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Kunstdiebstahl in Dresdens Grünem Gewölbe: Die Stadt, der Raub, der Schmerz


Was heute wichtig ist
Die Stadt, der Raub, der Schmerz

MeinungVon Florian Harms

Aktualisiert am 26.11.2019Lesedauer: 5 Min.
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Das Panorama der Dresdner Altstadt am Elbufer zählt zu den anmutigsten Anblicken Deutschlands.Vergrößern des Bildes
Das Panorama der Dresdner Altstadt am Elbufer zählt zu den anmutigsten Anblicken Deutschlands. (Quelle: imago images)

Guten Morgen, liebe Leserinnen und Leser,

hier ist der kommentierte Überblick über die Themen des Tages:

WAS WAR?

Die Dresdner sind ein liebenswertes Völkchen. Selten habe ich Bürger erlebt, die so große Stücke auf ihre Stadt halten. Das ist mehr als Heimatliebe, mehr als Stolz und auch mehr als Patriotismus. So eine unverbrüchliche Verbundenheit, so eine bedingungslose Zuneigung zu Gebäuden, Straßen, Plätzen und Denkmälern habe ich andernorts allenfalls in Moskau oder Kairo angetroffen. Vermutlich lassen sich diese Emotionen nur durch die bewegte Geschichte Dresdens erklären: Einst als Elbflorenz verherrlicht, im Zweiten Weltkrieg in großen Teilen zu Schutt und Asche gebombt, in der DDR mit Plattenbauten zugestellt, konnte das Dresdner Zentrum nach dem Mauerfall nur mithilfe eines engagierten Bürgertums wiederauferstehen. Die wiederaufgebaute Frauenkirche, die wiederbelebte Neustadt, das sanierte Grüne Gewölbe: Die Begeisterung für die glänzende Vergangenheit und der unbedingte Wille, ihre Pracht wieder erstrahlen zu lassen, waren bereits spürbar, als ich Anfang der neunziger Jahre in Dresden lebte. Bis heute leben sie fort.

Deshalb trifft der Einbruch in die Schatzkammer des Residenzschlosses die Dresdner ins Mark. Es geht ja nicht nur um unzählige Brillanten, Diamanten, Rubine, Smaragde oder Saphire, die gestohlen worden sind ( hier lesen Sie einen Überblick über den Schatz, hier sehen Sie Aufnahmen der Überwachungskamera, hier ist der letzte Stand der Polizeiermittlungen). Zu feinen Schmuckstücken geschmiedet, erzählen die Steine, das Gold und das Silber die Geschichte der sächsischen Könige, des sächsischen Stolzes – und der ganz speziellen Dresdner Stadtkultur. "Was wir haben, ist ein unschätzbarer kultureller Wert, eine Art Weltkulturerbe“, sagt Dirk Syndram, Direktor des Grünen Gewölbes. Landesinnenminister Roland Wöller nennt den Diebstahl einen "Anschlag auf die kulturelle Identität aller Sachsen".

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In den kommenden Tagen werden wir viele Fragen hören: warum die Einbrecher das angeblich hervorragende Sicherheitssystem so leicht überwinden konnten. Wie die Polizei mit ihren Ermittlungen vorankommt. Was die Diebe wohl mit den Edelsteinen und Schmuckstücken anstellen. Drängende Fragen, laute Fragen. Aber noch lauter sind die Klagen: die Trauer der stolzen Dresdner um ihren Schatz. Wer diese liebenswerte Stadt kennt, wird heute mit ihnen trauern.


Was muss passieren, damit wir atemlos die Bezirkswahlen in einer Stadt knapp 9.000 Kilometer von Deutschland entfernt verfolgen? Die Sieger müssen sich um die Müllabfuhr kümmern, um Lärmbelästigung, um den besten Platz für eine neue Bushaltestelle. Nicht gerade der Stoff, aus dem ein internationales Aufregerthema gestrickt ist. Doch bei der Kommunalwahl in Hongkong haben Chinas Präsident Xi Jinping und seine Kommunistischen Parteikader eine Klatsche bekommen, von der ihnen noch lange der Kopf dröhnen wird: Ihre Wunschkandidaten sind in 17 von 18 Bezirken gescheitert. Sie unterlagen politischen Grünschnäbeln aus der Demokratiebewegung.

Dabei beherrscht die brutale Macht der KP zurzeit die Schlagzeilen. Parteiinterne Unterlagen, die westlichen Medien zugespielt wurden, offenbaren das perfide Unterdrückungssystem gegen mehr als eine Million Uiguren in der Provinz Xinjiang. Für die Umerziehungslager, in denen den Menschen ihre Religion, Sprache und Identität ausgetrieben werden soll, ist Gulag kein zu großes Wort.

