeten Entscheidung erklärten die Richter des Ersten Senats den Rundfunkbeitrag im wesentlichen Punkten als vereinbar mit dem Grundgesetz. Allerdings mit einer Ausnahme: die Beitragspflicht für Zweitwohnungen. Betroffene, die doppelt zahlen, können einen Antrag auf Befreiung von zweiten Rundfunkbeitrag stellen. Die zuständigen Landesgesetzgeber sind aufgerufen, bis zum 30. Juni 2020 diesbezüglich eine Neuregelung zu treffen.
Was hatten die Beschwerdeführer vorgebracht?
Laut den Beschwerdeführern handele es sich beim Rundfunkbeitrag um eine unzulässige Steuer, für die es den Ländern an der erforderlichen Gesetzeskompetenz fehlt. Zudem verstoße der Rundfunkbeitrag gegen den allgemeinen Gleichheitssatz der Verfassung, da er pro Wohnung erhoben wird. Mit Blick auf Unternehmen prüft das Gericht, ob gestaffelte Beiträge nach der Anzahl von Betriebsstätten, Beschäftigten und Firmenfahrzeugen verfassungskonform sind. Beschwerdeführer hier ist der Autovermieter Sixt.
Gebühr und Beitrag: Was ist der Unterschied?
Die Frage, ob die monatlichen Zahlungen nun als "Gebühr" oder "Beitrag" zu werten sind, ist für weitere Klagepunkte womöglich von Bedeutung: Ein Beitrag ist im Gegensatz zu einer Gebühr im Grundsatz nicht an die Inanspruchnahme einer Leistung gebunden, allein die Möglichkeit dazu reicht aus. Dieser Aspekt ist unter anderem für das Vorhandensein empfangsbereiter Geräte von Bedeutung. Für einen Beitrag ist dies keine die Voraussetzung, für eine Gebühr hingegen schon.
Was wurde aus der GEZ?
Seit 2013 zieht der Beitragsservice auf der Grundlage des Rundfunkbeitragsstaatsvertrags den Rundfunkbeitrag ein. Er wird pauschal pro Haushalt erhoben, egal ob und wie viele Radio- und Fernsehgeräte genutzt werden oder nicht. Die Umstellung auf das neue System der Beitragserhebung führte zu zunächst zu deutlichen Mehrerträgen. Viele, die zuvor nicht gezahlt hatten, wurden durch den ersten Abgleich mit den Daten der Einwohnermeldeämter erfasst.
Bis einschließlich 2012 war die Gebühreneinzugszentrale (GEZ) dafür zuständig – auf Grundlage des Rundfunkgebührenstaatsvertrags. Die Höhe der Rundfunkgebühr war an die vorhandenen Geräte gekoppelt (Fernseher und/oder Radio). Wer keine Rundfunkgeräte zum Empfang bereithielt, musste keine Gebühren zahlen. Auf die tatsächliche Nutzung der Geräte kam es nicht an. Für Privathaushalte gab es in der Regel eine Zweitgerätebefreiuung, nicht jedoch für Unternehmen.
Warum keine Finanzierung über die Steuer?
Laut einem Gutachten aus dem Jahr 2010 vom ehemaligen Verfassungsrichter Paul Kirchhof verbiete sich eine Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks aus Steuermitteln aus Gründen der geforderten "Staatsferne". Zuvor hatte das Bundesverfassungsgericht 1994 geurteilt, dass die Staatsfreiheit der Öffentlich-Rechtlichen auch durch eine "unabhängige Finanzierung" – also nicht aus Steuermitteln – gesichert werden muss.
Verstößt der Rundfunkbeitrag gegen den Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes?
Von den Klägern auf Grundlage des Gleichheitsgrundsatzes werden folgende Argumente ins Feld geführt: Zum einen muss der Rundfunkbeitrag auch dann bezahlt werden, wenn in einem Haushalt weder Fernseher noch Radio vorhanden sind. Zum anderen können sich in einem Haushalt mehrere Bewohner den Beitrag teilen. Das führt zu einer Benachteiligung von Alleinlebenden, die diesen alleine tragen müssen. Ein dritter Aspekt: Besitzer von Zweitwohnungen sind benachteiligt, weil sie für beide Wohnungen zahlen müssen, aber nur in jeweils einer Wohnung Rundfunk empfangen können. Zudem wird ein Beitrag für Dienstwagen erhoben, für Privatfahrzeuge jedoch nicht.
Mit der aktuellen Entscheidung des Verfassungsgerichts wurde zumindest die Erhebung der Rundfunkgebühr für die Zweitwohnung als nicht vereinbar mit dem Gleichheitsgrundsatz erklärt.
Welche vorangegangenen Urteile zur Anbindung des Beitrags an die Wohnung und Zweitwohnung gab es?
Das Bundesverwaltungsgericht hat am 18. März 2016 die Anknüpfung der Rundfunkgebühr an die Wohnung gebilligt. Dass die Rundfunkgebühr auch für Zweitwohnungen erhoben werden darf, entschied das höchste deutsche Verwaltungsgericht im Januar 2018 mit Verweis auf "Gründe der Praktikabilität", weil Ausnahmen aufwendige Ermittlungen nötig machen würden.
Wie hoch ist der Rundfunkbeitrag?
Über die Höhe entscheiden die Ministerpräsidenten und die Landtage. Die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF) ermittelt dafür einen Vorschlag. Der Rundfunkbeitrag liegt bis Ende 2020 bei 17,50 Euro im Monat. Damit soll sowohl das aktuelle Angebot des öffentlich-rechtlichen Rundfunks als auch dessen Weiterentwicklung finanziert werden. Eine Änderung der Beitragshöhe bedarf der Zustimmung der Landesparlamente.
