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Nahost-Konflikt: Donald Trumps Friedensplan ist zum Scheitern verurteilt


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Was heute wichtig ist
Trumps unsinniger "Deal des Jahrhunderts"

MeinungVon Florian Harms

Aktualisiert am 29.01.2020Lesedauer: 8 Min.
Herr Trump und Herr Netanjahu präsentieren in Washington ihr Nahostdiktat.Vergrößern des Bildes
Herr Trump und Herr Netanjahu präsentieren in Washington ihr Nahostdiktat. (Quelle: Alex Brandon/AP/dpa)
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Guten Morgen, liebe Leserinnen und Leser,

für die vielen Rückmeldungen in den vergangenen Tagen bedanke ich mich herzlich. Wenn Sie den Tagesanbruch weiterempfehlen möchten, können Sie diesen Link verwenden.

Hier ist der kommentierte Überblick über die Themen des Tages:

WAS WAR?

Die Reihe der Vermittler im Nahostkonflikt ist lang. Ross, Jones, Blair, Kerry, Mitchell, Hale, Greenblatt, ich habe bestimmt ein paar Namen vergessen. Alle traten sie lauthals auf die Bühne und kleinlaut wieder ab. Nun hat sich auch Herr Trump, Donald, in die Reihe der Apostel eingereiht, die der Region endlich Frieden bescheren wollen. Seinen Schwiegersohn (Kushner, Jared) hat er einen, ja was: Vorschlag? Diktat? ausarbeiten lassen. Ein Plan ist es jedenfalls nicht – zumindest keiner, der es beiden Konfliktparteien ermöglichen würde, über ihren Schatten zu springen und einander die Hand zu reichen.

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Schon dass Israels Premier von einem "Deal des Jahrhunderts" spricht, muss die Gegenseite misstrauisch machen – ebenso wie die Tatsache, dass der Mann sich schon in wenigen Wochen seiner dritten Parlamentswahl binnen eines Jahres stellen muss. Ähnlich den USA ist auch Israel inzwischen gespalten zwischen Linken und Rechten, Religiösen und Säkularen sowie einer Vielzahl gesellschaftlicher Cliquen, die ihre jeweiligen Bedürfnisse berücksichtigt sehen wollen. Herr Netanjahu braucht jetzt ganz dringend einen politischen Erfolg, der ihn stark aussehen lässt – auch das erklärt, warum das Thema plötzlich so vehement auf die Tagesordnung drängt. Die inhaltlichen Argumente sind es nicht. Das Trump/Kushner’sche Nahostdiktat bevorzugt dermaßen einseitig die Israelis, dass man sich fragen muss, ob die beiden wirklich glauben, damit durchzukommen:

Israel soll nicht nur das Jordantal, sondern auch Jerusalem nahezu vollständig annektieren dürfen, also auch das Gros des palästinensischen Ostteils. Im Gegenzug sollen die Palästinenser zwar endlich einen eigenen Staat bekommen, aber einen demilitarisierten ohne eigenen Grenzschutz und nur auf 70 Prozent der Fläche des Westjordanlandes. Alle 200 israelischen Siedlungen mit 600.000 Bewohnern sollen stehenbleiben. Die Reaktion der Palästinenser kam prompt: Sie lehnen Trumps Diktat ab, noch bevor alle Details bekannt sind, und rufen zu einem "Tag des Zorns" auf. So weit, so schlecht.

Wenn die schmerzensreiche Geschichte des Nahen Ostens eines gezeigt hat, dann dass das Recht des Stärkeren niemals zum Recht des Rechts oder gar zum dauerhaften Frieden führt. Dafür ist die Gemengelage zu komplex. Es geht um religiöse Stätten in Jerusalem (die Klagemauer der Israelis neben dem Felsendom der Muslime), um Wasser (wer darf dem Jordan wie viel entnehmen?), um die palästinensischen Vertriebenen (dürfen sie zurückkehren, wenn ja wohin?), um Sicherheit (wer kontrolliert welche Orte, Straßen, Ländereien?), um jüdische Siedlungen inmitten palästinensischer Dörfer und Olivenhaine (die das Land in ein Bantustan zerstückeln), um die Last der Geschichte (wer hat welchen Krieg gewonnen/verloren/irgendwas dazwischen?), vor allem aber geht es um etwas ganz einfaches: Wer darf welchen Teil des Bodens besitzen? Der Nahostkonflikt ist vor allem ein Territorialstreit. Zwei Völker beanspruchen dasselbe Land. Die einen sagen, sie seien seit Jahrhunderten dagewesen, bis die anderen plötzlich gekommen seien und ihnen Grund und Boden geraubt hätten. Die anderen sagen, nein, nein, eigentlich seien sie ja schon vor zweitausend Jahren dagewesen, dann nur zeitweise weg, aber im 20. Jahrhundert zurückgekehrt. Und überhaupt, ihnen sei das Land doch versprochen worden: von den Briten, von den Amerikanern und vom Herrgott sowieso.

