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Ex-Darmstadt-Trainer Dirk Schuster vermisst, dass es "kaum mehr scheppert"


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Trainer Dirk Schuster
"Ich vermisse, dass es kaum mehr scheppert"

InterviewVon Robert Hiersemann

Aktualisiert am 14.05.2019Lesedauer: 5 Min.
Mann der klaren Worte: Ex-Darmstadt-Trainer Dirk Schuster.Vergrößern des Bildes
Mann der klaren Worte: Ex-Darmstadt-Trainer Dirk Schuster. (Quelle: Jan Huebner/imago-images-bilder)

Auf den Trainerpositionen im deutschen Fußball wird heutzutage wohl schneller durchgewechselt, als je zuvor.

Er machte das Wunder von Darmstadt möglich: Dirk Schuster übernahm die "Lilien" im Jahr 2012 in der dritten Liga und führte den verstaubten Traditionsverein bis in die Bundesliga. Die Sensation war perfekt – und wurde dann noch mal gesteigert. Schuster packte mit dem krassen Außenseiter den Klassenerhalt in der deutschen Eliteliga. Die Konkurrenz staunte.

Seitdem ist viel passiert: Der heute 51-Jährige trainierte in der Zwischenzeit den FC Augsburg und kehrte zum aktuellen Zweitligisten Darmstadt zurück. Bei den Hessen wurde er im Winter allerdings abgelöst.

Im t-online.de-Interview spricht der ehemalige Fußballprofi über seine persönliche Zukunft, die Veränderungen in seinem Sport von damals zu heute und speziell über die Entwicklung des Trainergeschäfts.

t-online.de: Herr Schuster, ist der Job des Fußball-Trainers in Deutschland noch mit dem was er vor 20, 25 Jahren war zu vergleichen?

Dirk Schuster (51): Der Trainer-Job ist wesentlich komplexer geworden, in vielerlei Hinsicht. Dafür hast du heute ein viel größeres Team um dich herum, welches dir hilft.

Von Mentaltrainer bis Athletik-Coach. Viele Positionen sind hinzugekommen.

Das ist heute ganz normal – und absolut richtig und wichtig. Doch wenn du einer Bundesliga-Mannschaft vor 25 Jahren einen Psychologen in die Kabine gestellt hast, haben das viele Spieler nur belächelt.

Gab es das denn mal zu Ihrer Spielerzeit?

Ich habe das als Köln-Profi selbst erlebt. Ein Psychologe flog mit uns damals ins Trainingslager. Wir sollten als Mannschaft unsere Meinung über jeden einzelnen Spieler sagen. "Guter Typ", war unsere knappe Antwort auf fast jeden Teamkollegen. Das brachte nichts. Doch die Spieler sind heute offener für Hilfe – was gut ist, zumal auch für sie der Druck größer geworden ist. Insgesamt hat sich das Auftreten und Denken der Spieler extrem verändert.

Welche Veränderungen meinen Sie ganz speziell?

Es wird ja viel darüber geredet, dass die Spieler immer mehr Ich-AGs sind, aber ich meine vor allem auch positive Dinge: Zum Beispiel haben Fußballprofis heute ein ganz anderes Bewusstsein für ihren Körper. Die meisten Spieler essen sehr gesund, bereiten sich total professionell auf die Spiele vor, sind insgesamt wissbegieriger. Das hilft letztlich auch uns Trainern. In meiner Spielerzeit wurde dagegen häufiger über die Stränge geschlagen.

Heute müssen Fußballer diesbezüglich sicher auch vorsichtiger sein …

Genau, Social Media ist ein Riesenthema. Die Leute heute sind so geübt mit ihrem Handy, dass sie Fotos unbemerkt aus der Hüfte schießen können. Das zu wissen, ist für viele Fußballer unangenehm, denn diese Bilder könnten sich am nächsten Morgen schon überall im Internet verbreitet haben.

Sie haben mal gesagt, dass Sie als "Vollidiot" in den Lehrgang zur Fußballlehrer-Ausbildung gegangen sind, den sie als Jahrgangsbester abgeschlossen hatten. 2016 wurden Sie Deutschlands Trainer des Jahres, der Durchmarsch mit Darmstadt samt Klassenerhalt in der Bundesliga war sensationell. Sie haben sich offenbar ordentlich gesteigert …

Ich bin tatsächlich total naiv in die Trainer-Ausbildung gegangen, weil ich dachte, dass ich als langjähriger Fußballprofi schon alles weiß. Dabei liegen zwischen dem Job des Spielers und des Trainers Welten. Als Spieler konntest du dich berieseln lassen, als Coach bist du für 25 Männer, dein Trainer-Team und gewissermaßen einen gesamten Verein verantwortlich. Dem musst du mit entsprechenden Inhalten gerecht werden, und zwar sieben Tage in der Woche. Das macht die Schwierigkeit, aber eben auch den Reiz des Jobs aus.