Auch anderswo sind brisante Informationen über die Machenschaften des chinesischen Regimes ans Tageslicht gelangt. Ein übergelaufener Agent hat Details zu Unterwanderungs- und Manipulationskampagnen ausgepackt. Er berichtet von umfassender Infiltrierung der Demokratiebewegung in Hongkong. Mit Blick auf das Wahlergebnis können wir sagen: Hat wohl nicht so gut geklappt. Das ist kein Wunder. Denn der Geheimdienst hat bei seinen Bemühungen, die Stimmung zu drehen, einen mächtigen Gegenspieler: ausgerechnet die Führung in Peking und ihre Handlanger von der Hongkonger Polizei. Gegen deren Gewalt, gegen skandalöse Videos wie dieses hilft keine Indoktrinierung. Pekings unerbittliche Härte hat Hongkongs Bevölkerung in die Arme der Demokratiebewegung getrieben.

In dieser verfahrenen Situation könnte sich das Wahlergebnis als unverhofftes Geschenk erweisen: Es böte den Politbürobossen einen gesichtswahrenden Ausweg. Ihre Statthalterin Carrie Lam ließ bereits verlauten, sie werde der öffentlichen Meinung "demütig Gehör schenken". Den Forderungen der Demonstranten nachgeben und sich anschließend zum eigenen Respekt vor der Demokratie gratulieren: Ja, so ließe die Krise sich endlich entschärfen. Eigentlich. Doch noch hat sich Präsident Xi nicht entschieden. Nachgeben oder zuschlagen? Dialog oder Stacheldraht wie in Xinjiang? Dass eine Wahlklatsche ein Weg zur Befriedung sein kann: Wird der mächtige Mann das begreifen?


WAS STEHT AN?

Die Akteure der Bundesregierung zeichnen sich dadurch aus, dass sie zwar gerne miteinander reden, aber weniger gerne mit den Bürgern, für die sie doch eigentlich Politik machen sollen: Das ist der Tenor, der einem vielerorts im Land entgegenschallt. Besonders laut erschallt er von Landwirten. Viele Bauern haben die Nase voll von einer am Reißbrett entworfenen Umweltpolitik und einer Landwirtschaftsministerin, die mehr Wert auf schöne Fotos als auf handfeste Arbeit zu legen scheint. Aus Protest tuckern heute Tausende Bauern mit Traktoren nach Berlin. Auf einer Kundgebung am Brandenburger Tor verlangen sie mehr Unterstützung für landwirtschaftliche Betriebe, wenden sich gegen schärfere Düngeregeln und die “Verunglimpfung“ von Bauern. Wenige hundert Meter weiter muss Ministerin Julia Klöckner (CDU) zeitgleich im Bundestag ihren Agrarhaushalt verteidigen. Viele Worte heute, aber wenig Dialog.


Justizministerin Christine Lambrecht (SPD) stellt heute ihren Gesetzentwurf zur Verankerung von Kinderrechten im Grundgesetz vor. Auch hier werden wir viele schöne Worte, aber wenig konkrete Verpflichtungen hören.


In Nutbush, Tennessee, wurde vor 80 Jahren Anna Mae Bullock geboren. Ihre Jugend war hart, ihre Ehe eine Qual, ihre Kunst war und ist brillant. Also gratulieren wir der Frau mit dem Künstlernamen Tina Turner heute Morgen herzlich zum Geburtstag und lassen uns von ihrer grandiosen Stimme mitreißen: Nutbush city limits!


Vor den Champions-League-Spielen brennt es in den deutschen Topklubs an allen Ecken. Wie lange darf Hansi Flick Bayern-Trainer bleiben? Was, wenn Lucien Favre mit dem BVB in Barcelona patzt? Und schnappt sich bald einer der beiden Klubs den argentinischen Trainerstar Mauricio Pochettino? Meine Sportkollegen haben die Fragen aus allen Blickwinkeln seziert: hier zu den Münchnern, hier und hier zum BVB.

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WAS LESEN?

In Australien sehen wir, welche katastrophalen Folgen die menschengemachte Klimakrise hat: In mehreren Bundesstaaten lodern Buschbrände, die Feuerfront ist so lang wie die Distanz zwischen Berlin und New York. Binnen Tagen zerstört sie die Lebensräume für unzählige Tiere – und auch Menschen. Wie reagiert die Regierung? Sie ist fest im Griff der Kohlelobby und leugnet hartnäckig die Relation zwischen Klimawandel und Inferno. Die deutsche Forscherin Katrin Meissner arbeitet in Sydney und kann das Drama anschaulich erklären. Und wenn Sie sich nach der Lektüre fragen, warum auch die deutsche Bundesregierung einen entschlosseneren Klimaschutz verweigert, mögen Sie an die Wirtschaftslobby in CDU und CSU denken. Manchmal haben Australien und Deutschland mehr miteinander gemein, als man denkt.


Nicht nur in Australien brennt es. Von Chile über den Irak bis Hongkong: Überall lodert das Feuer der Revolte. Warum gehen in so vielen Ländern Menschen auf die Straße? Mein Kollege Jonas Schaible hat sich Gedanken darüber gemacht.


WAS AMÜSIERT MICH?

Jeder hat so seine Sorgen.

Ich wünsche Ihnen einen ertragreichen Tag. Herzliche Grüße,

Ihr

Florian Harms
Chefredakteur t-online.de
E-Mail: t-online-newsletter@stroeer.de

Mit Material von dpa.

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