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Corona-Krise: Angela Merkel in Brüssel – was von ihr zu erwarten ist


Meinung
Was ist eine Meinung?

Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.

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Was heute wichtig ist
Europas Zukunft kann heute entschieden werden

  • Peter Schink
MeinungVon Peter Schink

Aktualisiert am 08.07.2020Lesedauer: 6 Min.
Bessere Zeiten: Macron, Trump, Merkel, Erdogan beim Nato-Gipfel im Dezember 2019.Vergrößern des Bildes
Bessere Zeiten: Macron, Trump, Merkel, Erdogan beim Nato-Gipfel im Dezember 2019. (Quelle: Peter Nicolls/reuters)
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Guten Morgen, liebe Leserinnen und Leser,

hier ist der kommentierte Überblick über die Themen des Tages, heute stellvertretend für Florian Harms:

WAS WAR?

"Diese gefügten, gefügigen, Weicheres tragenden Knochen: lesen. [...] Diese zehn Zehen im Gehen und Stehen: lesen, laß, daß sie nachher verwesen." Es sind sperrige und zugleich anregende Zeilen der Lyrikerin Elke Erb aus dem Jahr 1999. Kaum zu verstehen? Das soll so. Die 82-Jährige hat gestern für ihr Werk den renommierten Georg-Büchner-Preis erhalten.

Ich kann nur sagen: Als Journalist, der ich täglich profanere Texte schreibe, verneige mich tief vor solcher Sprachgewalt. Eines eint Journalisten und Schriftsteller: Zum Denken anregen wollen wir.

Das Gedicht von Elke Erb trägt den Titel "leibhaft lesen". Denn Lesen regt zum Nachdenken an.


Den wichtigsten Text des Tages gibt es noch nicht zu lesen. Um die Rede von Bundeskanzlerin Angela Merkel zum Beginn der deutschen Ratspräsidentschaft heute im Europäischen Parlament einordnen zu können, erst einmal ein Blick zurück und zugleich in die Ferne.

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Kommen Sie mit nach Kenia. Das ostafrikanische Land galt lange als wirtschaftlich robust. Ein Leuchtturm für die Region. Safaris für Touristen, Investitionen durch China, Wirtschaftswachstum. Das Land hat 52 Millionen Einwohner, die Regierung ist korrupt, dafür liegt die Arbeitslosigkeit in der größten Volkswirtschaft Ostafrikas nur bei knapp sechs Prozent. Kein demokratisches Musterland, aber sehr erfolgreich im afrikanischen Vergleich.

Die Weltbank sah im Länder-Ranking Kenia auf einem guten 56. Platz, weit vor anderen afrikanischen Ländern wie Südafrika oder Ägypten. Bis zu diesem Frühjahr.

Die Corona-Fallzahlen sind gar nicht so hoch, es wird schließlich kaum getestet. Aber die Touristen bleiben weg, die Nachfrage nach Textilien aus Europa bricht ein, ebenso der Blumen-Export. Drei der wichtigsten Wirtschaftsbereiche des Landes. In den ärmeren Vierteln der Hauptstadt Nairobi ist einer Studie zufolge die Arbeitslosigkeit von 8 Prozent auf 54 Prozent gestiegen. Zwei Drittel der Menschen arbeiten in Kenia im so genannten "informellen Sektor", in Jobs ohne Absicherung. Sie trifft die Krise am härtesten. 42 Prozent der Befragten sagen, sie fürchten sich vor Hunger.

Zeitgleich wird das Land schon seit Monaten von einer Heuschreckenplage heimgesucht. Es ist die schlimmste seit 70 Jahren (UN-Daten, engl.). Kenia ist deshalb auf den Import von Nahrungsmitteln angewiesen. Doch über den Hafen von Mombasa, den Flughafen in Nairobi und die Grenze zu Uganda kommen kaum noch Lebensmittel an. Auch die Bekämpfung der Schädlinge gelingt nicht. Wegen Corona.

