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Jetzt kommt der Chef! Markus Söder überrumpelt Armin Laschet


Meinung
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Tagesanbruch
Jetzt kommt der Chef

MeinungVon Florian Harms

Aktualisiert am 12.04.2021Lesedauer: 7 Min.
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Kampf um Kanzlerkandidatur: Am Sonntag bekundete Söder öffentlich seine Bereitschaft, auch Laschet äußerte sich. (Quelle: reuters)
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Guten Morgen, liebe Leserin, lieber Leser,

hier ist Ihr Tagesanbruch, heute geht es um eine folgenschwere Entscheidung, einen Alarmruf und einen Helden:

Es kann nur einer werden

Die Aufgaben sind gewaltig: Wer soll im Jahr 2023 den Corona-geschädigten Staatshaushalt sanieren, die verkrustete Verwaltung digitalisieren, das Gesundheitssystem auf Gemeinwohl statt Profit trimmen, die Rente stabilisieren, das Land mit Stromtankstellen überziehen, die EU-Partner von einer humanen und zugleich wirtschaftlichen Migrationspolitik überzeugen, die Bundeswehr in eine EU-Armee integrieren, den chinesischen Brachialkapitalisten faire Handelspraktiken abtrotzen, den Nahen Osten beruhigen, Landwirtschaft und Industrieproduktion nachhaltig gestalten, die sterbenden Wälder retten, Deiche gegen den steigenden Meeresspiegel errichten, übergriffige Digitalkonzerne in die Schranken weisen, die Mieten in Großstädten bezahlbar erhalten, die Infrastruktur in Dörfern verbessern – und bei all diesen Aufgaben die Bürger einbinden, um die vielerorts erschlaffte Demokratie zu beleben? Wenn CDU und CSU die Antwort auf diese Fragen nicht Olaf Scholz, Annalena Baerbock oder Robert Habeck überlassen wollen, brauchen sie schnell einen überzeugenden Kanzlerkandidaten.

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Schon viel zu lange schlingert die Union orientierungslos durch das Superwahljahr, durchgeschüttelt von der Pandemie, getroffen von Wahlniederlagen, ermüdet vom Dauerregieren, ernüchtert von der dürftigen Auswahl kanzlertauglichen Personals. Der brutale Absturz in den Wahlumfragen hat den Schwarzen vor Augen geführt, dass sie im politischen Koordinatensystem der Republik nicht mehr unverzichtbar sind. Längst werden im Berliner Regierungsviertel Koalitionen ohne Beteiligung der Union durchgespielt, linke Medien wie der "Spiegel" wünschen sich CDU und CSU in die Opposition und ein Ampelbündnis aus Grünen, SPD und FDP auf die Regierungsbank. Bundestagsabgeordnete von CDU und CSU bangen um ihre Mandate und tuscheln aufgeregt über die Fehler von Ministern und Parteioberen. Kein Tag vergeht, ohne dass im Konrad-Adenauer-Haus die Alarmsirene schrillt: Es könnte bald vorbei sein mit der Herrlichkeit! Bei einem Fahrradrennen würde man sagen: Die Union wird im Feld durchgereicht, während die Konkurrenz enteilt.

Aber nun soll sie losgehen, die Aufholjagd. Der Druck aus beiden Parteien ist so groß geworden, dass die beiden Rivalen Armin Laschet und Markus Söder gar nicht anders konnten, als sich endlich öffentlich zu bekennen – allerdings unter konträren Voraussetzungen. Nach der Sitzung des Fraktionsvorstands von CDU und CSU im Bundestag waren gestern zwei sehr unterschiedliche Bewerber um die Kanzlerkandidatur zu beobachten: Links stand der von niederschmetternden Umfragewerten gezeichnete Armin Laschet, dessen Autorität keine drei Monate nach seiner Wahl zum CDU-Chef kaum größer ist als die einer Kohlmeise: Kaum sagt er "Piep!", krähen fünf Vögel aus der eigenen Schar "Bei dem piiiiiiiept's!!!" Mit belegter Stimme beschwor er die Einigkeit der Schwesterparteien.

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Rechts stand Deutschlands Umfragekönig Markus Söder, der so gedrechselt formulieren kann wie wenige andere Politiker. So geschickt setzt er sich in Szene, dass nur wenigen auffällt, wie oft Worte und Handeln des CSU-Chefs nicht zusammenpassen. Nach seinem monatelangen Taktieren hatte er am Sonntag offenbar einen Becher Kreide gefrühstückt und betonte ebenfalls wortreich das "Miteinander". Ist das authentisch, gar glaubwürdig? Nicht wenige Unionspolitiker räumen hinter vorgehaltener Hand ein: Das wahre Problem von CDU und CSU sei, dass sie gar keinen wirklich überzeugenden Kanzlerkandidaten haben.

