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Corona-Pandemie: Fünf Eigenschaften, wie wir mit Covid-19 umgehen sollten


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Was heute wichtig ist
Die nächste Seuche

MeinungVon Florian Harms

Aktualisiert am 04.12.2020Lesedauer: 7 Min.
Im indischen Neu-Delhi werden ganze Straßeneinzüge mit Desinfektionsmittel eingenebelt, um den Ausbruch des Dengue-Fiebers zu bekämpfen.Vergrößern des Bildes
Im indischen Neu-Delhi werden ganze Straßeneinzüge mit Desinfektionsmittel eingenebelt, um den Ausbruch des Dengue-Fiebers zu bekämpfen. (Quelle: Raj K Raj/Hindustan Times/imago-images-bilder)

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Hier ist der kommentierte Überblick über die Themen des Tages:

WAS WAR?

Das waren gestern keine guten Nachrichten. Ständig und überall dieses Corona, brrr! Alarmierende Zahlen, drastische Warnungen, beunruhigende Meldungen. In Baden-Württemberg dürfen die Leute nun vielerorts nachts nicht mehr aus dem Haus. Die ersten Krankenhäuser nehmen keine Patienten mehr auf, weil so viele Pflegerinnen an Covid-19 erkrankt sind. In Sachsen erwägt der Ministerpräsident, Schulen, Kitas und die meisten Geschäfte zu schließen. Der Chef des Robert-Koch-Instituts rechnet in den kommenden Wochen mit vielen weiteren Toten. Ja, manche Mahner hatten uns vor einem bitteren Winter gewarnt, aber dass er so bitter würde, das ist dann doch echt: bitter. Obgleich es blauäugig gewesen sein mag, hegten ja doch viele von uns die Hoffnung, dass der Spuk nun endlich bald vorbei ist. All die guten Nachrichten über Impfstoffe nährten die Zuversicht, rasch in unser normales Leben zurückzukehren.

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Diese Hoffnung zerrinnt in diesen kalten Tagen. Nicht nur wegen der gleichbleibend hohen Infektionszahlen, der menschenleeren Innenstädte und der hohen Opferzahlen. Es könnte sein, dass wir unser altes Leben nie wieder zurückbekommen. Aber das muss nicht unbedingt schlimm sein. Ich will versuchen, Ihnen das zu erklären.

Dafür schauen wir ins kommende Jahr. Selbst wenn der erste Impfstoff noch im Dezember in der EU und damit auch in Deutschland zugelassen wird, dürfte es mindestens bis zum kommenden Sommer dauern, bis genügend Menschen ihre beiden Spritzen bekommen und Immunität erlangt haben. Solange werden zumindest ortsweise weiterhin strenge Schutzregeln gelten. Solange wird unser Leben also vom Ausnahmezustand geprägt sein. Es mag uns nach all den zähen Monaten des Verzichts schwerfallen, aber wir müssen noch mehr Geduld aufbringen. Das wird uns schwerlich gelingen, wenn wir weiterhin alle zwei Wochen aufgeregt über das Für und Wider neuer Verschärfungen disputieren, wenn wir uns immer lauter über unsere elende Lage echauffieren oder wenn wir immer absurdere Verrenkungen unternehmen, um irgendjemandem die Schuld an dem Schlamassel zu geben. Die Pandemie ist da, sie nimmt keine Rücksicht auf unsere Befindlichkeiten, und sie hält uns noch monatelang in ihrem Griff. Wie also gehen wir damit um und kommen halbwegs unbeschadet durch den Winter und das Frühjahr? Die Hygieneregeln einhalten, isolieren und so weiter, ja klar. Aber es braucht mehr. Fünf Eigenschaften, um genau zu sein:

Erstens Langmut: Ausdauer kann man eine Zeit lang haben, aber nicht ewig. Geduld hält schon länger. Wer sich geduldet, der beherrscht sich. Der hat sich im Griff und behält einen kühlen Kopf, statt im Oberstübchen heiß zu laufen. Und gibt zugleich seinen Mitmenschen ein gutes Beispiel. In einer Gesellschaft der Geduldigen finden Extremisten und Hitzköpfe weniger Angriffsflächen. Dort sind die Vernünftigen stärker als die Verschwörer. Das war vielleicht noch nie so wichtig wie jetzt.

