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Covid-19-Tote: Deutschland als trauriger Corona-Spitzenreiter


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Was heute wichtig ist
Deutschland als trauriger Corona-Spitzenreiter

MeinungVon Florian Harms

Aktualisiert am 27.11.2020Lesedauer: 6 Min.
Pflegerinnen betreuen einen Corona-Patienten in Essen.Vergrößern des Bildes
Pflegerinnen betreuen einen Corona-Patienten in Essen. (Quelle: Fabian Strauch/dpa)
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WAS WAR?

Es ist schwer genug, der Corona-Pandemie positive Seiten oder gar einen tiefgreifenden Nutzen abzugewinnen. Aber wenn es einen solchen Nutzen gibt, dann den als Lehrstück. Denn diese Pandemie wird nicht die letzte sein. Das Vordringen des Menschen in ehemals unbesiedelte Naturräume, ihre Zersiedelung und Nutzung, hat zu vermehrtem Kontakt zwischen unserer Spezies und den Wildtieren geführt, die gefährliche Krankheitserreger bergen – von Corona bis Ebola. Das kann man bedauern und kritisieren, aber es wird sich kaum aufhalten lassen. Covid-19 ist also erzwungenermaßen unsere Trainingseinheit für künftige Katastrophen. Umso dringender müssen wir die Schwächen ausbügeln, die uns gegenwärtig das Leben so schwer machen.

Ein paar grundsätzliche Lektionen haben wir in Deutschland schnell gelernt, und sie haben das Schlimmste verhindert. Auf die Wissenschaft hören zum Beispiel. Sich um breite Solidarität in der Bevölkerung bemühen, weil keine Behörde und kein Amtsträger die Rücksichtnahme herbeibefehlen kann. Aber wir müssen auch ernüchtert feststellen: Auf den Corona-Demonstrationen hat sich nicht nur ein kleines Häuflein Verwirrter versammelt. Die Proteste sind gut besucht.

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Zwar hat die digitale Gerüchteküche es bisher nicht vermocht, mit ihren Facebook-Gruppen und Telegram-Gemeinschaften die Mehrheit der Vernunftbegabten ins Wanken zu bringen – aber wir können erahnen, wie diese Mehrheit kippen kann. Desinformation erfolgreich unter die Leute zu bringen ist leichter als je zuvor. Populisten, Verführer und Vereinfacher ergreifen dankbar die Gelegenheit. Wir werden also dringend darüber reden müssen, wie wir die Verbreitung der Lügen bremsen. Dazu schreiben wir uns den Namen "Mark Zuckerberg" und die seiner Branchenkollegen schon mal dick auf unseren Aufgabenzettel.

Aber das Silicon Valley ist nicht an allem schuld, was schiefläuft. Das Ergebnis des Corona-Maßnahmenbasars der Bundeskanzlerin und der Ministerpräsidenten ist gestern hoch und runter kommentiert worden. Manche loben es als guten Kompromiss, andere, wie zum Beispiel FDP-Chef Christian Lindner, zerpflücken es in der Luft. Aber verbirgt sich hinter dem Tauziehen alle paar Wochen vielleicht ein tieferliegendes Problem? Das, was die Politik und unsere gewählten Volksvertreter besonders auszeichnet, was zu ihren Kernkompetenzen gehört – hart verhandeln, Interessen durchsetzen, am Ende zu Kompromissen finden –, wird in der Pandemie zum Hindernis. Denn der eigentliche Verhandlungspartner, das Virus, sitzt nicht mit am Tisch und hört auch nicht zu. Man kann ihm zu Leibe rücken, indem man systematisch Strategien erprobt, verbessert oder verwirft. Aber die Ergebnisse seines Wütens sind nicht verhandelbar. Eine Berufsgruppe, die gewohnheitsmäßig Deals anstrebt, tut sich erkennbar schwer mit diesem unerbittlichen Gegner.

Die irritierendste Schwäche, die unser Umgang mit der Pandemie offenbart hat, ist jedoch die Nabelschau. Gewiss, manchmal ist diese Form der Beschränktheit gut für die Moral. Mehrheitlich sind wir zum Beispiel immer noch der Überzeugung, Deutschland habe sich im Kampf gegen Covid-19 bisher ausgezeichnet geschlagen. Im europäischen Vergleich mag das stimmen, aber wenn wir über den Tellerrand nach Asien schauen, erwartet uns dort diese Grafik:

Wir sehen: Bei den Todesfällen pro 100.000 Einwohner ist Deutschland hier der einsame, traurige Spitzenreiter. Die Vergleichsgruppe – Japan, Taiwan, Südkorea, China und Vietnam – drängt sich unten an der erstrebenswerten Nulllinie zusammen. Singapur und Hongkong könnten wir ebenfalls dazunehmen, man würde sie unter den übrigen Kandidaten allerdings kaum erkennen, so groß ist der Andrang unter den wirklichen Top-Performern in der Pandemie. Aber Deutschland? Macht sein eigenes Ding. Ist selber top – allerdings unter den Zweitligisten.