Angeheizt wird die ewige Auseinandersetzung von ausländischen Mächten, die ihr jeweils eigenes Süppchen aus denselben Zutaten kochen, aus denen sich so viele Stellvertreterkonflikte nähren: strategische Interessen, Rohstoffförderung, Militärstützpunkte, politische und religiöse Loyalitäten. Auch die Belange dieser Mitspieler sind zu berücksichtigen. Weil der Dealmaker im Weißen Haus dies leider versäumte, schmähen sie seinen Vorschlag nun wahlweise als "Totgeburt" (Ankara), "Verrat des Jahrhunderts" (Teheran) oder quittieren ihn mit kaltem Desinteresse (Moskau).

Ist die Feindschaft zwischen Israelis und Palästinensern wirklich für alle Ewigkeit unauflösbar? Das muss nicht sein. Schaut man sich an, wie andere brisante Konflikte in der Welt entschärft worden sind – Willy Brandts Ostpolitik, der irische Bürgerkrieg, die Rivalität zwischen Griechenland und der Türkei – dann gibt es bei allen eine verbindende Konstante: Überall stand zu Beginn der Aufbau von Vertrauen. Erst, wenn man im Gegner ein Gegenüber sieht, wenn man dessen Beweggründe versteht, wenn man ihm zutraut, konstruktiv an einem Ausgleich zu arbeiten, hat der Frieden eine Chance. Im Nahostkonflikt ist das seit Bill Clintons kurzzeitigem Erfolg keinem Vermittler mehr gelungen. Es ist nicht zu erwarten, dass der größte Dealmaker aller Zeiten daran etwas ändern kann.

Diskutieren Sie mit in unserer Leserdebatte des Tages: Wie beurteilen Sie Trumps Plan für den Nahen Osten?


Die Einschläge kommen näher. Bis vorgestern noch war 2019-nCoV ein sperriges Wort aus fernen Ländern – erschreckend, aber eben anderswo. Jetzt ist das Coronavirus endgültig in Deutschland angekommen. Der 33-Jährige aus Bayern, der am Montag als erster Erkrankter identifiziert worden ist, hat mindestens drei seiner Arbeitskollegen angesteckt. Importiert wurde das Virus von einer Chinesin, die zur betrieblichen Fortbildung angereist war – übrigens anscheinend gesund. Erst als sie wieder in ihre Heimat zurückgekehrt war, zeigten sich die Krankheitssymptome bei ihr.

Überraschend ist daran: nichts. Zwar hat die chinesische Regierung in einem bisher einmaligen Vorgang mehr als 50 Millionen Menschen unter Quarantäne gestellt und versucht, die Ausbreitung des Virus zu stoppen (oder wenigstens einzuschränken). Aber der Erreger ist bereits entwischt. Reisende werden allerorten auf Fieber kontrolliert, doch inzwischen ist klar, dass auch dieses Schwert stumpf ist. Das Coronavirus wird von Mensch zu Mensch bereits übertragen, bevor sich Symptome zeigen – wie im Fall der chinesischen Besucherin in Bayern. Fiebermessen hilft da nicht. Dass die Krankheit früher oder später auch in Deutschland anklopfen würde, war deshalb zu erwarten. Auch wenn die Verunsicherung jetzt verständlicherweise groß ist.

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Droht uns also Gefahr? Darauf gibt es zwei Antworten. Die erste lautet: im Moment nicht. "Die Gefahr für die Gesundheit der Bevölkerung in Deutschland durch die neue Atemwegserkrankung bleibt derzeit weiterhin gering", bescheinigt uns das Robert Koch-Institut in Berlin. Wir dürfen uns also kurz entspannen, bevor wir uns der zweiten Antwort widmen. Die lautet: Ob und wie viel Gefahr in der näheren Zukunft droht, wissen wir nicht.

Das klingt trivial und ist es doch nicht. Denn wir tun uns schwer mit unbestimmten Risiken. Manchmal verfallen wir in Panik und fangen an, vorsichtshalber schon mal Dosen mit Erbseneintopf zu bunkern. Manchmal erscheint uns alles halb so wild, wird schon nichts passieren. In beiden Fällen lügen wir uns mit scheinbaren Gewissheiten in die Tasche. Wir wissen nicht, was uns erwartet. "Die Einschätzung kann sich kurzfristig durch neue Erkenntnisse ändern", heißt das in der Verlautbarung der Seuchenbekämpfer vom Robert Koch-Institut. Auch so eine Binse, aber sie ist ernst gemeint.

Aber warum eigentlich sind wir so ahnungslos? Schwirren nicht seit Wochen Zahlen zu Erkrankungen, Todesfällen und Ansteckungsraten herum? Doch, tun sie, und sie geben den jeweils aktuellen Erkenntnisstand nach bestem Wissen und Gewissen wieder. Nur gerät durch die scheinbare Präzision der exakten Bezifferung leicht aus dem Blick, dass diese Zahlen vorläufig sind und sich täglich ändern. Wie viele Menschen sind aktuell infiziert? Man kann es nur schätzen. Zu den bestätigten Fällen, in denen ein Test im Krankenhaus endgültig Klarheit geschaffen hat, kommen die anderen, die in China zu Hause geblieben sind, weil sie sich dem Ansturm im Spital nicht aussetzen wollen, Angst vor rabiaten Behörden haben oder vielleicht auch nur meinen, eine Grippe auszubaden. Und dann gibt es die vermutlich viel größere Gruppe derer, bei denen die Krankheit noch gar nicht ausgebrochen ist. Und auch noch die mit den symptomfreien Verläufen: infiziert, aber nicht krank. Sind das viele? Woher will man das wissen? Genau.

