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Tagesanbruch: Scheuer und Merkel – der Versager und seine Komplizin


Meinung
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Was heute wichtig ist
Der Versager und seine Komplizin

MeinungVon Florian Harms

Aktualisiert am 21.11.2019Lesedauer: 6 Min.
Kanzlerin Merkel duldet Mautminister Scheuer weiter in ihrem Kabinett.Vergrößern des Bildes
Kanzlerin Merkel duldet Mautminister Scheuer weiter in ihrem Kabinett. (Quelle: imago images)
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Guten Morgen, liebe Leserinnen und Leser,

hier ist der kommentierte Überblick über die Themen des Tages:

WAS WAR?

Die Folgen beruflichen Versagens können so oder so aussehen. Ein Manager, der das Recht bricht, der Kontrollgremien austrickst, wider besseres Wissen aussichtslose Verträge abschließt und einen Schaden von einer halben Milliarde Euro anrichtet – ja, was würde mit so einem Manager wohl geschehen? Hochkant rausfliegen würde er, von seinem Arbeitgeber auf Schadensersatz verklagt würde er, wahrscheinlich müsste er sich auch vor Gericht verantworten.

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Die Folgen beruflichen Versagens können aber auch ganz anders aussehen. Ein Bundesminister, der das Haushalts- und Vergaberecht bricht, der parlamentarische Kontrollgremien austrickst, wider besseres Wissen aussichtslose Verträge mit einem Unternehmen abschließt und einen Schaden von mehr als einer halben Milliarde Euro für die Steuerzahler anrichtet, der vom Bundesrechnungshof sogar Schwarz auf Weiß nachgewiesen bekommt, welche Fehler er gemacht hat – ja, was geschieht mit so einem Minister? Er darf weitermachen. Er darf einfach weitermachen, geduldet von einer pflichtvergessenen Bundeskanzlerin und einem CSU-Chef, dem das Gemeinwohl piepegal zu sein scheint.

Hört man sich im politischen Berlin um, vernimmt man die Einschätzung: Verkehrsminister Andreas Scheuer ist nach seinem Mautdesaster nur deshalb weiter Verkehrsminister, weil kein anderer CSU-Politiker Lust verspürt, die Schweinerei im Untersuchungsausschuss auszubaden. Also bleibt Scheuer im Amt, also kassiert er weiter sein fünfstelliges Ministergehalt, also klopft er in Bierzelten fesche Sprüche, lässt sich auf Twitter von seinem Pressesprecher bejubeln und scheint auch sonst jede Bodenhaftung verloren zu haben.

Und die Kanzlerin? Schaut zu, schweigt, toleriert die Farce und wird so zur Komplizin des Rechtsbrechers. Suchte man nach einem Grund, warum immer mehr Bürger sich verdrossen von der Politik abwenden: Hier wäre einer.


38: Diese Zahl hat mich gestern schockiert. 38 Prozent der Bundesbürger glauben laut einer Studie von Infratest Dimap, dass der Staat und die Regierung den Medien Vorgaben bei der Berichterstattung machen. Hier und heute darf ich Ihnen als Chefredakteur des größten deutschen Onlinemediums versichern: Dem ist nicht so. Weder rufen die Bundeskanzlerin oder ihre Sprecher oder ihre Minister oder ihre Beamten in der Redaktion an, um ihre Direktiven zu verkünden, noch unterliegen wir auf anderen Wegen dem Diktat staatlicher Organe. Wer anderes behauptet, sitzt entweder böswilligen Gerüchten aus den Jauchegruben des Internets auf, lässt sich von populistischen Scharfmachern einen Bären aufbinden, hat einen Hang zu Verschwörungstheorien oder zählt zu jenen Spinnern, die im t-online.de-Forum ihre Hirngespinste verbreiten. Aus Erfahrung weiß ich: Argumente und Transparenz, wie wir Sie in unserer Redaktion hochhalten, helfen dagegen leider nur bedingt. Vielleicht helfen ja Medikamente.