Wir hätten gut daran getan, uns von den Klassenbesten Tipps geben zu lassen, statt uns allein und ganz von vorn durch das dicke Pandemielehrbuch zu quälen. Denn die asiatischen Staaten haben zwar wenig gemein: Demokratien neben Diktaturen, Inseln neben Festland, Stadtstaaten neben Flächenländern. Aber alle haben in den Epidemien vergangener Jahre harte Lektionen gelernt. Erstens bei Aufkommen einer Seuche sofort handeln, statt lange herumzulavieren. Zweitens schnell eine Maskenpflicht und Abstandsregeln an belebten Orten im öffentlichen Raum einführen. Drittens eine Infrastruktur für schnell verfügbare Tests mit raschen Ergebnissen aufbauen – vor allem an Orten mit hohem Infektionsrisiko wie etwa Großstädten. Viertens genug Personal für die Kontaktverfolgung bereitstellen – mit digitalem Datenabgleich statt handschriftlicher Zettelwirtschaft. Und fünftens auf klare Kommunikation statt politische Kakophonie setzen.

Wir haben diesen Erfahrungsschatz zu lange ignoriert. Das müssen wir in Zukunft besser machen. Aufgeschlossen, neugierig und lernfähig zu sein lohnt sich. Denn auch dies zeigen uns die Kurven: Wer nach der Pandemie die richtigen Konsequenzen gezogen hat, für den wird sich die Geschichte nicht wiederholen.


WAS STEHT AN?

Nach der Einigung in Berlin müssen die Landesregierungen die verschärften Corona-Regeln noch beschließen, dafür kommen heute die Landtage zusammen. Die Ministerpräsidenten geben Regierungserklärungen ab, die größte Bühne wird wohl wieder Markus Söder für sich beanspruchen.

EU-Unterhändler Michel Barnier braucht heute ebenfalls eine große Bühne. Er informiert die EU-Staaten und das Europaparlament über den Stand seiner Brexit-Gespräche mit London. Der geplante Handelspakt soll Abgaben und Regelwirrwarr vermeiden, wenn die Briten zum Jahresende den Binnenmarkt und die Zollunion verlassen. Gelingt das nicht, drohen Chaos an den Grenzen und die Unterbrechung von Lieferketten. Die Hauptstreitpunkte beim großen Feilschen sind nach wie vor gleiche Wettbewerbsbedingungen, die Fischereirechte und Strafen bei Verstößen gegen das geplante Abkommen. Die Zeichen mehren sich, dass beide Seiten ihr Blatt bis zuletzt ausreizen werden, um dann im Dezember endlich, endlich die Einigung zu verkünden. Dann nähme das Jahr einen versöhnlichen Ausgang.

Wenn Sie Kinder oder Enkel haben, können die ab heute ihre Wunschzettel an das "Weihnachtspostamt in Himmelpforten" schicken. Dort beantworten ehrenamtliche Helfer Zehntausende Briefe an das Christkind oder den Weihnachtsmann. Ich wüsste ja, was ich mir wünsche.

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WAS LESEN?

Die Ministerpräsidenten haben mit der Bundeskanzlerin den Corona-Kurs bis Weihnachten beschlossen – doch ein Landeschef schert aus: Daniel Günther aus dem hohen Norden hält von den neuen Kontaktbeschränkungen wenig. "Ich glaube, eine solche Regelung verwirrt die Menschen, sagt er im Interview mit meinen Kollegen Sonja Eichert und Tim Kummert. Hier erklärt er den "schleswig-holsteinischen Sonderweg".


China, Deutschland, USA: Weltweit laufen mehr als 200 Projekte zur Entwicklung von Impfstoffen gegen Corona. Welche für uns in Deutschland am vielversprechendsten sind, zeigt Ihnen meine Kollegin Melanie Weiner.


Die sollen einfach mal die Füße stillhalten! Warum können die sich nicht zusammenreißen? Party ist jetzt wirklich das Letzte! So haben viele Ältere in den vergangenen Wochen auf die jungen Leute geschimpft, die eine Zeit lang als größte Infektionstreiber galten. Doch inzwischen zeichnen die Daten meiner Kollegin Laura Stresing ein anderes Bild. Gemeinsam mit Sandra Sperling und Adrian Röger zeigt sie Ihnen hier, in welchen Altersgruppen die Corona-Fälle derzeit am stärksten zunehmen.


Thanksgiving im Ausnahmezustand: Die USA haben gestern ihren ersten großen Feiertag im Corona-Winter hinter sich gebracht. Viele Menschen sind trotz Warnungen zu ihren Familien gereist. Einer hat natürlich nicht gewarnt, Sie wissen schon, wer. Trotzdem kann dieser Herr jetzt wohl von einem riesigen Vorteil profitieren, berichtet unser Reporter Johannes Bebermeier aus Washington.


Haben Sie schon Ihre Weihnachtsgeschenke beisammen? Ich auch nicht. Klar ist aber nun: Das Shopping in der Einkaufsstraße könnte dieses Jahr ziemlich kalt werden; aufgrund der neuen Corona-Regeln dürften sich vor vielen Läden Schlangen bilden. Worauf Sie sich einstellen müssen, erklärt Ihnen meine Kollegin Christine Holthoff.


Diego Maradona hat sich in die Herzen der Fußballfans gedribbelt. Mein Kollege Benjamin Zurmühl hat keine Erinnerungen an diese Meisterleistungen, er ist 26 Jahre jung und kennt Maradonas Spiele nur aus Videos. Trotzdem hat er in einem besonderen Moment begriffen, dass dieser kleine Mann ein Heiliger war.


WAS AMÜSIERT MICH?

Herrje, dieser Shopping-Wahn!

Ich wünsche Ihnen einen heiteren Tag. Der Wochenend-Podcast pausiert, ich werde Sie am Montagmorgen wieder begrüßen.

Herzliche Grüße,

Ihr

Florian Harms
Chefredakteur t-online
E-Mail: t-online-newsletter@stroeer.de

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