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Tagesanbruch: Konflikt zwischen USA und Iran – die Stunde der Betonköpfe


Was heute wichtig ist
Die Stunde der Betonköpfe

MeinungVon Florian Harms

09.05.2019Lesedauer: 5 Min.
Meinung
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Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.

Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.
US-Präsident Donald Trump, Sicherheitsberater John Bolton.Vergrößern des Bildes
US-Präsident Donald Trump, Sicherheitsberater John Bolton. (Quelle: Jonathan Ernst/Archivbild/reuters)

Guten Morgen, liebe Leserinnen und Leser,

hier ist der kommentierte Überblick über die Themen des Tages:

WAS WAR?

Nichts ist so alt wie die Zeitung von gestern. Eine vergilbte Ausgabe der "New York Times" aus dem Jahr 2015 können wir also bedenkenlos ins Altpapier werfen. Obwohl das iranische Atomprogramm, über das der Gastautor auf der Meinungsseite schreibt, gerade wieder Schlagzeilen macht. "Die Vereinigten Staaten könnten bei der Zerstörung ganze Arbeit leisten", steht in dem angestaubten Artikel. Militärisches Vorgehen gegen den Iran müsse man mit weiteren Maßnahmen kombinieren, die "den Regimewechsel in Teheran zum Ziel haben". Brisante Sätze. Und dann erst der Titel: "Um Irans Bombe zu stoppen, bombardiert Iran"! Puh, bloß weg mit der alten Gazette. Wer hat so einen Irrsinn bloß zu Papier gebracht? Oh, Moment! Es war John Bolton.

Damals hatte Herr Bolton mehr Zeit zum Schreiben als heute. Heute sitzt er als oberster Sicherheitsberater neben Donald Trump im Weißen Haus und steuert die US-Politik im Nahen Osten. Dass Amerika gerade einen Flugzeugträger in den Persischen Golf geschickt hat, ist ihm nur so von der Zunge gerollt. Langstreckenbomber gab es gleich dazu. Zugleich ist Außenminister Mike Pompeo überraschend nach Bagdad geeilt, um die Iraker über "akute Gefahren aus dem Iran" zu unterrichten. Steht etwa ein iranischer Schlag gegen amerikanische Stützpunkte oder ihre Verbündeten in der Region bevor? Oder streuen die Amerikaner nur Gerüchte, um ihrerseits einen Angriff vom Zaun zu brechen? Kommt es zum Krieg? Oder ist alles nur Show?

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Säbelrasseln ist es auf jeden Fall. Vor einem Jahr kündigten die USA das Atomabkommen mit Teheran, seither versuchen sie, die iranische Wirtschaft auszutrocknen. In der Bevölkerung beginnt es zu rumoren. Also faucht Irans Präsident Rohani jetzt zurück und droht das Nuklearprogramm wieder hochzufahren. Ach ja, und dadurch werde vermutlich das Geld fehlen, um den Drogenhandel und die Flüchtlingskolonnen Richtung Europa einzudämmen. Der Mann weiß, wie man Aufmerksamkeit erregt: Wenn ihr uns nicht gegen die Amis helft, liebe Europäer, dann seid ihr bald die großen Verlierer.

Und wer sind die Gewinner? Das sind die Betonköpfe. Die in Washington und die in Teheran. Herr Bolton und Herr Pompeo können sich freuen: Der verhasste Nukleardeal, an dem die EU immer noch festhält, beginnt sich aufzulösen. Herr Trump dreht weiter an der Daumenschraube und verhängt Sanktionen genau dort, wo es besonders schmerzt. In Iran wiederum bekommt die einflussreiche Schattenarmee der Revolutionsgarden endlich wieder was zu tun. Irgendeinen Feind muss man den 150.000 Mann nach ihrem Sieg gegen die Aufständischen in Syrien ja geben. Sonst kommen sie womöglich auf dumme Gedanken.

Die Eskalation am Persischen Golf sei "brandgefährlich", sagte mir Norbert Röttgen gestern. Als Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag kennt er den Konflikt aus dem Effeff. Die gute Nachricht ist: Noch sehen wir Amerikaner und Iraner nur mit dem Säbel rasseln. Die schlechte ist: Wenn der Säbel länger rasselt, löst er sich irgendwann aus der Scheide.


Tottenham besiegt Amsterdam im letzten Moment: Noch so ein fantastisches Spiel! In der Champions League sehen wir Fußball der Extraklasse – aber die Bundesliga-Klubs sind dabei genauso Zuschauer wie wir. Nur ein Deutscher hat es ins Endspiel geschafft: Jürgen Klopp führt uns mit seiner Liverpooler Zaubermannschaft schmerzlich vor, was Bayern und Dortmund zur Weltspitze fehlt. Genau genommen sind es drei Defizite, kommentiert mein Kollege Luis Reiß.