Für den Präsidenten der Vereinigten Staaten gehört es zur Stellenbeschreibung, nicht so gut Bescheid zu wissen. Nein, das ist kein ironischer Seitenhieb auf den Nicht-Bescheid-Wisser, der derzeit auf diesem Sessel sitzt. Wenn es um heikle Angelegenheit in der rechtlichen Grauzone geht, halbseidene oder gar illegale Operationen, die den Amtsinhaber politisch schwer beschädigen können: Dann wird der Präsident vor gefährlichem Fallout geschützt. Es ist die Stunde der mehrdeutigen, allgemeingültigen Formulierungen. Der Mann im Oval Office ist im Bilde, lenkt, greift ein – und doch wird es unmöglich sein, ihm eindeutige Worte zur Last zu legen, die er gehört oder gesprochen hat, falls das schmutzige Geschäft auffliegt. Klartext wird unter denen gesprochen, die für die Umsetzung sorgen: Vertraute des Präsidenten. Aber der Chef ist in diesem Moment auf keinen Fall mit im Raum.

So lief der Hase, als zu Ronald Reagans Zeiten in streng geheimen Deals Waffen an den Erzfeind Iran verscherbelt wurden, um mit dem Geld heimlich Mörderbanden in Mittelamerika auszustatten. Die Iran-Contra-Affäre war einer der größten Skandale der US-Geschichte. Doch das genaue Ausmaß der persönlichen Verwicklung des Präsidenten? Blieb unklar. Und so läuft der Hase auch im Hause Trump – wenn, ja wenn Meister Langohr nicht einen ganz dummen Fehler gemacht hat. Darum ging es gestern in Washington. Um den dummen Fehler. Den direkten Link zwischen Präsident und Skandal. Denn es packte einer aus, der bei den schmutzigen Deals mit in der Leitung hing.

Hat der Präsident sein Amt missbraucht, um seinen ukrainischen Kollegen zu erpressen? Damit der seinem politischen Widersacher Joe Biden politischen Schmutz anhängt? Gab es ein "Quid pro quo", auf Deutsch: eine Absprache, dass eine Hand die andere wäscht? Alles, wirklich alles deutet darauf hin. Und gestern, als der US-Botschafter bei der EU, Gordon Sondland, vor dem Untersuchungsausschuss des Kongresses das Wort ergriff, hielt das politische Washington den Atem an (unser Korrespondent Fabian Reinbold war im Saal dabei).

Mister Sondland hing tief mit drin. Er sagte, er habe mit dem persönlichen Rechtsbeistand des Präsidenten, Rudy Giuliani, "in Sachen Ukraine auf ausdrückliche Anweisung des Präsidenten der Vereinigten Staaten zusammengearbeitet." Ausdrückliche Anweisung des Präsidenten: Da wird manchem langsam heiß. Und weiter: "Die Forderungen Herrn Giulianis waren ein Quid pro Quo", ein gegenseitiges Händewaschen also. Es sei ihm und den anderen Beteiligten klar gewesen, dass damit die Absichten des Präsidenten umgesetzt würden. Alle, wirklich alle hätten Bescheid gewusst, was lief: Außenminister Mike Pompeo. Der inzwischen gefeuerte, damals mächtigste Mann neben dem Präsidenten: John Bolton. Aber auch Donald Trump? Das war die entscheidende Frage. Deshalb wurde Sondland in die Mangel genommen: Woher wolle er denn wissen, dass die Wünsche des windigen Herrn Giuliani dem Willen seines Herrn entsprachen? Antwort: Nun ja, Trump habe auf Giulianis federführender Beteiligung dermaßen bestanden, dass man davon habe ausgehen müssen.

"Davon ausgehen": Das kann die Körpertemperatur der Zuhörer wieder senken. Sondland nimmt an. Denkt sich das so. Weil es logisch ist, gewiss. Aber das belastende Zitat aus dem Munde Donald Trumps? Es. Ist. Nicht. Da.

