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Zweiter Weltkrieg: Wie sich das Geheimnis um die "Fliegende Festung" lüftete


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Rätsel um Weltkriegsbomber gelöst
Die dramatischen letzten Minuten der "Fliegenden Festung"


08.12.2019Lesedauer: 5 Min.
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Historische Aufnahmen: So kam der Weltkriegsbomber vom Typ Boeing B-17 gegen deutsche Ziele zum Einsatz. (Quelle: t-online)
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1943 wurde Hamburg schwer bombardiert, auch von einem US-Bomber vom Typ B-17 namens "Sugarpuss". Nicht weit von Stade wurde der Flieger abgeschossen. Archäologen haben seine Geschichte erforscht. Wie der B-17 zum Einsatz gegen deutsche Ziele flog, sehen Sie in den historischen Aufnahmen im Video oben.

Am Nachmittag des 25. Juli 1943 brannte die Sonne hernieder, seit Tagen schon drückte eine Hitzewelle auf Norddeutschland. Wolken standen keine am Himmel über Harsefeld bei Stade. Nur im Nordosten hing über dem Horizont ein schmutziger grauer Schleier, denn viele Häuser im nur 40 Kilometer entfernten Hamburg standen nach dem Bombenangriff in der Nacht zuvor noch immer in Flammen.

Die Erwachsenen in Harsefeld machten ernste Gesichter und unterhielten sich mit gedämpfter Stimme über den Krieg. Die Kinder dagegen hatten Wichtigeres zu tun an diesem Juli-Nachmittag, sie waren draußen im Freibad oder durchstreiften die umliegenden Felder. So waren es auch Kinder, die als Erstes die Flugzeuge bemerkten. Ein Glitzern in der Sonne zunächst, ein kaum wahrnehmbares Vibrieren, dann die Kondensstreifen hinter den funkelnden Punkten. Wer konnte das sein, mitten am Tag?

Drama am Himmel

Die Briten jedenfalls nicht, die kamen nur in der Nacht. Deutsche Flugzeuge? Auch das war unmöglich, denn nun tauchten zwei oder drei deutsche Abfangjäger aus Richtung Stade auf und eröffneten das Feuer auf die unbekannte Formation. Vom Freibad aus hatte die Harsefelder Jugend einen Logenplatz, um das Drama in der Luft zu beobachten. Einen der Flieger erwischten die deutschen Jäger.

Eine schwere viermotorige Maschine – ein amerikanischer Bomber – scherte brennend aus und glitt im Sinkflug über den Ortsrand hinweg. Bevor sie sich in den nahen Wald bohrte und in einem Feuerball aufging. Wer ein Fahrrad hatte, schwang sich darauf und radelte in Richtung Unglücksstelle; wer keins hatte, sprang auf einen freien Gepäckträger oder lief so schnell er konnte hinterher.

Heute, 76 Jahre später, ist die Narbe, die das Flugzeug in den Wald schlug, fast nicht mehr zu sehen. Dichter Farn wächst über der Stelle, auch Bäume sind inzwischen nachgewachsen. Heute ist der Ort eine besondere Stätte. Die Archäologen des Landkreises Stade haben ihn akribisch mit Metalldetektoren abgesucht. Und sie haben Akten in den Archiven gewälzt, alte Zeitungsartikel gelesen und letzte noch lebende Augenzeugen befragt, um zu rekonstruieren, was genau am 25. Juli 1943 geschah – und wer die Männer waren, die im Wald bei Harsefeld starben.

Gangsterklamotte war Namensgeberin

"Es war eine Boeing B-17, Seriennummer 42-3088 mit der Kennung SU-G der 544. Staffel der 384. Bombergruppe", erklärt der Forscher Dietrich Alsdorf, der die Geschichte des Flugzeugs lückenlos recherchiert hat. "Die Mannschaft hatte sie auf den Namen 'Sugarpuss' getauft." Namenspatin war die beliebte US-Schauspielerin Barbara Stanwyck gewesen, die in dem Film "Die merkwürdige Zähmung der Gangsterbraut Sugarpuss" eben jene Dame namens "Zuckerkatze" spielte, in die Gary Cooper sich unsterblich verliebte.

