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Tagesanbruch – Persischer Golf: Nun wäre wieder die Stunde der Diplomatie


Meinung
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Was heute wichtig ist
Die Unerträglichkeit der Diplomatie

  • Peter Schink
MeinungVon Peter Schink

Aktualisiert am 14.05.2019Lesedauer: 6 Min.
Die "USS Abraham Lincoln" durchquert am 9. Mai den Suezkanal.Vergrößern des Bildes
Die "USS Abraham Lincoln" durchquert am 9. Mai den Suezkanal. (Quelle: navy.mil)
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Guten Morgen, liebe Leserinnen und Leser,

der kommentierte Überblick über die Themen des Tages kommt heute stellvertretend von mir. Im Zentrum: Ein Patient, der ernsthaft erkrankt ist. Es ist die Diplomatie.

WAS WAR?

Diplomatie will lautlos sein. Es gilt, sensibel die Befindlichkeiten der Gegenseite auszuloten, um schließlich zwei Dinge zu erreichen. Den eigenen Standpunkt möglichst weitgehend durchzusetzen und zugleich die andere Seite im Licht des Erfolgs strahlen zu lassen. Dafür ist allerdings eines nötig: Kompromissfähigkeit. Reichskanzler Otto von Bismarck umschrieb es vor über 100 Jahren so: "Die Pflichten des Diplomaten bestehen in wechselseitigen und unaufhörlichen Konzessionen."

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Der Atomdeal mit dem Iran im Jahr 2015 war so ein Meisterstück der Diplomatie. Er versprach im Gegenzug für die Stilllegung des iranischen Atomprogramms den dringend nötigen wirtschaftlichen Aufschwung und einen Weg aus der Isolation. Schritt für Schritt. Der Westen hingegen hoffte auf mehr Sicherheit im Nahen Osten. Die Diplomaten nutzten die Gunst der Stunde. Nach jahrelangen Verhandlungen hatten die Hardliner im Iran gerade nicht die Oberhand. Und in den USA regierte mit Barack Obama ein Präsident, der bereit war, den Kompromiss zu suchen.

Die Vereinbarung von Lausanne ist ein komplexes Werk, 100 Seiten dick und mit fünf technischen Anhängen versehen. Beide Seiten hatten das Gelingen des Kompromisses durch etliche Zugeständnisse ermöglicht.

Mit der iranischen Wirtschaft ging es in Folge der gelockerten Sanktionen zunächst steil bergauf. Das Wirtschaftswachstum schnellte aus einer Rezession auf satte 12,5 Prozent im Jahr 2016. Doch die Lage der Menschen verbesserte sich kaum. Die Arbeitslosigkeit blieb unverändert hoch, die Lebensmittelpreise stiegen schon vor den neuen US-Sanktionen dramatisch. Auf westlicher Seite wich die Zufriedenheit mit dem Verhandlungsergebnis der Ernüchterung, dass der Iran seine Realpolitik nicht änderte: Im Jemen führt das Land einen Stellvertreterkrieg gegen Saudi-Arabien, in Syrien stützt das Land das syrische Regime, im Libanon die Hisbollah, im Gazastreifen den islamischen Dschihad, im Irak pro-iranische Milizen.

Nun wäre eigentlich wieder die Stunde der Diplomatie. Dem Iran muss verständlich gemacht werden, dass eine solche Politik nur weiter in die Isolation führt. Doch die Gunst der Stunde ist vorbei: Im Weißen Haus regieren die Falken. Und im Iran haben die Hardliner die Oberhand gewonnen.

US-Außenminister Mike Pompeo reist zwar eilig nach Bagdad und Brüssel, doch er ist nicht als Diplomat unterwegs. Er bittet lediglich um Unterstützung für seinen Kurs. Der ist klar. Zumindest für die "USS Abraham Lincoln". Der Flugzeugträger hat den Suezkanal vor wenigen Tagen passiert, auf dem Weg in den Persischen Golf. Zusammen mit etlichen weiteren Kriegsgeräten bauen die USA eine Drohkulisse auf. Die Diplomaten schauen dabei ratlos zu.

Die Verhandlungsstrategie der US-Regierung gleicht sich, im Handelsstreit mit China, im Atomkonflikt mit Nordkorea, jetzt im Atomstreit mit Iran: US-Präsident Donald Trump übt Druck aus, um den Gegner einzuschüchtern. Erfolg hatte er mit der Taktik bislang allenfalls bei den Verhandlungen mit deutschen Autobossen. Die knickten ein und versprachen artig, mehr Autos in den USA zu produzieren.

Was Trump nicht verstanden hat: Diplomatie ist kompliziert, sie ist unerträglich und sie ist langsam. Aber sie ist zugleich Garant für politische und wirtschaftliche Stabilität. Und damit das Schmieröl der Weltwirtschaft. Das bekam Pompeo dann auch bei seinem Besuch am Montag in Brüssel zu hören. "Maximale Zurückhaltung" statt Eskalation forderte die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini, an beide Seiten gerichtet. Die Forderung wurde gehört. Und verhallte. Zu gering ist der europäische Einfluss auf die USA im Iran-Konflikt im Moment.

Paradox ist: Die Diplomatie wird im Iran-Konflikt nur dann eine Chance haben, wenn Europa geschlossen bei seiner Haltung bleibt. Europäische Politiker versuchen, eine abwägende Haltung zwischen den Konfliktparteien einzunehmen. Und halten so die Tür zu Verhandlungen offen. Deutschland kommt da eine Schlüsselrolle zu. Das Verhältnis zum Iran ist historisch komplex, aber meist gut gewesen. So reiste nach dem Ende der Sanktionen 2016 der damalige Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) als erster westlicher Politiker nach Teheran - samt hochkarätiger Wirtschaftsdelegation. Deutschland ist Irans drittgrößter Handelspartner nach China und Japan. Das könnte die Chance der Diplomaten sein.