Für uns ist das alles sehr weit weg. Kenia passt jetzt wieder besser zu Klischees über Afrika: Arme Menschen, Hunger, chaotische Zustände. Nur war das Land vor Corona und den Heuschrecken dabei, sich davon zu entfernen.

Wie es weitergeht? Niemand weiß es.

Das entspricht ziemlich genau dem, wovor die Welthungerhilfe gestern eindringlich warnte. Infolge von Kriegen, Klimawandel und wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie könne die Zahl der Hungernden weltweit von derzeit gut 800 Millionen auf eine Milliarde ansteigen. Eine Milliarde. Ein nie da gewesener Rückschritt.

Kehren wir zurück nach Europa. Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni senkte gestern die Konjunkturprognose für die EU-Staaten nochmals: Von minus 7,4 Prozent auf jetzt minus 8,3 Prozent.

Das führt unmittelbar zum heutigen Tag. Wir brauchen ihn.


WAS STEHT AN?

Bundeskanzlerin Angela Merkel wird vor dem Europäischen Parlament erwartet. Die deutsche Ratspräsidentschaft soll sie erläutern. Auftritt um kurz nach 14 Uhr. Die erste Auslandsreise nach Ausbruch der Corona-Pandemie.

Die Kanzlerin wird mit einiger Sicherheit die europäische Solidarität thematisieren. Gemeinsam gehen wir gestärkt aus der Corona-Krise hervor, wird sie womöglich sagen. Wenn wir solidarisch sind.

Doch was heißt Solidarität in Europa eigentlich? Die Diskussion hat sich in den vergangenen Tagen vor allem um die große Summe von 500 Milliarden Euro gedreht, die als Zuschuss für die besonders betroffenen EU-Staaten geplant sind. Europas Regierungen wurden also gefragt: Wie viel sind alle bereit, in den europäischen Geldtopf zu geben? Die Zuspitzung der Solidaritätsfrage auf den finanziellen Aspekt schmerzt.

Rational ist allen klar: Ohne das Geld werden Italiener, Franzosen, Spanier oder Griechen hart in die nächste Wirtschaftskrise schlittern. Europa wird womöglich zusammenbrechen, unter der erwarteten Rezession. Unser Problem ist: Emotional sind wir noch nicht im solidarischen Europa angekommen. Nicht einmal in Deutschland. Einer Umfrage zufolge befürworten gerade mal 51 Prozent der Deutschen die Idee.

Der CSU-Politiker Peter Gauweiler sagte neulich bei einem Streitgespräch hier in der Redaktion, er stelle sich ein geeintes Europa nach dem Vorbild der Schweiz vor: "Ja zum gemeinsamen freiheitlichen Rahmen, aber so viel selbstbestimmte Regelungsgewalt für die 'Kantone', wie es geht". Ein Bild, geprägt von Verlustängsten.

Wie wenig sich mancher glücklich schätzt, in diesem erfolgreichen Europa zu leben, zeigen die Umfragewerte, zeigen Gauweilers Aussagen.

Es gilt, die Skepsis in Europa zu besiegen. Weg von den Vorbehalten, hin zu einem selbstbewussten Kontinent. Der sich seiner Kraft, Werte und Verantwortung bewusst ist.

Ein solches Europa könnten wir jetzt gebrauchen. Ländern wie Kenia könnte es auch helfen. Statt China könnte Europa dort Eisenbahnlinien bauen, dort ein demokratisches Vorbild sein, Migration sinnvoll gelenkt – und Konflikte friedlich gelöst werden. Die Welt braucht so ein Europa. Es war übrigens Ursula von der Leyen, die ziemlich genau vor einem Jahr in ihrer Wahlrede vor dem EU-Parlament sagte: "Die Welt fordert mehr Europa. Die Welt braucht mehr Europa."

