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Tagesanbruch – Peter Handke: Dieser Mann ist kein würdiger Nobelpreisträger


Meinung
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Was heute wichtig ist
Der Dichter und der Schlächter

MeinungVon Florian Harms

Aktualisiert am 09.12.2019Lesedauer: 5 Min.
Peter Handke auf der Pressekonferenz des Nobelpreiskomitees in Stockholm.Vergrößern des Bildes
Peter Handke auf der Pressekonferenz des Nobelpreiskomitees in Stockholm. (Quelle: imago images)

Guten Morgen, liebe Leserinnen und Leser,

hier ist der kommentierte Überblick über die Themen des Tages:

WAS WAR?

Péter Nádas hat ihn nicht bekommen, Haruki Murakami auch nicht. Margaret Atwood ging ebenso leer aus wie Paul Auster, Jonathan Franzen und Ibrahim al-Koni, und dass der große Ian McEwan wieder einmal ignoriert worden ist, grenzt fast schon an künstlerische Blasphemie. Dafür soll Peter Handke ihn in diesem Jahr erhalten. Ausgerechnet Peter Handke. Die Entscheidungen des Literaturnobelpreiskomitees sind oft erratisch, schon viele Geistesgrößen schmähte es mit Missachtung, während es nicht selten kleinen Lichtern aus unbekannten Gefilden den roten Teppich ausrollte. Aus Gründen des Proporzes mag das verständlich sein – auch in Asien und Afrika gibt es Schriftsteller, die nicht deshalb weniger bedeutend sein müssen, weil in Europa und Amerika kaum jemand ihre Bücher liest. Trotzdem raunten Verleger, Übersetzer und Kritiker bei mehreren Preisträgern in den vergangenen Jahren von Fehlentscheidungen. Da mag man zustimmen oder nicht, was soll’s. Über Kunst lässt sich bekanntlich streiten. Aber über Menschlichkeit nicht.

Und damit sind wir bei Peter Handke, der den Preis Mitte Oktober zugesprochen bekam, am Samstag in Stockholm die traditionelle Preisträgerrede halten durfte und die Auszeichnung am Dienstag in einer feierlichen Zeremonie im Konzerthaus der schwedischen Hauptstadt überreicht bekommt. Man trägt dort Frack und Fliege, der schwedische König höchstpersönlich übergibt die Urkunde, das Publikum applaudiert lang.

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In diesem Jahr muss es einem Mann applaudieren, der nicht zwischen Gut und Böse unterscheiden kann. Oder es nicht will. Während der Balkankriege in den Neunzigerjahren unterstützte er öffentlich die Führer der bosnischen Serben, deren Milizen nicht nur auf den Schlachtfeldern, sondern auch gegen Zivilisten wüteten. In seinem 1996 veröffentlichten Text "Eine winterliche Reise zu den Flüssen Donau, Save, Morawa und Drina oder Gerechtigkeit für Serbien" verkitschte er die serbischen Großmachtansprüche. Er nahm den Kriegsverbrecher Slobodan Milošević in Schutz und war sich nicht zu schade, diesem eine Grabrede zu widmen. Miloševićs Schandtaten, die Bombardements, Massaker und Vergewaltigungen der serbischen Truppen überging er dabei geflissentlich.

Nun ist es das eine, einen Fehler zu machen, niemand ist dagegen gefeit. Erkennt man den Fehler und entschuldigt sich dafür, bleibt zwar ein Makel, aber immerhin beweist man Einsicht und Reue. Peter Handke zeigt weder Einsicht noch Reue. Er zeigt Ignoranz und Larmoyanz. In all den Jahren hat er seine Parteinahme für Schlächter und Menschenquäler nie öffentlich bereut. Er hat sich nicht bei den Angehörigen der Opfer entschuldigt, die seine Texte als Schlag ins Gesicht empfinden. Stattdessen hat er seiner Verachtung für die Medien freien Lauf gelassen und darüber gejammert, dass ihm die Presse nachstelle. Die Dankesrede am Samstag in Stockholm wäre eine gute Gelegenheit gewesen, endlich Fähigkeit zur Selbstkritik zu beweisen. Zwei, drei Sätze hätten schon genügt. Ich habe mich geirrt, ich habe Verbrecher literarisch und moralisch unterstützt. Es tut mir leid.

Nichts davon. Stattdessen gab Handke verschwurbelte Bandwurmsätze zum Besten, die seine eigenen Werke zitierten. Der Autor pries sich selbst. Einem verbohrten alten Mann mag nicht bewusst sein, was er damit anrichtet. Auch dem Nobelpreiskomitee mag womöglich nicht bewusst sein, was seine Entscheidung bewirkt. Umso wichtiger, dass es Menschen gibt, die es öffentlich erklären können. Weil sie einen kritischen Intellekt haben und aufgrund ihrer Familiengeschichte persönlich betroffen sind. Meine Kollegin Ana Grujić zählt zu diesen Menschen. Für Peter Handke empfindet sie "bodenlose Abscheu", und wenn ich ihr zuhöre, kann ich nicht anders, als ihr zuzustimmen. Aber machen Sie sich bitte selbst ein Bild, indem Sie den Videokommentar meiner Kollegin anschauen.


WAS STEHT AN?