Aber einer muss es ja machen, wenn die ewige Regierungspartei auch nach der Ära Merkel weiter den Ton angeben will. Deshalb schicken nun beide Kontrahenten ihre Emissäre los, um bei Parteifunktionären für sich zu werben. Wir dürfen davon ausgehen, dass die Smartphones von CDU- und CSU-Politikern seit gestern Nachmittag heiß laufen. "In der Union herrscht Alarmstimmung", schreibt unser Kolumnist Gerhard Spörl. Schon auf den heutigen Präsidiumssitzungen in Berlin kann sich eine Entscheidung anbahnen, bis Mitte der Woche könnte sie feststehen. "Laschet ist jetzt am Zug und muss klug handeln", berichtet unser Reporter Tim Kummert, der sich hinter den Kulissen umgehört hat. "Falls Söder Kanzlerkandidat wird, kann er trotzdem mit erhobenem Kopf aus dem Rennen herauskommen, indem er sich als großmütiger Verlierer inszeniert – nach dem Motto: Ich nehme es nicht persönlich, das Volk will halt ihn."

Noch aber ist es nicht so weit, noch ringen beide miteinander, auch wenn sie öffentlich Harmonieschwüre leisten. Zeit also für einen kleinen, saloppen Steckbrief: Womit kann Herr Laschet punkten und womit Herr Söder?

Armin Laschet (CDU-Chef):

Größte Stärke: Führt durch Moderation statt durch Ansagen. Selbst Gegner loben seine Fähigkeit, konträre Meinungen zu integrieren.
Größte Schwäche: Führt durch Moderation statt durch Ansagen. Hält sich in schwierigen Fragen so lange zurück, bis keiner mehr weiß, wo es langgehen soll.
Verhältnis zu Merkel: Galt lange als politische Kopie der Kanzlerin und unterstützte ihre Sozialdemokratisierung der CDU. Versuchte sich dann mit einem abweichenden Corona-Kurs gegen Merkel zu profilieren. Das ging schief.
Position in der CDU: Der, der halt irgendwie Chef geworden ist.
Wichtigster Mitarbeiter: Nathanael Liminski, Chef der Düsseldorfer Staatskanzlei. 35 Jahre jung, katholisch, wertkonservativ, aber politisch flexibel. Gilt als brillanter Kopf, der sich im Hintergrund hält und jeden Schritt von Laschets Gegnern protokolliert. Die Kollegen der "Rheinischen Post" nennen ihn einen "Maschinisten der Macht". Konnte die unglücklichen Fernsehauftritte seines Chefs aber auch nicht verhindern.
Plan für Deutschland: Fordert ein "Modernisierungsjahrzehnt", vermag aber nicht so recht zu erklären, was genau er damit meint. Irgendwas mit viel Digitalisierung, nicht zu viel Klimaschutz, außerdem Wirtschaftsförderung, und Europa ist auch wichtig.
Persönlicher Albtraum: Koalitionsverhandlungen mit Annalena Baerbock.
Käme an seine Grenzen bei: einem 17-stündigen Krisengespräch mit Wladimir Putin.
Kanzlerchance: kritisch.

Markus Söder (CSU-Chef):

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Größte Stärke: Politisch flexibel wie ein Gummiband. Scheut keine Sekunde, politische Überzeugungen um 180 Grad zu drehen, wenn ihm das Mehrheiten im Wahlvolk verspricht. Wandelte sich vom Grünen-Verächter zum obersten Bienenschützer.
Größte Schwäche: Hält sich für unersetzlich. Ohne Zustimmung von König Markus kann in Bayern kein Minister auch nur Piep sagen. Kann man so ein ganzes Land führen?
Verhältnis zu Merkel: Piesackte die Kanzlerin in der Flüchtlingskrise bis aufs Blut. Als Merkels Zustimmungswerte in der Corona-Krise in die Höhe schossen, wandelte er sich zu ihrem treuesten Fan.
Position in der CSU: Ich bin der Chef. Punkt.
Wichtigster Mitarbeiter: Schwierig zu sagen. In Söders Reich darf niemand außer ihm selbst wichtig sein. Gregor Biebl ist als Leiter des Leitungsstabs in Pläne und Winkelzüge eingeweiht. Karolina Gernbauer, die schon unter Ministerpräsident Seehofer diente, organisiert die Staatskanzlei reibungs- und geräuschlos. Tanja Sterian steht als Pressesprecherin permanent im SMS-Kontakt mit dem Chef. Edmund Stoiber, einst "das blonde Fallbeil" genannt, lehrte Söder als politischer Ziehvater die Vorteile der Härte.
Plan für Deutschland: Fordert einen "Green Deal" mit höherem CO2-Preis, aber niedrigeren Energiesteuern, mit einer Solaranlagenpflicht auf Neubauten und mehr Geld für Forschung – Wasserstoff, künstliche Intelligenz und so weiter. Europa soll davon auch irgendwie profitieren.
Persönlicher Albtraum: Koalitionsverhandlungen mit Christian Lindner. Dürften ihm vermutlich erspart bleiben.
Käme an seine Grenzen bei: dem Versuch, Kumpel aus dem Ruhrpott und Reeder aus Hamburg davon zu überzeugen, dass er doch ein toller Kanzler wäre.
Kanzlerchance: von Tag zu Tag größer.