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Giuliani: Dieser Name steht jetzt zwischen Trump und der Ukraine-Affäre, er schützt den Chef vor dem Direktkontakt mit den schmutzigen Ränken. Ja, Köpfe werden rollen im Umfeld des Präsidenten, Berater in Ungnade fallen, Vertraute vor Gericht landen. Das ist in der Ära Trump nicht neu. Aber der dämliche Donald ist eben doch nicht so dumm. Wird manchmal unterschätzt. An seine Unschuld kann man, wenn man die Anhörungen verfolgt, beim besten Willen nicht glauben. Und Glaube kann Berge versetzen. Aber wohl nicht den Donald aus dem Amt.


WAS STEHT AN?

Annegret Kramp-Karrenbauer darf heute schon mal den Konferenzsaal in Leipzig inspizieren, in dem sie sich ab morgen dem geballten Missmut vieler CDU-Delegierter stellen muss. Miese Wahlergebnisse, unklare Programmatik, konfuse Kommunikation, tollpatschige Alleingänge und vor allem fehlende Führung: In der stärksten deutschen Partei liegt so vieles im Argen, dass nun sogar ein 64-jähriger Ex-Fraktionsvorsitzender als Hoffnungsträger gilt. Hat die CDU der Bundesbevölkerung wirklich kein attraktiveres Spitzenpersonal zu bieten als einen hochnäsigen Lobbyisten, eine glücklose Ex-Ministerpräsidentin und eine lethargische Kanzlerin? Wann tritt endlich Daniel Günther ins Rampenlicht?


Im US-Bundesstaat Georgia haben sich die demokratischen Präsidentschaftsbewerber ihr fünftes Fernsehgefecht geliefert. Präsident Donald Trump muss sich bei den Impeachment- Ermittlungen auch heute wieder anhören, was weitere Mitarbeiter über ihn zu sagen haben.


In Oslo stellt die Internationale Kampagne für das Verbot von Landminen einen umfassenden Bericht vor. Keine andere Waffe richtet auch Jahre nach dem Ende von Kriegen noch so verheerende Schäden an.


DIE GUTE NACHRICHT

Zwar sind immer noch viel zu viele Kinder Not und Elend ausgesetzt – doch die Sterblichkeitsrate von Kindern weltweit ist im Vergleich zu den vergangenen 30 Jahren deutlich gesunken.


WAS LESEN?

Der Mord an Fritz von Weizsäcker erschüttert Berlin – und ruft populistische Widerlinge auf den Plan, die versuchen, das Attentat für ihre ausländerfeindliche Hetze zu nutzen: Warum wurde der Täter mit einer Tüte über den Händen abgeführt? Unser Rechercheur Lars Wienand kennt den Grund.


Das britische Königshaus ist in der Krise, wieder einmal. In einem BBC-Interview redete sich Prinz Andrew bezüglich seiner Verwicklung in den Epstein-Missbrauchsskandal um Kopf und Kragen, seit gestern lässt er seine Ämter ruhen. Als Oberhaupt der skandalumwitterten Royals fällt auch auf die Queen ein Schatten – dabei wollte sie gestern eigentlich ihren 72. Hochzeitstag mit Prinz Philip feiern. Adelsexperte Thomas Kielinger erzählt im Videointerview mit meinen Kollegen, was so besonders an dieser Ehe ist.


WAS AMÜSIERT MICH?

Auch die Nato ist in der Krise. Dabei gäbe es für sie doch so viel zu tun.


Ich wünsche Ihnen einen inspirierenden Tag. Morgen schreibt Florian Wichert den Tagesanbruch, mich lesen Sie kommende Woche wieder.

Herzliche Grüße

Ihr

Florian Harms
Chefredakteur t-online.de
E-Mail: t-online-newsletter@stroeer.de

Mit Material von dpa.

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