WAS STEHT AN?

Bundespräsident Steinmeier und die Präsidenten von 20 weiteren EU-Staaten richten heute einen gemeinsamen Appell an alle Bürger, an der Europawahl teilzunehmen. Auch die großen Wirtschaftsverbände veröffentlichen heute einen Wahlaufruf. Die Spitzenkandidaten der Parteien touren unablässig durchs Land. Die Staats- und Regierungschefs treffen sich heute im rumänischen Sibiu, um über die Zukunft der EU zu beraten. Das Glockenspiel des Kölner Rathausturms spielt am Mittag erstmals die Europahymne. In Berlin und Hamburg stellt die Initiative #SayYesToEurope Wahlkabinen an außergewöhnlichen Orten auf: in einem Bunker, in der Elbphilharmonie, auf der Reeperbahn, im Trainingslabor der Lufthansa. Landauf, landab gibt es Podiumsdiskussionen, Demonstrationen, Aktionen.

Aber wenig Emotionen.

Und das ist ein Problem. Das Interesse an der Europawahl ist hierzulande mau. Liegt es an der einfallslosen Wahlwerbung, den Hashtag-irgendwasmitfrieden-Slogans und simplen Parolen? Oder daran, dass die Kanzlerin sich aus dem Wahlkampf weitgehend heraushält? Haben einfach zu viele Menschen den Eindruck, die EU sei etwas, das in Brüsseler Beamtenbüros stattfindet, aber nicht in ihrem Leben? Vielleicht ist es von allem ein bisschen, aber das allein kann es kaum sein.

In den Wahlappellen aus Politik, Wirtschaft und Verbänden ist stets von Frieden, Sicherheit und Wohlstand die Rede, die uns die EU garantiere – und das tut sie selbstverständlich auch. Gleichwohl scheinen viele Bürger die EU ganz anders wahrzunehmen: als bürokratisch, machtlos, intransparent. Ihre finanzielle Lage ist heikel: Die Schuldenkrise in Südeuropa mag aus den Schlagzeilen verschwunden sein, doch natürlich ist sie noch da. Das Steuersystem der EU wirkt zahnlos gegen die neuen Herren der Weltwirtschaft: die global agierenden Digitalkonzerne. Ihre Außengrenzen kriegt die EU weder dicht noch human organisiert. Seit drei Jahren strapaziert eines ihrer wichtigsten Mitglieder unsere Nerven mit dem verzweifelten Versuch, irgendwie aus der Union herauszukommen. Und das soll das Europa sein, für das wir uns engagieren, dem wir unsere Stimme geben sollen? Da kann man schon ins Zweifeln kommen.

Zweifel gehören zum Leben, aber verzweifeln sollten wir nicht. Und erst recht nicht resignieren. Die EU kann nur so gut sein wie jene, die sie tragen. Das sind ihre Institutionen, Parteien und Behörden. Aber am Ende sind es: wir. Sie und ich und mehr als eine halbe Milliarde weiterer Menschen. Wenn wir uns von der EU abwenden, dann überlassen wir sie dem Siechtum. Und ihren Feinden, die sie zerschlagen wollen, um zum Europa der Nationalstaaten zurückzukehren – einem Konzept, das in der globalisierten Welt nicht mehr funktioniert. Wenn wir uns aber einbringen und engagieren, wenn wir kritisch nachfragen und den Europapolitikern genauso deutlich zu verstehen geben, was uns wichtig ist, wie wir es unseren Landes- und Bundespolitikern vermitteln, dann kann die EU zu neuer Stärke finden. Das geschieht nicht von heute auf morgen. Aber beginnen sollten wir damit, bevor es zu spät ist.

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WAS LESEN?

Fangen wir doch gleich mal an mit den kritischen Fragen: Wie kommt es eigentlich, dass einerseits Politiker aller Couleur fordern, die amerikanischen Digitalkonzerne an die Kandare zu nehmen – andererseits aber in Brüssel, wo die entscheidenden Richtlinien beschlossen werden, so wenig geschieht? Vielleicht liegt es auch hieran:

Mehr dazu lesen Sie bei meinen Kollegen von Statista. Und ja, das kann man nicht nur anprangern, das kann man auch ändern.


Mithilfe eines perfiden Umsatzsteuerkarussells reißen sich Verbrecher in Deutschland Milliarden Euro unter den Nagel: Falls Sie die brisante Recherche unserer "Correctiv"- Kollegen noch nicht gelesen haben, können Sie das hier nachholen.


WAS AMÜSIERT MICH?

Ich wünsche Ihnen einen federleichten Tag.

Ihr

Florian Harms
Chefredakteur t-online.de
E-Mail: t-online-newsletter@stroeer.de

Mit Material von dpa.

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