Alarmstufe Rot

Die Warnung ist alarmierend: "Wir haben seit Beginn der Pandemie heute den Höhepunkt der Auslastung ALLER Intensivbetten erreicht", schrieb Christian Karagiannidis, wissenschaftlicher Leiter des Divi-Intensivregisters, am Samstag. "Das Personal bricht weg. Selbst wenn es zu einem harten Lockdown kommt, steigen die Zahlen weiter für 10 bis 14 Tage. Es muss JETZT was passieren." Wer mit Ärzten auf Intensivstationen spricht, hört ähnliche Schilderungen: Operationen müssen verschoben werden, weil Betten fehlen. Viele Covid-19-Patienten sind deutlich jünger als während der ersten Welle und liegen deutlich länger auf den Stationen. Zugleich gibt es beunruhigende Fälle unter Pflegerinnen, die zwar zweimal geimpft wurden, sich aber trotzdem mit dem Virus angesteckt haben und infektiös sind. Und nun mehren sich auch noch Hinweise, dass die südafrikanische Virusmutation den Impfschutz von Biontech durchbrechen kann. Zwar macht die Variante nur ein Prozent aller Covid-19-Fälle aus, doch bei dem rasanten Wachstum der Infektionen könnte sich das bald ändern.

Kein Wunder also, dass viele Wissenschaftler das zähe Krisenmanagement der Politik immer lauter kritisieren und einen sofortigen, harten Lockdown fordern: bis auf Lebensmittelgeschäfte alle Läden zu, Schulen und Kitas auch zu, möglichst viel Homeoffice. Doch was könnte so ein harter Lockdown wirklich bewirken? Meine Kollegin Melanie Weiner hat die neuesten Erkenntnisse aufgeschrieben.


Trauer und Aufbruch

Eigentlich hatte Boris Johnson heute einen schönen PR-Termin anberaumt: "Am Montag, dem 12., werde ich selbst zu einem Pub gehen und vorsichtig, aber unwiderruflich, ein Bier an meine Lippen führen", ließ der britische Premier am Ostermontag verlauten. Schließlich dürfen in England, wo sich Inzidenzwerte und Impfquote sehen lassen können, ab heute Pubs ihre Biergärten und Restaurants ihre Außenbereiche wieder öffnen – das Gleiche gilt für Zoos, Fitnessstudios, Friseure und nicht-essenzielle Geschäfte. Wenn sich der Regierungschef den Pub-Besuch dann doch noch einmal anders überlegen sollte, liegt das natürlich an der im Königreich herrschenden Trauer um Prinz Philip.

Die ist allgegenwärtig. Deshalb werden die Abgeordneten des Unterhauses heute früher als geplant aus der Osterpause zurückkehren, um den verstorbenen Ehemann der Queen zu würdigen, der am Samstag auf Schloss Windsor beigesetzt werden soll. Außerdem fiebert London dem ersten Auftritt des abtrünnigen Prinzen Harry entgegen, der britischen Medien zufolge ohne seine schwangere Gattin Meghan aus Kalifornien angereist ist, um der Zeremonie beizuwohnen – und sich womöglich mit seiner Familie zu versöhnen.

Held der Lüfte

Heute vor 60 Jahren schrieb Juri Gagarin Geschichte: Am 12. April 1961 umrundete der sowjetische Kosmonaut in der "Wostok 1" als erster Mensch im Weltraum den Globus und bescherte der UdSSR einen Propaganda-Erfolg. Auch wenn es wegen der Pandemie keine zentrale Festveranstaltung gibt, erinnert man sich in Russland heute vielerorts an den Helden. Legendär ist das lapidare Wort, mit dem der Pionier seinerzeit den Start der Rakete im kasachischen Baikonur kommentierte: "Pojechali! – Auf geht’s!"


Was lesen?

"Ich bin alt", sagt Erica Fischer. Die 78-jährige Bestsellerautorin ("Aimée & Jaguar") hadert nicht mehr mit ihrem Alter, sie hat sogar ein Buch darüber geschrieben. Doch es stört sie, dass Frauen das Altern heutzutage schwer gemacht wird: "Als alte Frau werde ich heute nicht mehr wirklich ernst genommen", erzählt sie im Gespräch mit meiner Kollegin Claudia Zehrfeld.


Mehrere Bundesländer wollen den russischen Impfstoff Sputnik V einsetzen. Doch Zweifel an dessen Sicherheit häufen sich. Sandra Simonsen und Melanie Weiner klären Sie auf.


In einer Ampelkoalition könnte die FDP im Herbst mitregieren. Mein Kollege Florian Schmidt kennt die Steuerpläne der Liberalen bereits.


Was amüsiert mich?

Tja, so kann es natürlich auch kommen:

Welcher Partei auch immer Sie zuneigen, ich wünsche Ihnen einen frohen Wochenbeginn. Morgen schreibt Sven Böll den Tagesanbruch, von mir lesen Sie am Mittwoch wieder.

Herzliche Grüße

Ihr

Florian Harms
Chefredakteur t-online
E-Mail: t-online-newsletter@stroeer.de

Mit Material von dpa.

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