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Erhöhung der Rundfunkbeiträge: Wir brauchen eine Brandmauer gegen rechts


Meinung
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CDU-Blockade beim Rundfunkbeitrag
Die verkappten Gallier aus Magdeburg

  • Lamya Kaddor
MeinungEine Kolumne von Lamya Kaddor

03.12.2020Lesedauer: 5 Min.
Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff: Im Streit um den Rundfunkbeitrag droht seine Koalition zu zerbrechen.Vergrößern des Bildes
Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff: Im Streit um den Rundfunkbeitrag droht seine Koalition zu zerbrechen. (Quelle: Christian Schroedter/imago-images-bilder)
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In Sachsen-Anhalt macht die CDU einen Fehler nach dem anderen im Streit um die Erhöhung der Rundfunkbeiträge. ARD, ZDF und Deutschlandradio stehen dabei schon lange nicht mehr im Fokus. Es geht um viel mehr.

René Goscinny und Albert Uderzo sind einst einem großen Irrtum aufgesessen. Das kleine gallische Dorf liegt gar nicht in Frankreich, wie die Asterix-Schöpfer uns weismachen wollen, es liegt in Sachsen-Anhalt, und es wird auch nicht von unbeugsamen Galliern bevölkert, sondern von starrsinnigen CDU-Abgeordneten. Sie sollen auch nicht unter die Besatzung von irgendwelchen Römern gebracht werden, sondern bloß von Demokraten zur Vernunft. Und was sie den lieben langen Tag treiben, ist auch ganz und gar nicht lustig, sondern erschreckend.

Die verkappten Gallier aus Magdeburg

Ihre Fraktion in einem Bundesland mit gerade mal halb so vielen Einwohnerinnen und Einwohnern wie Rheinland-Pfalz schickt sich dieser Tage an, ganz Deutschland den Willen aufzuzwingen. Es geht um ARD, ZDF und Deutschlandradio und die Erhöhung ihres Rundfunkbeitrags um 86 Cent. Diese Erhöhung für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk (ÖRR) ist das Ergebnis eines höchst langwierigen, aufwendigen und komplizierten Verfahrens. Es wurde in ein Gesetz gegossen, das alle Ministerpräsidentinnen und -präsidenten inklusive Sachsen-Anhalts Regierungschef Reiner Haseloff unterzeichnet haben, fast alle Länderparlamente haben es ratifiziert oder werden es noch tun.

Nur die CDU-Fraktion Sachsen-Anhalt ist partout dagegen, was selbst die eigene Bundespartei um Annegret Kramp-Karrenbauer sprachlos macht.
Da Einstimmigkeit in der Sache nötig ist, könnten die verkappten Gallier aus Magdeburg aufgrund der Mehrheitsverhältnisse im Landtag das Vorhaben für ganz Deutschland kippen, bzw. letztlich würden sie es bloß unnötig verzögern und verteuern. Experten gehen davon aus, dass sich Sachsen-Anhalt später vom Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe eine Klatsche einfangen wird. Der Verfassungs- und Medienrechtler Dieter Dörr zum Beispiel hat das schon vor Monaten in der "Süddeutschen Zeitung" erklärt.

Verbissenheit der CDU-Fraktion

Nur weil alle für etwas sind, muss in einer Demokratie auch eine vergleichsweise kleine Fraktion noch lange nicht einknicken, aber unter den gegebenen Umständen muss sie kompromissbereiter sein, als sie es derzeit ist. Es ist ein oligarchisches Gebaren, der Mehrheit ihre Haltung aufzwingen zu wollen. So funktioniert Demokratie nicht. Die CDU-Fraktion Sachsen-Anhalt sollte schleunigst zur Vernunft kommen. Alles andere dürften ihr ihre rot-grünen Koalitionspartner nicht durchgehen lassen, wollen sie nicht selbst Schaden an der Causa nehmen.


Die Verbissenheit der CDU-Fraktion Sachsen-Anhalt legt nahe, dass es ihr am Ende wohl gar nicht um die Sache geht, weder um die Beitragserhöhung, die erste seit elf Jahren, noch um inhaltliche Reformen beim ÖRR. Zudem sind die Sachargumente, die die "Gallier" vorbringen, wenig plausibel. Dass 86 Cent plötzlich wegen der Corona-Krise zu viel sein sollten, wird wohl kaum die CDU-Fraktion Sachsen-Anhalt exklusiv erkannt und aufgedeckt haben; bisher jedenfalls hat noch niemand so argumentiert. Ihr Pochen auf "Beitragsstabilität", wie diese explizit im Koalitionsvertrag vereinbart wurde, kommt ohne Erhöhungen de facto einer Beitragskürzung angesichts der Inflation seit 2009 gleich.

ÖRR ist Feindbild Nummer eins bei Corona-Leugnern

Und die Forderung nach mehr Aufmerksamkeit für Ostdeutschland ist beim ÖRR längst angekommen. Die verkrampfte Suche nach Argumenten nährt Zweifel und so verfestigt sich der Gedanke, dass es der CDU-Fraktion Sachsen-Anhalt womöglich darum geht, sich bei Lügenpresse-Rufern anzubiedern und Anschlussfähigkeit an rechtskonservatives Gedankengut zu bewahren. Der ÖRR ist Feindbild Nummer eins bei Corona-Leugnern, Extremisten, bei völkisch orientierten Menschen und jenen, die andere, unliebsame Bevölkerungsgruppen benachteiligen wollen.