Zweitens Entschlossenheit: Der deutsche Föderalismus kann eine feine Sache sein, aber wenn er zu einem Regelchaos führt und jeder Landesfürst sein Extrawürstchen brät, schwächt er das Land, statt es zu stärken. Wie wackelig die deutsche Corona-Strategie seit Monaten ist, erkennen wir Journalisten alle paar Wochen, wenn die Kanzlerin sich mit den Ministerpräsidenten zum großen Powwow trifft. Wir bekommen dann die Beschlussvorlagen vorab durchgestochen. In der ersten, vertraulichen Version stehen meistens viele konsequente und wirkungsvolle Vorschläge. Aber wenn die Häuptlinge nach stundenlangem Palaver aus ihrem Zelt wieder herauskommen, ist ein Großteil davon den Partikularinteressen dieses oder jenes Federträgers zum Opfer gefallen. So schlingert die Corona-Politik zwischen Befindlichkeiten und Bedenken hin und her und kommt oft zu spät. Wie es auch anders geht, haben uns soeben die Tschechen vorgemacht: Konsequente Regeln – hart, aber kurz – sind wirkungsvoller als ein monatelanger Kompromisskurs.

Drittens die Bereitschaft, ständig dazuzulernen: Niemand hat diese weltweite Pandemie kommen sehen, niemand hat den perfekten Umgang mit ihr gefunden, niemand ist allwissend – aber wer bereit ist, von anderen Ländern und vor allem aus den Seuchen der Vergangenheit zu lernen, hat klare Vorteile. Auch deshalb kommen die asiatischen und afrikanischen Staaten, die in den vergangenen Jahren von SARS, MERS, Vogelgrippe, Ebola und Cholera gepeinigt wurden, besser durch die Corona-Krise als wir von der Natur verhätschelten Europäer. Lernen ist besser als wissen. Wäre es nicht so ernst, man könnte über jene Zeitgenossen lächeln, die den Virologen widersprüchliche Aussagen vorwerfen. Wissenschaft bedeutet, Annahmen ständig zu hinterfragen und alte durch neue Erkenntnisse zu revidieren. Nur so entsteht Fortschritt. Diese Binsenweisheit könnten gern auch manche Wichtigheimer aus Politik und Medien beherzigen, wenn sie abends bei Herrn Lanz, Frau Maischberger oder Frau Will sitzen. Beim Zuschauen fällt einem da gelegentlich ein Satz der Schriftstellerin Marie von Ebner-Eschenbach ein: Selig ist, wer nichts zu sagen hat und trotzdem schweigt.

Viertens: Naivität ist kein guter Ratgeber in einer Krise, Zuversicht schon. Läuft man abends über die verwaisten Straßen einer deutschen Großstadt durch den eisigen Wind nach Hause und weiß, dass dort wieder nur die Einsamkeit und der Fernseher mit den neuesten Hiobsbotschaften von der Corona-Front und den immergleichen Nasen in den Talkshows wartet, kann man wirklich auf düstere Gedanken kommen. Es ist nicht leicht, trotzdem bei Laune zu bleiben. Aber es geht. Nämlich dann, wenn man den Blick nicht auf den Augenblick verengt, sondern auf das Ende richtet. Denn das Ende der Seuche wird kommen. Es wird den Moment geben, an dem wir ohne Maske in den Biergarten oder ins Restaurant schlendern, um dort unsere Freunde zu umarmen und anschließend ins Theater oder Kino zu gehen. Eine positive Grundeinstellung verleiht Kraft, sie kann vielleicht sogar Leben retten.

Es kommt sogar noch besser: Beherzigen wir diese vier Eigenschaften, tragen sie uns nicht nur durch die Corona-Monate, sondern werden uns auch nach deren Ende helfen. Denn die nächste Pandemie kommt bestimmt. Die globale Erderhitzung bewirkt, dass sich Infektionskrankheiten in neuen Weltregionen verbreiten. So könnten wir Europäer bald Geißeln wie das Dengue-Fieber kennen lernen. Auch die Globalisierung trägt Krankheitserreger immer schneller in alle Winkel der Welt. Wir erinnern uns an den ersten Corona-Ausbruch in Deutschland, als sich mehrere Mitarbeiter des Autozulieferers Webasto bei einer Kollegin aus China ansteckten. Die zunehmenden Handelsverflechtungen und der Reiseverkehr, aber auch die Migration begünstigen die Verbreitung von Viren und Bakterien. Zugleich bevölkern immer mehr Menschen unseren Planeten, und immer mehr steigen aus der Armut in die Mittelschicht auf, vor allem in China und in Indien. Sie werden mobiler, sie werden mehr reisen, und sei es nur, um einmal im Leben den Eiffelturm oder das Brandenburger Tor zu sehen.

