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Armin Laschet: Wie ein Maulwurf seine Karriere beendet


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Tagesanbruch
Wie ein Maulwurf die Karriere von Armin Laschet beendet

  • Florian Wichert
MeinungVon Florian Wichert

Aktualisiert am 06.10.2021Lesedauer: 9 Min.
Eine Nahaufnahme des Europäischen Maulwurfs "Talpa europaea".Vergrößern des Bildes
Eine Nahaufnahme des Europäischen Maulwurfs "Talpa europaea". (Quelle: imageBROKER/imago-images-bilder)
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Guten Morgen, liebe Leserin, lieber Leser,

wussten Sie, dass ein Maulwurf mit einer Geschwindigkeit von sieben Metern pro Stunde gräbt? Dass er sogar klettern kann? Oder vielleicht, dass sein Fell keinen Strich hat, weshalb er unglaublich wendig ist?

Dieses "unter der Erde lebende, Insekten und Regenwürmer fressende Tier mit kurzhaarigem, dichtem Fell, kleinen Augen und kurzen Beinen, von denen die vorderen zwei zum Graben ausgebildet sind", wie es im Duden beschrieben wird, ist schon faszinierend. Und auch irgendwie putzig. Zumindest wenn man keinen Garten hat, der von einem dieser Exemplare unterwandert und mit diversen Erdhügeln versehen wird.

Oder wenn man nicht Bundeskanzler werden will.

Nun wird ebendieses Vorhaben von CDU-Chef Armin Laschet nicht wirklich von einem tierischen "Erdwerfer" torpediert, wie es der Bedeutung von "Maulwurf" entspricht. Der Noch-Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen (Lesen Sie hier ein Porträt seines Nachfolgers) hat es eher mit einem groß gewachsenen Exemplar mit vergleichsweise langen Beinen, großen Augen und wenig Fell zu tun: mit einem Menschen, den man auch Verräter oder Informant nennen kann.

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Warum so jemand als Maulwurf bezeichnet wird? Mit einer vergleichbaren Lebenserwartung von vielleicht ein bis zwei Jahren hat das wohl nichts zu tun. Mit der körperlichen Verfassung wie schon beschrieben ebenfalls nicht. Stattdessen geht es um die Fähigkeit des Untergrabens, die diese Spezies gemein haben. In der Natur erklärt die sich von selbst. In der Politik zeichnet sie jemanden aus, der zum Beispiel geheime Informationen aus den Sondierungsgesprächen nach draußen gibt, die eigentlich zu einer vertrauensvollen Regierungsbildung in Deutschland führen sollen.

So wie das gerade jemand getan hat.

Wer das ist, weiß der ehemalige CDU-Generalsekretär Peter Tauber. Der verrät den Verräter aber nicht. Darüber hinaus gibt es Gerüchte um zwei wichtige Persönlichkeiten der Union, wie meine Kollegen Tim Kummert und Johannes Bebermeier schreiben.

Aber fangen wir von vorn an.

Der erste Fall: Nach den Sondierungen von FDP und Union gab der Maulwurf gegenüber "Bild" unter anderem zu Protokoll, dass die FDP-Spitze hinter verschlossenen Türen eine deutliche Ansage an die Union gemacht habe, dass diese jetzt die Grünen "rüberziehen" müsse in Verhandlungen über ein Jamaika-Bündnis und damit weg von der Ampel. Die will die SPD unbedingt, die Grünen präferieren sie ebenfalls und die FDP möchte sie eigentlich nicht.

Die inhaltliche Brisanz der Aussage hält sich in Grenzen. Denn eigentlich ist jedem Beobachter des Treibens in der Hauptstadt klar: Entweder SPD und Grüne ziehen die FDP zur Ampel rüber, oder die Union und FDP die Grünen zu Jamaika. Oder es gibt einen großen Scherbenhaufen namens große Koalition, weil die ersten beiden Szenarien nicht klappen.

Bei Twitter, also dem sozialen Netzwerk, das im Vergleich zu Facebook und Instagram vorgestern keinen Zusammenbruch erlitten hat, echauffierte sich FDP-Vize Johannes Vogel dennoch. Er habe an drei Sondierungsgesprächen teilgenommen. Aus zweien höre man nichts, aus einem würden dagegen Informationen durchgestochen. "Das fällt auf, liebe Union – und es nervt!"

Selbst in der Union hielt sich die Freude in Grenzen. CDU-Bildungsministerin von Schleswig-Holstein, Karin Prien: "Was für eine charakterlose, miese Nummer."