Stellen Sie sich mal vor, Sie würden als 25-jähriger Profifußballer, der Sie mal waren, in die Kabine eines aktuellen Bundesligisten gebeamt werden. Was würde Sie wohl am meisten überraschen?

Das soll überhaupt nicht so klingen wie „früher war alles besser“, aber ich würde schon Typen wie Lothar Matthäus und Stefan Effenberg vermissen. Fußballer, die auch mal austicken und immer für einen guten Spruch zu haben sind. Ich denke da sofort an Janusz Góra in Ulm zurück, wie er damals "Skandal, Skandal" in eine TV-Kamera schrie (lacht).

Das erlebt man heute nicht mehr.

Das ist heute fast gar nicht mehr möglich, weil sich Spieler das nicht erlauben können und richtigerweise früh zum Beispiel in Medientrainings geschult werden. Die Zeiten und Umstände haben sich nun mal geändert, heute wird in der Öffentlichkeit häufig aus jeder Mücke ein Elefant gemacht. Ich vermisse es, dass es kaum mehr scheppert, aber dennoch bleibt der Fußball in seinem Kern natürlich ein überragender Sport und bietet heute neue interessante Facetten.

Genug über die Vergangenheit gesprochen: Kommen wir zu Ihrer Zukunft. Deutschland oder Ausland, wo trainieren Sie Ihren nächsten Verein? Laut t-online-Informationen haben sie mehrere Anfragen aus dem In- und Ausland vorliegen.

Ich möchte eine Aufgabe übernehmen, bei der ich ein richtig gutes Gefühl habe. Ich will entwickeln und eine Perspektive haben, erfolgreich zu sein.

Auch mit Austria Wien stehen Sie in Verbindung vielleicht wäre der Gang ins Ausland gar nicht so verkehrt: Die Trainer-Fluktuation auf dem deutschen Markt ist aktuell enorm groß. Ihre Meinung dazu?

Kontinuität wird leider in immer weniger Klubs gelebt, der Job des Trainers ist häufig kurzfristig geworden. Die Beurlaubungen von Markus Kauczinski und Markus Anfang sind Alarmsignale, stellvertretend für diese Entwicklung.

Kauczinski stand mit St. Pauli zum Zeitpunkt der Entlassung drei Punkte hinter dem Relegationsplatz, Anfang mit Köln deutlich an der Spitze.

Ich kenne in den jeweiligen Fällen nicht die Hintergründe und will auch überhaupt nicht die einzelnen Entscheidungen kritisieren oder klagend rüberkommen: Aber wenn man insgesamt sieht, in welchen Situationen mittlerweile Trainer entlassen werden, ist das schon bedenklich. Und es mussten ja noch zwölf weitere in dieser Zweitliga-Saison gehen.

Kommt man da heutzutage als Trainer nicht schon mit einer gewissen Unsicherheit zum neuen Verein?

Nein, das wäre auch der völlig falsche Ansatz. Zumal wir uns diesen Job ausgesucht haben und dann auch mit den unangenehmen Begleiterscheinungen leben müssen. Und man muss auch die Vereine ein Stück weit verstehen: Die Differenz der Fernsehgelder von beispielsweise der zweiten zur dritten Liga in Deutschland ist enorm. Diesen Abstieg kann sich kaum ein Klub leisten, dazu kommt auch der gewachsene Druck der Öffentlichkeit. Deshalb versuchen die Vereine mit allen Mitteln, den Abstieg zu verhindern – auch wenn einzelne Personen darunter leiden und es häufig auch nur kurzfristig oder letztlich gar nichts bringt.

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Sie wurden im Februar in Darmstadt von Dimitros Grammozis als Cheftrainer abgelöst. Verfolgen Sie noch, wie die "Lilien" so spielen?

Natürlich interessiert mich, wie es mit Darmstadt weitergeht. Die Arbeit von Dimitros ist sehr gut, die Ergebnisse passen. Auch wie er öffentlich rüberkommt, gefällt mir, das passt gut zu Darmstadt. Das Klassenziel ist erreicht worden – wobei ich überzeugt das unserem Trainerteam in dieser Form natürlich auch geschafft hätte. Ich bin froh, dass ich Darmstadt vor einem Jahr in einer ganz schweren Situation helfen konnte, und jetzt freue ich mich, wenn mein Nachfolger Erfolg hat. Darmstadt ist ein toller Verein, der mir immer am Herzen liegen wird.

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