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Die Welt nach Corona wird eine andere sein als zuvor. Um sicher in ihr zu leben, müssen wir uns an neue Regeln gewöhnen. Es braucht mehr Rücksichtnahme im Alltag, ausgeklügelte staatliche Pandemiepläne und vor allem die Bereitschaft, uns global zu organisieren. Das Desinteresse, mit dem wir bisher viele Entwicklungen in Asien und Afrika links liegen ließen, können wir uns nicht länger leisten. Wenn die Corona-Erfahrung uns dazu veranlasst, künftig rund um den Globus stärker zusammen- statt gegeneinander zu arbeiten, dann hätte diese Krise tatsächlich ihre gute Seite. Und genau das ist der Grund, warum es gar nicht so schlimm sein muss, wenn wir unser altes Leben nicht zurückbekommen. Zugleich steckt darin die fünfte Eigenschaft, auf die Sie bestimmt schon gewartet haben: Mehr Empathie für unsere Mitmenschen von nah und fern ist jetzt keine schlechte Idee.


WAS STEHT AN?

In Sachsen droht die Corona-Lage außer Kontrolle zu geraten. Experten fordern deshalb einen kurzen, aber kompletten Lockdown. Angesichts des "überexponentiellen" Trends bei den Fallzahlen müsse "viel stärker" gebremst werden, sagt der Epidemiologe Markus Scholz. "Je später man reagiert, desto härter muss man eingreifen." Sachsen hat die älteste Bevölkerung aller Bundesländer und Grenzen zu den stark betroffenen Ländern Tschechien und Polen. "Außerdem ist der Anteil an Corona-Leugnern höher als in anderen Bundesländern", ergänzt der Ostdeutschland-Beauftragte der Bundesregierung, Marco Wanderwitz. "Es ist auffallend, dass die am stärksten betroffenen Regionen die sind, in denen der AfD-Stimmenanteil bei Wahlen am höchsten ist."


In vielen Ländern werden die Corona-Regeln verschärft. In Italien ist die Opferzahl auf den höchsten Wert seit Ausbruch der Pandemie gestiegen, die Menschen dürfen ihre jeweilige Heimatregion nun nicht mehr verlassen. In der Türkei beginnt eine nächtliche Ausgangssperre, in Österreich finden Massentests für Hunderttausende Menschen statt.


In Nürnberg fällt das Urteil im Prozess gegen einen 23-Jährigen, der als Mitglied der Neonazi-Terrorgruppe "Feuerkrieg Division" einen Anschlag vorbereitet haben soll.


WAS LESEN?

Als erstes Land hat Großbritannien den Corona-Impfstoff von Biontech und Pfizer zugelassen. Schon in wenigen Tagen sollen die ersten Menschen ihre Spritze bekommen. Warum geht das dort so schnell und was machen die EU-Staaten anders? Meine Kollegin Melanie Weiner hat die Antworten.


Auch in Deutschland rückt die Zulassung des Impfstoffes gegen Covid-19 näher. Manche Menschen machen sich aber Sorgen wegen gesundheitlicher Risiken. Was bisher über Nebenwirkungen und Langzeitfolgen der Wirkstoffe bekannt ist, erklärt Ihnen ebenfalls meine Kollegin Melanie Weiner.


Diverse Aktivisten der "Querdenker" machen offenbar nichts anderes mehr, als in Vollzeit ihren Kampf gegen Masken, Hygieneregeln und Impfungen zu führen. Dafür bitten sie um Schenkungen und Spenden – und zwar auf fragwürdige Weise, wie unser Rechercheur Lars Wienand herausgefunden hat.


Seit dem Waffenstillstand in Bergkarabach kursieren brutale Videos von Kriegsverbrechen. Der Reporter Neil Hauer und unser Redakteur Philip Friedrichs haben sich die Filme angesehen und erklären, warum die Welt davon wissen sollte.


In Sachsen-Anhalt macht die CDU einen Fehler nach dem anderen. Beim Streit um die Erhöhung der Rundfunkbeiträge geht es längst um mehr als nur um ARD und ZDF, kommentiert unsere Kolumnistin Lamya Kaddor.


WAS AMÜSIERT MICH?

Der hat immer so fabelhafte Ideen, der Mario Lars!

Ich wünsche Ihnen einen fabelhaften Tag. Der Wochenend-Podcast pausiert noch einmal. Am Montag schreibt Sven Böll den Tagesanbruch, ich melde mich am Dienstag wieder bei Ihnen.

Herzliche Grüße,

Ihr

Florian Harms
Chefredakteur t-online
E-Mail: t-online-newsletter@stroeer.de

Mit Material von dpa.

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