Zu dem Zeitpunkt waren drei Sondierungsgespräche absolviert.

Der zweite Fall: Gestern Vormittag sondierten dann Grüne und die Union. Auf die Indiskretion nach dem oben beschriebenen Gespräch angesprochen, versuchte Laschet, das Thema Maulwurf unter den Teppich, oder besser unter die Erde zu kehren. So sagte er gestern: "Ich habe auch etwas gelesen über das Gespräch zwischen der SPD und den Grünen. Das ist nicht gut, wenn es geschieht. Aber wir haben uns mehr mit der Frage beschäftigt: Wie kann man eigentlich diese riesigen Aufgaben, die vor uns liegen, lösen?"

Ein paar Stunden später titelte "Bild": "DAS besprachen Union und Grüne heute wirklich." Der Inhalt: Die Grünen-Spitze habe zum Ausdruck gebracht, dass die Erwartungshaltung in der Partei eine Ampelkoalition sei. Zudem hätten sich beide Parteien bei entscheidenden Themen nicht wirklich angenähert. Eine brisante Erkenntnis? Nicht wirklich. Eine Indiskretion? Offenbar ja.

Grünen-Geschäftsführer Michael Kellner twitterte gestern Abend entsprechend: "Es gab in den letzten Tagen vier Sondierungsgespräche. Aus zweien liest und hört man nix. Aus zweien werden angebliche Gesprächsinhalte an die Medien durchgestochen. Das fällt auf, liebe Union – und es nervt!"

Dass der Wortlaut ungefähr dem von Vogel entspricht, mag in Anbetracht der plötzlichen Einigkeit zwischen den sich einst gegenseitig verhassten Parteien, FDP und Grünen, witzig anmuten, auch wenn das vermutlich nicht so gemeint ist. Was die Vorgänge in jedem Fall sind: absurd.

Es ist nicht übertrieben zu sagen: In Berlin hält ein Maulwurf die Spitzenpolitik in Atem. Im übertragenen Sinne hinterlässt er mal hier ein Erdhäufchen und mal dort. Sodass sich viele der Sondierer mindestens so aufregen wie über die Erdhügel in ihren Gärten.

Sie mögen sich nun fragen: Was soll das Brimborium? Nach den vergangenen Bundestagswahlen landeten auch stets Informationen aus Koalitionsgesprächen in der Zeitung oder bei einem Nachrichtenportal. Seit jeher werden Informationen "durchgestochen". Und früher hielt sich die Aufregung doch auch in Grenzen.

Doch diesmal ist einfach vieles anders. Es wird zum ersten Mal ein Dreierbündnis geben (wenn es keinen Scherbenhaufen namens große Koalition geben soll). Und die Teilnehmer der bisherigen Runden haben sich nun mal darauf geeinigt, dass Vertraulichkeit und Verlässlichkeit, wie es Grünen-Chefin Annalena Baerbock immer wieder betont, die künftige Regierung auszeichnen sollen.

Natürlich gibt es darauf verschiedene Sichtweisen. Aus journalistischer Sicht ist es eine erstrebenswerte und bemerkenswerte Leistung, an vertrauliche Informationen zu kommen, gerade aus den Sondierungsgesprächen. Je tiefer die liegen, desto höher ist die Leistung zu bewerten, sie ausgebuddelt zu haben. Dies überhaupt zu tun ist nicht nur legitim, sondern sogar wichtig. In der Bevölkerung gibt es ein großes Informationsbedürfnis. Es möchte beispielsweise niemand, dass im Hinterzimmer Versprechen der Parteien über Bord geworfen werden, die Sie als Bürgerin oder Bürger womöglich erst dazu gebracht haben, diese zu wählen.

Aus Sicht des Maulwurfs geht es darum, seine wahrscheinlich vorwiegend persönlichen Interessen durchzusetzen. Im Fall der Union ist das womöglich ein Scheitern der Gespräche über Jamaika. Um anschließend Laschet in Rente schicken zu können? Um selbst wie ein Phönix aus der Asche emporsteigen zu können und der neue starke Mann zu werden? Dem Maulwurf muss klar sein, dass er einen Vertrauensbruch begeht, der Folgen haben wird.

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Aus Sicht der oder des Verratenen ist es mindestens ärgerlich. Im Fall Laschet könnte die Indiskretion den Parteichef endgültig das Kanzleramt und die politische Karriere kosten. Zugegeben: Ein Jamaika-Bündnis ist auch gestern nicht wahrscheinlicher geworden. Erst recht nicht mit Laschet an der Spitze. Aber: Es ist gut möglich, dass die ohnehin genervten Sondierer von Grünen, SPD und FDP nach dieser erneuten Indiskretion vom Verhandlungstisch aufstehen und die Union in die Opposition schicken. Deshalb war die Stimmung bei Laschet gestern Abend auch nicht mehr so gelassen wie zuvor. In Düsseldorf kommentierte auch er: "Es nervt."