Wenn Angela Merkel es schafft, im EU-Parlament zu erklären, wie der Weg hin zu so einem Europa aussieht, dann wird es eine historische Rede. Es wäre uns allen zu wünschen, dass ihr das gelingt.

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Neben diesem Termin gibt es nur wenig, was an diesem Tag annähernd wichtig ist. Im Weißen Haus empfängt US-Präsident Donald Trump den mexikanischen Staatschef Andrés Manuel López Obrador. Eine hohe Ehre, es ist der erste Besuch des Mexikaners dort. Eigentlich sollte auch der kanadische Premier Justin Trudeau dabei sein. Er hat wegen der Corona-Krise abgesagt. Über die Bekämpfung der Pandemie können sich Obrador und Trump jedenfalls kaum austauschen – sie gelingt beiden Ländern nicht.


In Frankfurt am Main tagt der Aufsichtsrat der Commerzbank. Er berät über den Rücktritt von Konzernchef Martin Zielke und Aufsichtsrats-Chef Stefan Schmittmann. Es ist allerdings völlig offen, ob schon Kandidaten für die Nachfolge präsentiert werden. Der Finanzinvestor Cerberus wird da mitreden wollen, er ist nach dem deutschen Staat mit fünf Prozent größter Einzelaktionär der Bank. Und hatte bereits verlangt, zwei Sitze im Aufsichtsrat zu erhalten.

WAS LESEN

Kurz vor Merkels Rede hat der Präsident des EU-Parlaments David Sassoli bereits mit meinem Kollegen Tim Kummert und sechs weiteren Journalisten aus ganz Europa über die Zukunft des Kontinents gesprochen. "Anfang März hat jeder gesehen, dass die EU entweder gestärkt werden muss oder auseinanderzufallen droht", sagt Sassoli über die Corona-Pandemie. Er warnt vor den Nationalisten, und benennt das Ziel der EU beim Kampf gegen den Klimawandel: "Unsere Vision ist es, den Planeten zu retten." Aber lesen Sie selbst, es lohnt sich.


Die Corona-Pandemie trifft viele Landesteile der USA. Alleine in Los Angeles County wurden mehr als 100.000 Corona-Fälle bestätigt – Tendenz steigend. Die Schwester meiner Kollegin Ani Palyan studiert seit drei Jahren in der kalifornischen Metropole Los Angeles. Diese ist eigentlich für gutes Wetter und die Gelassenheit bekannt. Doch die Auswirkungen der Corona-Krise bringen die hässlichen Charaktereigenschaften vieler Bürger zum Vorschein, erzählt die junge Frau. "Ich will einfach nur zurück nach Deutschland", sagt die 22-Jährige. Hier können Sie lesen, warum das so ist.


Wenn Sie in nächster Zeit an einem Autohaus vorbeikommen, können Sie eine recht absurde Situation erleben. Denn ab heute wird so manches Auto neu billiger sein als gebraucht. Der einfache Grund: die erhöhte staatliche Kaufprämie. Sie tritt nämlich heute in Kraft. Den Autoherstellern soll sie zu mehr Auslastung verhelfen und uns Fahrern den Umstieg auf neue, sauberere Autos erleichtern. So kommt es, dass viele Neuwagen mit einem Mal nur noch knapp die Hälfte kosten. Welche Autos jetzt besonders interessant sind, wie Sie an die staatliche Prämie kommen und was Sie dabei beachten sollten – mein Kollege Markus Abrahamczyk hat es für Sie aufgeschrieben.


WAS AMÜSIERT MICH?

Mario Lars trifft den Zustand so mancher EU-Staatschefs recht gut.

Ich wünsche Ihnen einen gesunden Start in den Tag. Morgen schreibt der stellvertretende Chefredakteur Florian Wichert an dieser Stelle.

Ihr

Peter Schink
Stellvertretender Chefredakteur t-online.de
E-Mail: t-online-newsletter@stroeer.de

Twitter: @peterschink

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