Aus demselben Grund sind auch Schätzungen der Sterblichkeit mit großer Vorsicht zu betrachten. Solange es sich nicht wenigstens einigermaßen genau sagen lässt, wie viele Menschen von der Krankheit betroffen sind, kann man aus der Zahl der Todesopfer wenig ableiten. Es ist durchaus denkbar, dass sich das Coronavirus harmloser darstellt als bisher, wenn bisher unerkannte milde Krankheitsverläufe in die Berechnung einfließen. Andererseits kann es sein, dass der Erreger sich seinem menschlichen Wirt im weiteren Verlauf besser anpasst und immer gefährlicher wird.

Wir müssen uns also mit dem Gedanken anfreunden, noch eine Weile im Ungewissen zu verharren. Mit jedem Tag zeigt 2019-nCoV ein bisschen mehr von seinem Gesicht. Wissenschaftler in Australien sind ihm ein Stück näher gerückt. Sie haben das Virus erstmals im Labor nachgezüchtet. In Zusammenarbeit mit anderen Instituten und der Weltgesundheitsorganisation soll nun an einem Gegenmittel gearbeitet werden. Doch bis uns die Wissenschaft ein scharfes Portrait präsentiert, bleibt uns nur das Warten. Nur mit einer Gewissheit kann ich heute dienen: Durch Panik ist die Zeit noch nie schneller vergangen.


WAS STEHT AN?

"Wir werden darauf drängen, dass es Veränderungen über den Koalitionsvertrag hinaus gibt", hat SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil im t-online.de-Interview angekündigt. Gemeint hat er den Koalitionsausschuss heute Abend im Kanzleramt. Es ist erst der zweite mit dem neuen SPD-Führungsduo Esken/Walter-Borjans. Im Zentrum stehen nicht nur die Düngemittelverordnung, ein höherer Mindestlohn und das Kurzarbeitergeld, sondern auch die Frage, wofür die Groko die 19 Milliarden Euro Haushaltsüberschuss ausgeben will, die Finanzminister Scholz (dito SPD) in seinen Büchern aufgestöbert hat. Wie wäre es denn, das Geld den Bürgern einfach zurückzugeben? Da nicht zu erwarten ist, dass der Geldsegen für den Bund in absehbarer Zeit nachlässt, ist das jetzt doch eine perfekte Gelegenheit für Steuersenkungen, Leute!

Im Bundeskabinett geht es heute um das leidige Kohleausstiegsgesetz, das alle irgendwie wollen, aber trotzdem irgendwie nicht hinkriegen, weil die Industrie und die Förderländer halt viele Milliarden Euro fordern. Ach so, dafür braucht ihr die überschüssigen Dukaten.

Bei der Gedenkstunde im Bundestag für die Opfer des Nationalsozialismus hält heute neben Bundestagspräsident Schäuble und Bundespräsident Steinmeier auch Israels Staatspräsident Reuven Rivlin eine Rede. Hoffentlich verhalten sich die AfD-Abgeordneten anständig.

Zwei Tage vor dem EU-Austritt Großbritanniens will nun auch das EU-Parlament das Brexit-Abkommen ratifizieren. Damit wären dann alle nötigen Unterschriften unter dem Dokument beisammen, damit die Briten in der Nacht auf Samstag endlich fröhlich in die Ungewissheit marschieren können.

Ach ja, und der Söder-Markus besucht heute in Moskau den Putin-Wladimir. Ach ja.


WAS LESEN?

Um eine dramatische Erderhitzung zu vermeiden, müsste reichlich CO2 gebunden werden. In Island gibt es nun ein interessantes Pilotprojekt. Ist das die Geheimwaffe gegen die Klimakrise?


Die Bundeswehr bekommt 43 Milliarden Euro im Jahr – trotzdem haben viele Soldaten kaputte Gewehre, aber keine Stiefel, in den Garagen rosten die Panzer. Was läuft da eigentlich schief? Die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" hat nachgeforscht.


Was lernen Schüler in anderen Ländern über den Holocaust? Der Literaturwissenschaftler Peter Carrier hat es erforscht und seine Erkenntnisse der "Süddeutschen Zeitung" verraten.


WAS AMÜSIERT MICH?

Der Wehrbeauftragte hat schon recht: Unsere Bundeswehr ist in beklagenswertem Zustand.

Ich wünsche Ihnen einen mangelfreien Tag.

Herzliche Grüße

Ihr

Florian Harms
Chefredakteur t-online.de
E-Mail: t-online-newsletter@stroeer.de

Mit Material von dpa.

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