Eine Sicht fehlt hier noch – und das ist vielleicht die wichtigste. Die von Ihnen und uns als Bürgerinnen und Bürgern. Wenn Sie mit Ihrer Chefin oder Ihrem Chef über Ihr Gehalt sprechen, mit einem Psychologen über Probleme, mit Ihrer Bank über Finanzen oder mit Geschäftspartnern über Projekte, anschließend Stillschweigen vereinbaren und dann ein paar Tage später von Nachbarn auf Ihren Kredit, Ihre Sorgen, Ihren Gehaltswunsch oder das Projekt angesprochen werden, fühlt sich das nicht gut an.

Und bei der neuen Regierung geht es nicht nur um Ihre Gehaltsvorstellungen und Sorgen, sondern mindestens um die Zukunft von 80 Millionen Bundesbürgern. Und einigen Maulwürfen. Im Erdreich, aber auch in der Politik.


So geht es weiter mit der Regierungsbildung

Die erste Sondierungsrunde ist abgeschlossen. Am heutigen Mittwoch wollen Grüne und FDP über den weiteren Kurs entscheiden. Zunächst separat, kündigte Grünen-Chefin Annalena Baerbock an. Bundesvorstand, Parteirat und das 24-köpfige erweiterte Sondierungsteam beginnen entsprechend um 9 Uhr. Der FDP-Bundesvorstand will ebenfalls am Vormittag in einer außerplanmäßigen Schalte beraten. Laut Baerbock wollen die beiden Parteien danach eventuell gemeinsam entscheiden, welche weiterführenden Sondierungen es geben soll.

Drei Szenarien sind denkbar. Szenario eins: FDP und Grüne intensivieren ihre Gespräche mit der SPD über eine Ampelkoalition und beenden die mit der Union. Szenario zwei: FDP und Grüne intensivieren die Gespräche mit der Union über eine Jamaika-Koalition und beenden die mit der SPD. Szenario drei: FDP und Grüne führen ihre Gespräche sowohl mit der Union als auch mit der SPD fort und loten aus, wie sich die Verhandlungen entwickeln. Am wenigsten wahrscheinlich ist Szenario vier: FDP und Grüne beenden die Gespräche und überlassen Union und SPD das Feld für eine Neuauflage der großen Koalition.


So geht es nicht weiter mit Facebook

Ich weiß nicht, wie Ihre Woche bisher läuft. Haben Sie auch nur die Hälfte dessen geschafft, was Sie sich vorgenommen haben? Bei der Arbeit oder im Haushalt? Schieben Sie die Steuererklärung vor sich her? Sind Sie gestern noch einem heftigen Regenschauer zum Opfer gefallen? Ist die Waschmaschine kaputtgegangen?

Das Gute ist: Wenn Ihnen zumindest keine existenziellen Nöte Sorgen bereiten, gibt es wahrscheinlich jemanden, dessen Woche bisher schlimmer verlaufen ist: Mark Zuckerberg, der Gründer von Facebook, hat laut dem Finanzdienst Bloomberg aufgrund des sechsstündigen Ausfalls der sozialen Netzwerke Facebook, Instagram und WhatsApp allein am Montag sechs Milliarden Dollar verloren.

Dazu hatte die ehemalige Mitarbeiterin Frances Haugen Facebook vorgeworfen, Profit über das Wohl der Nutzer zu stellen. Gestern Abend legte sie bei einer Anhörung nach: "Facebook formt unsere Wahrnehmung der Welt durch die Auswahl der Informationen, die wir sehen." Und: "Ich glaube, dass die Produkte von Facebook Kindern schaden, Spaltung anheizen und unsere Demokratie schwächen." Sie forderte im US-Senat öffentliche Einblicke in die Funktionsweise von Facebook. Ein medienwirksamer Prozess.

Zu allem Überfluss hat die Diskussion um eine Zerschlagung des Mega-Konzerns neue Nahrung bekommen. In den USA versucht die Kartellbehörde FTC bereits seit Jahren, ihn in mehrere Einzelunternehmen aufzuteilen.