Ein Schweizer Diplomat beschrieb es mal so: "An Ehrenmännern fehlt es immer, da könnten wir mehr gebrauchen – überall. Aber ich hoffe, dass es noch genügend gibt, denn in einer Welt ohne Ehrenmänner, dann in der Tat, glaube ich, könnten wir keine Vereinbarung zwischen Staaten mehr treffen.“


Spät am gestrigen Abend dann diese Nachricht: Die Bayer-Tochter Monsanto hat den dritten Prozess um das Unkrautvernichtungsmittel Roundup verloren. Ein Ehepaar hatte Monsanto für seine Krebserkrankung verantwortlich gemacht. Die Jury in Kalifornien urteilte, das Unternehmen müsse deshalb Schadensersatz in Höhe von zwei Milliarden Dollar (1,78 Milliarden Euro) zahlen – nahezu ein Jahresgewinn von Monsanto. Der Kurs der Bayer-Aktie ging nach der Entscheidung auf Talfahrt.

Für Bayer geht es nun um alles. Wegen Monsanto wird der Konzern selbst zum Übernahmekandidaten. Hätte Bayer das bei der Übernahme kommen sehen können? Zumindest das Risiko hätte der Konzernspitze bewusst sein müssen.


WAS STEHT AN?

Innenminister Horst Seehofer (CSU) und BKA-Präsident Holger Münch präsentieren in Berlin Zahlen zu politisch motivierter Kriminalität im vergangenen Jahr. Rein statistisch hat sich auf den ersten Blick nicht viel getan. Gewalt von Linksextremisten ging im vergangenen Jahr zurück, rechtsextremistische Straftaten blieben ungefähr gleich. Doch bereits am gestrigen Montag berieten Experten auf Einladung des Verfassungsschutzes darüber, dass sich im rechten Spektrum vielfach einfacher Bürgerprotest mit dem von Rechtsextremen vermischt. Ob die Statistik des BKA dazu erhellendes zu berichten weiß, erfahren wir gegen Mittag.

Der Petersberger Klimadialog geht nach zwei Tagen zu Ende. Dort wurde die nächste UN-Klimakonferenz in Chile vorbereitet, die im Dezember stattfindet. Umweltministerin Svenja Schulze hat schon mal definiert, welche Klimaziele sie sich steckt: Klimaneutrales Europa bis 2050, Klimaschutzgesetz in Deutschland noch in diesem Jahr, eine Steuer auf den Ausstoß von Treibhausgasen. Ich wünsche ernsthaft, dass die Ministerin diese Ziele nicht nur beschreibt, sondern auch umsetzen kann.

Eine der wenigen noch existierenden ersten Computermäuse ist ab heute im Heinz-Nixdorf-Museum in Paderborn ausgestellt. Telefunken brachte die "Rollkugel" 1968 auf den Markt. Der Karlsruher Rainer Mallebrein erfand sie gleichzeitig mit Douglas Engelbart in den USA – und gilt heute als einer von zwei Vätern der bis heute populärsten Mensch-Maschine-Schnittstellen.

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WAS LESEN?

Ich springe noch einmal zurück zum Thema Extremismus, für diese verstörende Geschichte aus der Schweiz. Die Zeitung "Blick" berichtet über Neonazis, die sich in einer geschlossenen Facebook-Gruppe zum bewaffneten Kampf verabreden. Oder verabredet haben. Die Behörden halten die Gruppe für brandgefährlich.

Das Folgende ist mir besonders nahe gegangen. Die "New York Times" berichtet ausführlich über das Gefängnis Saidnaya in Syrien. Es liegt keine 20 Kilometer außerhalb von Damaskus. Dort hält das Regime von Baschar al-Assad bis zu 20.000 Regimegegner gefangen, in den vergangen acht Jahren wurden Tausende Menschen dort hingerichtet. Die Details sind grausam, lassen mich wütend und sprachlos zurück.

Nach dem vergangenen Wochenende steht es fest: Der HSV muss auf seinen ersten Aufstieg in die Bundesliga warten. Dirk Schuster ist den Hamburgern in dem Punkt voraus. 2015 sorgte der Fußball-Trainer für ein kleines Wunder und stieg mit dem SV Darmstadt in die Bundesliga auf. Für seine Erfolge mit den "Lilien" wurde er zum Trainer des Jahres gewählt. Aktuell ist Schuster ohne Klub, seinen kritischen Blick auf das Geschäft hat er aber nicht verloren. Im Gespräch mit meinem Kollegen Robert Hiersemann erklärt er, wie sich das Trainergeschäft in den letzten Jahren verändert hat und sagt: "Ich vermisse, dass es kaum mehr scheppert."


WAS AMÜSIERT MICH?

Der ADAC hat mehr als 20 Millionen Mitglieder. Das neue Präsidium besteht aus sieben Mitgliedern und einem Präsidenten. Eine Sache fiel offenbar nicht nur mir bei diesem Pressefoto auf:

Sie ahnen vielleicht, was nach der Veröffentlichung des Fotos am Samstag auf Twitter passierte. Mein Respekt hat das Eingeständnis des ADAC, das wenig später folgte. Besserung ist also versprochen. Die nächste reguläre Wahl ist in vier Jahren.

In diesem Sinne wünsche ich einen empathischen Tag. Morgen schreibt mein Kollege Florian Wichert den Tagesanbruch.

Ihr

Peter Schink
Stellvertretender Chefredakteur t-online.de
E-Mail: t-online-newsletter@stroeer.de

Twitter: @peterschink

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