Genau gegen deren Bestrebungen wurden ARD, ZDF und Deutschlandradio explizit aufgestellt. Im MDR-Staatsvertrag heißt es: "Die Sendungen dürfen sich nicht gegen die Völkerverständigung und gegen die Wahrung von Frieden und Freiheit richten." Das WDR-Gesetz in Nordrhein-Westfalen geht noch einen Schritt weiter: "Der WDR soll die internationale Verständigung, die europäische Integration, den gesellschaftlichen Zusammenhalt, ein diskriminierungsfreies Miteinander in Bund und Ländern und die tatsächliche Gleichstellung von Frauen und Männern fördern, zum Frieden und zur sozialen Gerechtigkeit mahnen, die demokratischen Freiheiten verteidigen und der Wahrheit verpflichtet sein." So ähnlich steht es in allen vergleichbaren Rechtsnormen zwischen Kiel und München und so ähnlich findet es sich in den Vorgaben für Medien in anderen demokratischen Staaten.

CDU hat sich vergaloppiert

Es kommt daher nicht von ungefähr, dass autoritäre Charaktere so gerne nach dem ÖRR greifen, wie man es bei Ungarns Premier Viktor Orbán, Polens PiS-Patriarchen Jarosław Kaczyński, beim britischen Premier Boris Johnson erleben kann oder auch bei Donald Trump, der allerdings gleich die Berichterstattung aller Medien, die nicht seine Meinung verbreiten, zu "Fake News" erklärt. Wenn die CDU-Fraktion Sachsen-Anhalt bei ihrem unnachgiebigen Kurs bleibt, stärkt sie genau diese Tendenzen – ob sie es nun ausdrücklich will oder nicht.

Sie hat sich bei dem Thema vergaloppiert. Sie hat ihren potenziellen Wählerinnen und Wählern versprochen, etwas zu stoppen, was eigentlich gar nicht in ihrer Macht liegt, und dann tritt sie noch übertrieben vehement und lautstark dafür ein. Das erinnert fatal an den Starrsinn der CSU und des Bundesverkehrsministers Andreas Scheuer bei der Pkw-Maut. Der Ausgang ist bekannt. Die sachsen-anhaltischen "Gallier" sollten daher besser in Kauf nehmen, gegebenenfalls als Umfaller dazustehen. Der Schaden, den sie sonst anrichten werden, wird diesen um ein Vielfaches übertreffen.

Freiheitlich-demokratische Grundsätze nicht aus dem Blick verlieren

Gewiss mögen sich die Christdemokraten um ihren oft so unglücklich agierenden Landesparteichef Holger Stahlknecht in einem Bundesland behaupten müssen, wo die AfD schon 2016 ihr bis heute zweitbestes Ergebnis bei einer Landtagswahl eingefahren hat. Dennoch darf das nicht dazu führen, freiheitlich-demokratische Grundsätze aus dem Blick zu verlieren.

Ihre Fraktion steht davor, mit der AfD gemeinsame Sache zu machen, als hätten sie aus dem Debakel ihrer Thüringer Parteifreunde im Frühjahr und dem Fall Kemmerich nichts gelernt. Selbstverständlich ist auch die AfD gegen eine Änderung des Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrages, wie sollte es anders sein. Ein Nein im Landtag würde beide somit zwangsläufig ins gleiche Boot verfrachten.

Die Brandmauer nach rechts muss stehen

Das mag einige in der CDU Sachsen-Anhalt nicht stören, Teile der Partei liebäugeln schon länger mit einer Annäherung an die AfD oder schließen gar Kooperationen auf Landesebene nicht aus. Selbst wenn breite Teile der Bevölkerung in Ostdeutschland die AfD wählen, macht das die Partei noch nicht zu einer normalen demokratischen Alternative. Bei allem Verständnis für jene Menschen in Sachsen-Anhalt, die so anders denken als der Rest der Republik, und die selbstverständlich eine politische Repräsentanz benötigen, keine Partei der Mitte darf an dieser Stelle Konzessionen machen: Die Brandmauer nach rechts muss stehen!

Wer anderer Meinung ist, sollte ernsthaft über die Neugründung einer Ost-CDU nachdenken; wobei diese sich dann gleich der AfD anschließen könnte.

Spätestens, wenn diese Brandmauer nach rechts zum Thema wird, ist das, was in Sachsen-Anhalts CDU passiert, mehr als eine interne und regionale Angelegenheit. Dann geht das Thema ganz Deutschland etwas an und die Aufmerksamkeit von allen aufrichtigen Demokraten ist nötig, um etwaigen Anfängen zu wehren und sich dagegen zu stellen.

Lamya Kaddor ist Deutsche mit syrischen Wurzeln. In ihrer Kolumne "Zwischentöne" analysiert die Islamwissenschaftlerin, Islamische Religionspädagogin und Publizistin, die Mitglied der Grünen ist, für t-online die Themen Islam und Migration. Die im Gastbeitrag geäußerten Ansichten geben die Meinung der Autorin wieder und entsprechen nicht notwendigerweise denen der t-online-Redaktion.

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