Der 1941 herausgekommene Film war in den USA sehr beliebt – und für vier Oscars nominiert. Was die Harsefelder 1943 nach dem Absturz der "Sugarpuss" nicht mehr sehen konnten, als sie zu dem brennenden Wrack eilten: Die Mannschaft hatte ein farbiges Portrait von Barbara Stanwyck in ihrer Rolle als Gangsterbraut aus dem Streifen auf den Bug des Bombers malen lassen.

Was die Dorfjugend ebenfalls nicht ahnen konnte, war, dass die "Sugarpuss" sich gerade auf dem Rückweg von einem Großangriff befand, der als "Operation Gomorrha" in die Geschichtsbücher eingehen sollte. Vom 24. Juli bis zum 3. August 1943 entfachten die britische Royal Air Force und die U.S. Air Force mit ihren Bombardements einen Feuersturm in Hamburg, bei dem 277.330 Wohnungen, 580 Industriebetriebe, 2.632 gewerbliche Betriebe, 24 Krankenhäuser, 277 Schulen und 58 Kirchen in Schutt und Asche gelegt wurden. Schätzungsweise 34.000 Menschen kamen in diesen zehn Tagen in der Stadt ums Leben.

"Möglicherweise bereits tot"

"Gestartet war die Maschine in Grafton-Underwood in England", erzählt Alsdorf. "Flugzeugführer war Leutnant Clarence Christman. Unter seinem Kommando befanden sich weitere neun Mann an Bord." Navigator Leutnant William Sears, Kopilot Leutnant R. S. Carroll sowie die Bordschützen Hill, Stephenson und Detrick konnten rechtzeitig abspringen.

"Aber noch immer befand sich die Hälfte der Besatzung an Bord des brennenden Flugzeugs: der Bombenschütze Leutnant B. Bennett, wie auch Heckschütze Jerome Goubeaux, und die Bordschützen Gillis und Leonard", hat Alsdorf herausfinden können. "Sie waren möglicherweise bereits tot oder zumindest schwer verwundet, als Christman noch verzweifelt versuchte, das brennende Flugzeug zu landen."

Erst kurz vor dem Aufprall bemühte sich auch der Flugzeugführer, aus der lodernden Maschine herauszukommen. Doch es war zu spät. Als er aus dem Flugzeug geschleudert wurde, riss ihm das noch funktionierende rechte Innentriebwerk den Unterschenkel eines Beines ab. Sein Fallschirm öffnete sich zwar, verhedderte sich aber in einer Baumkrone, nur wenige hundert Meter von dem Feuerball entfernt. Als die ersten Harsefelder an der Unglücksstelle eintrafen, fanden sie den 23-Jährigen tot im Baum hängend.

Vor dem Vergessen bewahrt

Vom Flugzeug selbst blieb bald nichts mehr übrig. Metall war begehrt in den mageren Kriegsjahren. Was sich nicht verwerten lies, wanderte als Andenken in die Hosentaschen der Dorfjugend. Einige Jungs fanden bei der Leiche Christmans eine Leuchtpistole. "Vielleicht hatte er sie noch mit der Absicht gezogen, die ersten Herbeieilenden auf sich aufmerksam zu machen, bevor sie ihm aus der Hand gefallen war", vermutet Alsdorf.

Doch später befürchteten die Kinder, dafür Ärger zu kriegen, und warfen die Pistole in den Bach an der Harsefelder Schützenhalle. 70 Jahre später sollte sie wieder zum Vorschein kommen – als das kleine Gewässer für die Erweiterung des Festplatzes in ein Rohr umgeleitet werden sollte. Und auch der Unterschenkel des Flugzeugführers tauchte wieder auf. Eine junge Frau fand ihn skelettiert und noch im Stiefel steckend beim Pilzesammeln.


Zu Anfang zog es die Harsefelder immer wieder in den Wald zum Absturzort der "Sugarpuss". Ganze Schulklassen machten sich auf, um anschaulich im Gelände etwas über die Ereignisse des Sommers '43 und der "Operation Gomorrha" zu erfahren. Doch bald wuchsen Farne über die verkohlte Erde. Die nächste Generation kannte zwar noch die Geschichte, aber schon nicht mehr die genaue Stelle zwischen den hohen Bäumen. Die "Sugarpuss" geriet in Vergessenheit – bis die Archäologen sich ihrer annahmen und dem Flugzeug und seiner Besatzung ihre Geschichte zurückgaben.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherchen
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