Überall auf der Welt schütteten Nutzer und Kritiker gestern Hohn und Spott über Facebook aus (die witzigsten Beiträge von Twitter finden Sie hier). Und mein Kollege David Schafbuch schrieb in einem Pro-und-Kontra-Format über Zuckerberg: "'Die Welt näher zusammenbringen', prangt unter seinem Namen auf seinem Facebook-Profil. Es scheint die große Mission des Gründers des sozialen Netzwerks zu sein. 'Den Markt vollständig kontrollieren' wäre der passendere Slogan."

Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber ich teile seine Kritik an Facebook. Der Konzern ist längst zu mächtig geworden und eine Gefahr für Gesellschaft und Demokratie. Nicht nur aufgrund der angenehmen Ruhe während des sechsstündigen Ausfalls kann man eigentlich nur zu einem Urteil kommen: Ohne Facebook wäre die Welt viel besser dran. Und mit der Zerschlagung zumindest ein wenig.


Termine

  • Die Königlich-Schwedische Akademie der Wissenschaften wird heute ab 11.45 Uhr in Stockholm mitteilen, wer den Nobelpreis in Chemie bekommt.
  • Bundesgesundheitsminister Jens Spahn und der Präsident des Robert Koch-Instituts, Lothar Wieler, informieren ab 10 Uhr über den Stand bei den Impfungen, während im Herbst und Winter ein Anstieg der Corona- und Grippe-Infektionen droht.
  • Das Verteidigungsministerium will von heute an bei einer "Bilanzdebatte" Lehren aus dem Bundeswehreinsatz in Afghanistan ziehen. Zunächst sprechen Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer und Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg ab 11 Uhr.
  • Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier ist in der Ukraine, um an die deutschen Verbrechen im Zweiten Weltkrieg zu erinnern. Geplant: eine Kranzniederlegung in dem Ort Korjukiwka und eine Rede zum 80. Jahrestag des Massakers an jüdischen Bürgern in Babyn Jar.
  • Mit einer Rede von Parteichef und Premierminister Boris Johnson geht die Konferenz der britischen Konservativen zu Ende. Der Premier wollte die Erholung der britischen Wirtschaft in den Mittelpunkt stellen. Das ist ihm nicht gelungen.
  • Haben Verbraucherinnen und Verbraucher ein Recht auf Entschädigung, wenn ein Flug wegen eines Streiks des Kabinenpersonals gestrichen wurde? Darüber urteilt der Europäische Gerichtshof um 9.30 Uhr.
  • Verbraucherschützer wollen Tausenden Sparern mit alten Prämiensparverträgen um 11 Uhr den Weg zu Zinsnachzahlungen ebnen. Die erste Musterfeststellungsklage wird nun am Bundesgerichtshof in Karlsruhe verhandelt.

Was lesen?

Großes Kino für einen Abend, aber in den darauffolgenden Tagen zunehmend peinlich. Christoph Schwennicke erinnert das Verhalten von Armin Laschet nach der Bundestagswahl an das eines Altbundeskanzlers. Trotzdem sagt er: Der CDU-Chef ist die Folge, nicht die Ursache eines Problems der Union.


Hätten bei der Bundestagswahl nur Menschen unter 24 abgestimmt, wären Grüne und FDP stärkste Kräfte geworden. Was zieht junge Menschen zu diesen Parteien? Zwei Jungwählerinnen diskutierten das für t-online. Meine Kollegen Titus Blome und David Schafbuch haben die Ergebnisse dokumentiert.


Panikkäufe und lange Schlangen vor Tankstellen: Die Kraftstoffkrise in Großbritannien wird immer schlimmer. Das bekam auch die Britin Rose Jenkins zu spüren. Meiner Kollegin Saskia Leidinger hat sie erzählt, wie sie nach ihrem Urlaub überhaupt noch an Benzin kam.


Er ist 89 Jahre alt und in den vergangenen Jahren "ein bisschen faul" gewesen, wie er selbst sagt. Seit gestern ist Klaus Hasselmann Nobelpreisträger der Physik. Klaus wer? Meine Kollegin Theresa Crysmann porträtiert den renommierten Klimaforscher hier.


Was amüsiert mich?

Haben Sie die niveauvollen Diskussionen bei Facebook während des Zusammenbruchs vermisst?

Ich wünsche Ihnen einen fantastischen Tag. Morgen schreibt an dieser Stelle mein lieber Kollege Johannes Bebermeier.

Ihr

Florian Wichert
Stellvertretender Chefredakteur t-online
Twitter: @florianwichert

Was denken Sie über die wichtigsten Themen des Tages? Schreiben Sie es uns per E-Mail an t-online-newsletter@stroeer.de.

Mit Material von dpa.

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