Insgesamt gab es beim Beitragsservice 2016 rund 44,87 Millionen Beitragskonten. Die Beitragspflichtigen zahlten 7,978 Milliarden Euro Rundfunkbeitrag. Das waren rund 153,2 Millionen Euro weniger als 2015. Die Zahlen für 2017 wurden noch nicht vorgestellt.
Bundesländer einigen sich auf Indexmodell
Während die Politik die Sendeanstalten zu stärkeren Sparbemühungen auffordert, fordern diese im Gegenzug regelmäßig eine Erhöhung des Rundfunkbeitrags. Bisher unterbreitet die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF) alle vier Jahre einen Vorschlag zur Beitragshöhe. Dieser müssen die Bundesländer zustimmen. Daran soll im Grund nicht gerüttelt werden. Mit einer Ausnahme: Künftig soll sich der Rundfunkbeitrag stärker an der Entwicklung der Verbraucherpreise orientieren. Darauf einigten sich Anfang Juni 2019 die Länderchefs.
Wie das Indexmodell konkret aussehen soll, ist noch unklar und damit auch der Ausgangswert als Sockel für die künftige Indizierung. Bereits jetzt betonen die Sender, dass ihre Kosten samt Tarifabschlüssen über dem Verbraucherpreisindex liegen.
Wer ist von den Zahlungen befreit?
Den Rundfunkbeitrag ist pauschal an die Wohneinheit gekoppelt. Zahlen müssen alle Volljährigen, Paare, Wohngemeinschaften. Eine Befreiung von der Zahlungspflicht ist an einen Sozialleistungsbescheid gebunden – des Jobcenters, des Sozialamtes oder des BaFög-Amtes. Diese bestätigen das Vorliegen "wirtschaftlicher Not". Abstufungen nach Einkommen sind nicht vorgesehen. Verdeckt Arme, Studenten, Selbstständige oder Rentner, die Anspruch auf Leistungen haben, diese aber nicht beantragen, müssen den Beitrag zahlen. Eine Bedürftigkeitsprüfung durch den Betragsservice selbst würde den Aufwand und letztlich die Kosten erhöhen, so das Argument. In den Verwaltungsgerichten, unter anderem in Berlin, sind Rechtsstreitigkeiten zur den Anforderungen der Bedürftigkeitsprüfung und möglicher Härtefallregelungen anhängig.
Welche Daten übermitteln die Meldeämter?
Der Beitragsservice bekommt von den Kommunen die Meldedaten sämtlicher volljähriger Personen. Aktuell findet ein neuer Abgleich der am 6. Mai 2018 in Deutschland gemeldeten Personen statt. Übermittelt werden Name, Adresse, Familienstand, Geburtstag und Tag des Einzugs in die Wohnung. Die Daten werden mit den Angaben der angemeldeten Beitragszahler abgeglichen. Für den derzeit laufenden Abgleich und die Klärung der Frage, wer künftig Beiträge zahlen muss, rechnet der Beitragsservice mit Kosten von voraussichtlich 12 Millionen Euro.
Kann ich den Rundfunkbeitrag bar zahlen?
Der Rundfunkbeitrag muss bargeldlos über ein Konto gezahlt werden. Ein Anspruch auf Barzahlung besteht nicht, entschied am 13. Februar 2018 der hessische Verwaltungsgerichtshof (VGH) in Kassel (AZ: 10 A 2929/16 und 10 A 116/17). Für öffentlich-rechtliche Zahlungen wie den Rundfunkbeitrag könne "auch unbare Zahlungsweise vorgeschrieben werden", betonten die Richter. Der VGH ließ die Revision zum Bundesverwaltungsgericht in Leipzig zu.
Wie hatten die Vorinstanzen geurteilt?
Zahlreiche Verwaltungs- und Oberverwaltungsgerichte sowie die Verfassungsgerichtshöfe in Bayern und Rheinland Pfalz erklärten den Rundfunkbeitrag für rechtmäßig. Auch das Bundesverwaltungsgericht erklärte den Rundfunkbeitrag mehrfach für verfassungsgemäß und wies im Dezember 2016 unter anderem Klagen des Autovermieters Sixt und des Discounters Netto ab. Der Beitrag sei als Abgabe zu werten, für die Bürger eine Gegenleistung bekämen, befanden die Richter des höchsten deutschen Verwaltungsgerichts.
Welche Linie verfolgt das Bundesverfassungsgericht?
Das Bundesverfassungsgericht hat seit 1961 in etlichen Urteilen die Bedeutung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks für die Meinungsbildung in der Gesellschaft und die Notwendigkeit seiner Finanzierung durch Abgaben betont. Dass Karlsruhe das bestehende Finanzierungsmodell gänzlich kippt, stand nicht zu erwarten. Korrekturen an den weiteren Kritikpunkten und damit Abstriche an den Geldern für die Sender in Millionenhöhe waren und sind weiterhin denkbar. Die mögliche Konsequenz: Da der Finanzbedarf der Anstalten nicht kleiner wird, dürften deren Ausfälle mit einer allgemeinen Beitragserhöhung für alle wieder ausgeglichen werden.
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Was sagt das Europarecht?
Diese Frage ist noch nicht geklärt. Aber: Beim Europäischen Gerichtshof in Luxemburg ist unter dem Aktenzeichen C-492/17 eine Anfrage des Landgerichts Tübingen anhängig. Die Luxemburger Richter sollen entscheiden, ob es sich beim Rundfunkbeitrag womöglich um eine Subvention für ARD und ZDF handelt. Die müsste die EU-Kommission genehmigen.
- Eigene Recherche
- dpa
- AFP