Laschets Nachfolger Der Wadenbeißer
Nordrhein-Westfalens neuer Ministerpräsident hat bereits etliche Skandale hinter sich. Jetzt tritt Hendrik Wüst die Nachfolge von Armin Laschet an. Warum fiel die Entscheidung auf ihn?
Mit 19 Jahren Stadtverordneter, mit 31 Jahren CDU-Generalsekretär und mit 41 Jahren Verkehrsminister von Nordrhein-Westfalen: Der Lebenslauf von Hendrik Wüst liest sich wie eine parteipolitische Bilderbuchkarriere.
Seit dem Wochenende hat der bisherige Landesverkehrsminister den CDU-Landesvorsitz übernommen, nun hat ihn das Parlament zum Ministerpräsidenten gewählt. Mit seinen 46 Jahren ist er einer der jüngsten Regierungschefs in der Geschichte Nordrhein-Westfalens. CDU-Chef Armin Laschet hatte ihn bereits Anfang Oktober in Düsseldorf offiziell als seinen Nachfolger vorgeschlagen.
Wüst: "Riskiere schon einmal eine schlechte Überschrift"
Im Düsseldorfer Landtag liefert sich Wüst regelmäßig leidenschaftliche Wortgefechte, die ihm den Ruf als "begabter Haudrauf und hart gesottener Wadenbeißer" einbrachten, wie die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" es einmal formulierte. Doch auch außerhalb des Parlaments nahm der angriffslustige Westfale kein Blatt vor den Mund.
Für bundesweites Aufsehen sorgte etwa ein Interview Wüsts mit der "Bild"-Zeitung im Jahr 2004. Darin schlug er vor, Arbeitslose etwa zur Sauberhaltung von Spielplätzen, "die häufig mit Hundekot, Glasscherben und Drogenspritzen verschmutzt sind", einzusetzen. Der "taz" sagte er später dazu: "Ich riskiere eben auch schon einmal eine schlechte Überschrift, wenn ich mir in der Sache sicher bin."
Geboren wurde Wüst in der westfälischen Kleinstadt Rhede, wo er auch seine ersten Schritte in der Politik machte. Mit 15 Jahren trat er der Jungen Union bei, später übernahm er deren Landesvorsitz. Nach dem Abitur studierte er Jura und wurde 2003 als Rechtsanwalt zugelassen. Wüst arbeitete ein Jahr lang bei einer Unternehmensberatung und zog 2005 als damals jüngster CDU-Abgeordneter in den Düsseldorfer Landtag ein. Nur ein Jahr später stieg Wüst zum Generalsekretär auf.
Skandal zur Bundestagswahl 2009
Im Lauf seiner Karriere war Wüst in mehrere Skandale verwickelt, die sein Image vom "Law-and-Order"-Politiker schädigten. Einer davon war die später als Videoaffäre bekannte, gegenseitige Wahlkampfbeobachtung von SPD und CDU vor der Bundestagswahl 2009.
Damals beauftragte die CDU eine Produktionsfirma damit, die Wahlkampfreden der SPD-Landesvorsitzenden Hannelore Kraft professionell aufzuzeichnen. Nach einem Bericht über eine angebliche Beteiligung der Staatskanzlei schaltete sich das Landeskriminalamt ein. Wüst war damals CDU-Generalsekretär und wusste von der Überwachung.
Skandal zur Landtagswahl 2010
In die Bredouille brachten ihn zudem Vorwürfe, über mehrere Jahre hinweg überhöhte Zuschüsse zu seiner privaten Kranken- und Pflegeversicherung angenommen und die entsprechenden Leistungen seines Arbeitgebers nicht mit denen des Parlaments verrechnet zu haben. Nachdem der Fall bekannt geworden war, zahlte Wüst insgesamt rund 6.000 Euro an die Landesverwaltung zurück.
Den bisher größten Schaden nahm Wüst bei der sogenannten Sponsoring-Affäre im Februar 2010. Damals übernahm er die politische Verantwortung für die bekannt gewordenen, umstrittenen Praktiken der NRW-CDU bei der Gewinnung von Sponsoren, welche die Regierungspartei wegen des Vorwurfs der Käuflichkeit stark unter Druck gebracht hatten. In Briefen an potenzielle Geldgeber wurden etwa Einzelgespräche mit dem Ministerpräsidenten Jürgen Rüttgers angeboten. Wüst trat von seinem Amt als Generalsekretär zurück.
Bei der Landtagswahl im selben Jahr hatte die CDU deutliche Verluste zu verschmerzen. Wüst hingegen verteidigte sein Direktmandat und schärfte fortan als wirtschaftspolitischer Sprecher und Vorsitzender des Parlamentskreises Mittelstand seiner Fraktion auf der Oppositionsbank sein wirtschaftspolitisches Profil.
Instagram und sein politisches Comeback
Sein politisches Comeback gelang Wüst nach dem Regierungswechsel der Landtagswahl 2017: Ins schwarz-gelbe Kabinett unter Laschet wurde er als neuer Verkehrsminister berufen. Seitdem setzt er sich vor allem in den sozialen Netzwerken gekonnt in Szene.
Mal radelt er im Anzug mit dem Liegefahrrad durch die Gegend, mal sieht man ihn im T-Shirt beim Heimwerken, mal lehnt er an der Wand und liest mit seiner im Frühjahr geborenen Tochter in der Babytrage ein Buch.
Die Amtszeit Wüsts als Ministerpräsident ist auf wenige Monate begrenzt – bis zur Landtagswahl am 15. Mai. Angesichts der schwachen Umfragewerte der CDU ist allerdings fraglich, ob der Überflieger diese gewinnen kann.
- Nachrichtenagentur AFP