In Paris beginnt heute der Ukraine-Russland-Gipfel unter französisch-deutscher Vermittlung. Emmanuel Macron und Angela Merkel wollen Wladimir Putin und Wolodymyr Selenskyj dazu bewegen, den Konflikt in der Ostukraine endlich zu lösen.

In Berlin trifft sich der Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat, um über das Klimapäckchen der Groko zu beraten, das die CDU/CSU/SPD-Mehrheit im Bundestag dufte findet, aber die Grünen im Bundesrat gar nicht dufte finden. Strittig ist die Erhöhung der Pendlerpauschale und die Förderung der Sanierung von Wohnhäusern. Um den niedrigen CO2-Preis von 10 Euro pro Tonne geht es nur am Rande.

Derweil startet in Madrid die UN-Klimakonferenz in die zweite Woche. Ab jetzt ist Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) dabei. Im Abkommen von Paris hatten sich die Staaten verpflichtet, spätestens 2020 ihre Klimaschutz-Zusagen nachzubessern. In Madrid sollen nun konkrete Beschlüsse folgen. Außerdem verhandeln die Staaten darüber, wie CO2-Verschmutzungsrechte international gehandelt werden, und wer Klimaschäden durch Dürren und Stürme bezahlen soll. Werden vermutlich ziemlich hohe Rechnungen.

In Washington trifft sich der Justizausschuss des US-Repräsentantenhauses zu einer Anhörung über die Impeachment-Ermittlungen gegen Präsident Trump. Bei der Sitzung sollen Vertreter der Demokraten und der Republikaner jeweils ihre Ergebnisse der bisherigen Untersuchungen präsentieren. Dürfte ein turbulentes Meeting werden.

In Los Angeles feiert der unerschütterliche Kirk Douglas seinen 103. Geburtstag. Mein Lieblingszitat von ihm: "Romantik fängt mit 80 an." Hier sind einige seiner besten Filmszenen.


WAS LESEN UND ANSCHAUEN?

Sie haben das Wochenende mit angenehmeren Dingen zugebracht, als den Parteitag der SPD zu verfolgen? Kein Problem. Mit diesen zwei Texten sind Sie auf Stand: Hier lesen Sie kurz und knapp, was die SPD alles beschlossen hat. Und in dieser, wie ich finde, hervorragenden Analyse beschreibt unser Politikreporter Johannes Bebermeier, wieso die Harmonie, die sich die Genossen auf ihrem Parteitag verordnet haben, über ein tiefer liegendes Problem hinwegtäuscht.

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Und wenn Sie dann noch Lust auf mehr Groko-Talk haben: Hier lesen Sie die TV-Kritik meines Kollegen David Heisig zu "Anne Will" am Sonntagabend. Der frisch gekürte stellvertretende SPD-Parteivorsitzende Kevin Kühnert ist in der Sendung mit CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak auf Konfrontationskurs gegangen.


Im Kriegsjahr 1943 war Hamburg schweren Bombardements ausgesetzt, auch durch einen US-Bomber vom Typ B-17 namens "Sugarpuss". Nicht weit von Stade entfernt wurde der Flieger abgeschossen. Archäologen haben nun seine Geschichte erforscht und ein Rätsel um das Flugzeug gelöst, wie meine Kollegin Angelika Franz berichtet. Wie die B-17 im Zweiten Weltkrieg zum Einsatz kam, zeigen Ihnen meine Kollegen Martin Trotz und Arno Wölk in historischen Videoaufnahmen.


Der tödliche Angriff auf einen Passanten erschüttert Augsburg. Inzwischen hat die Polizei sechs Verdächtige festgenommen. Hier ist der letzte Ermittlungsstand. Unser Rechercheur Lars Wienand hat zu dem Thema einen weiteren erschreckenden Vorfall ausgegraben. Unbekannte haben die Identität einer jungen YouTuberin gestohlen, um in ihrem Namen den getöteten Feuerwehrmann auf unsägliche Art verächtlich zu machen.


Ihre erste Auslandsreise führte Ursula von der Leyen nicht nach Washington oder Moskau – sondern nach Addis Abeba zur Afrikanischen Union. Ein bedeutendes Signal, wo die neue Kommissionschefin die Interessen der EU in punkto Sicherheit, Migration und Handel sieht. Begleitet wurde sie vom ARD-Korrespondenten Markus Preiß. Als der Kollege mit seinem Kamerateam in den nächtlichen Straßen der äthiopischen Hauptstadt filmte, stoppte plötzlich ein Auto – und am Steuer saß Regierungschef Abiy Ahmed, ein frisch gebackener Friedensnobelpreisträger. Das nennt man wohl Reporterglück.


WAS AMÜSIERT MICH?

Vieles haben wir im Tagesanbruch schon behandelt, aber wissen Sie, was fehlt? Aliens. Echte Außerirdische. Im Video! Die haben wir heute. Lassen Sie sich nicht verwirren von der Behauptung, das seien Baby-Eulen. Kann nicht sein! Sehen Sie selbst.

Ich wünsche Ihnen einen überirdisch schönen Tag. Herzliche Grüße

Ihr

Florian Harms
Chefredakteur t-online.de
E-Mail: t-online-newsletter@stroeer.de

Mit Material von dpa.

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