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Tagesanbruch: Ergebnisse des EU-Asylgipfels & Jogi Löws Zukunft


Tagesanbruch
Was heute Morgen wichtig ist

MeinungVon Florian Harms

Aktualisiert am 29.06.2018Lesedauer: 5 Min.
Flüchtlinge im Jahr 2015 auf dem Weg nach BayernVergrößern des Bildes
Flüchtlinge im Jahr 2015 auf dem Weg nach Bayern. (Quelle: dpa)
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Guten Morgen, liebe Leserinnen und Leser,

hier ist der kommentierte Überblick über die Themen des Tages:

WAS WAR?

Man kann vieles an Angela Merkels Politik kritisieren, aber wie sie in diesen Tagen um ihr Amt und für ein weltoffenes, rechtsstaatliches und europäisches Deutschland kämpft, das nötigt mir Respekt ab. Sie duckt sich nicht weg, sie geht keinem Konflikt aus dem Weg. Gestern ihre Regierungserklärung im Bundestag: klar, selbstbewusst, empathisch. Die Frau, der so oft vorgeworfen wurde, Abgeordnete und Bürger mit technokratischer, hölzerner Sprache einzulullen, spricht nun klare, bedeutungsschwere Sätze.

Sie sagt erstens: "Wer Schutz sucht, kann sich nicht das Land aussuchen, in dem er (einen Asyl-) Antrag stellt. Zweitens können wir nicht die Länder völlig allein lassen, in denen die Menschen ankommen. Wir müssen die Regeln fortentwickeln. Solange das mit 28 Ländern nicht geht, müssen wir überlegen, wie wir mit einer Koalition der Willigen Lösungen finden."

Und weiter: "Europa hat viele Herausforderungen, aber die der Migration könnte zu einer Schicksalsfrage für die Europäische Union werden." Entweder Deutschland regele die Migration so, dass man uns auch in Afrika glaubt, "dass wir uns von Werten leiten lassen – oder aber niemand wird mehr an unser Wertesystem glauben, das uns so stark gemacht hat". Deshalb dürfe Deutschlands Asylpolitik an den Grenzen "nicht unilateral, nicht unabgestimmt, nicht zulasten Dritter" sein. Eine Kampfansage an den bayerischen Ministerpräsidenten Söder, der das Ende des "geordneten Multilateralismus" beschworen hat.

In dieser Stimmung flog Merkel dann nach Brüssel, um bei ihren europäischen Partnern herauszuholen, was herauszuholen ist. Und nach stundenlangen Beratungen in der Nacht kamen die EU-Chefs zu einer Einigung: Die europäische Asylpolitik soll verschärft werden. Wie wertvoll das nun für Merkel im Asylstreit mit der CSU ist, wird sich noch zeigen.

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Tag zwei nach dem WM-Debakel der deutschen Nationalmannschaft: Alle diskutieren über die Zukunft von Bundestrainer Löw. Wirft er hin oder macht er weiter? Seine Antwort gestern bei der Ankunft am Frankfurter Flughafen: "Es braucht tief greifende Maßnahmen. Es gibt nicht den einen Grund, der zum Scheitern beigetragen hat. Es gibt mehrere Gründe. Es war meine Verantwortung, die Mannschaft in Form zu bringen. Das ist mir nicht gelungen." Deutet er damit seinen Rückzug an?

Die Mehrheit der Deutschen scheint sich jedenfalls schon festgelegt zu haben, wie unsere exklusive Umfrage zeigt: 55 Prozent der Befragten würden Löws Rücktritt befürworten. Nicht so allerdings unser Kolumnist Stefan Effenberg. Sein Rat: Festhalten an Löw – aber sowohl das Trainerteam als auch den Kader umbauen. Die größten Probleme sieht er aber nicht dort, sondern bei den Funktionären des DFB, die ein "erbärmliches Bild" abgegeben hätten. Was genau meint Effenberg damit und was muss sich aus seiner Sicht ändern? Bitte lesen Sie selbst.

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WAS STEHT AN?

Tag zwei des EU-Gipfels in Brüssel, heute geht es ums Geld: Eurozonen-Reform, EU-Haushalt, Brexit. Zwischendrin werden die Staats- und Regierungschefs aber vermutlich trotzdem immer wieder über Flüchtlinge und Asyl sprechen. Gut also, wenn man die Zahlen kennt:

Und wenn man all die Fehler, Mythen und Lügen der Flüchtlingskrise entlarvt, die immer noch durchs Land wabern: Merkel hat die Grenzen geöffnet! Das Recht wurde gebrochen! Falsch. Die wahren Fehler der Regierung waren andere. Der Kollege Stefan Braun von der "Süddeutschen Zeitung" hat sie aufgeschrieben.

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Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier liegt die Aufarbeitung der deutschen Geschichte am Herzen. Deshalb fliegt er heute nach Weißrussland und eröffnet eine KZ-Gedenkstätte: In dem NS-Vernichtungslager Maly Trostinez nahe Minsk wurden zwischen 1942 und 1944 bis zu 60.000 Juden und sowjetische Partisanen ermordet. Steinmeier will ein Zeichen gegen die Verharmlosung von Nazi-Verbrechen setzen. Gut so. Unser Reporter Jonas Schaible begleitet den Bundespräsidenten und wird für Sie berichten.

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Es ist stockdunkel, es ist heiß, und viel hat der Mann nicht mehr am Leib, der winselnd auf dem Boden liegt und herauspresst, dass er sterben will. Man kann nicht genau heraushören, ob Hohn in der Stimme der Rebellen liegt, als sie nachfragen, ob er das so meint. Wir wissen nicht, ob sie den Wunsch des Dorfvorstehers erfüllt oder ihn noch länger gefoltert haben. Es ist wie immer, wenn Teile eines Landes in Flammen aufgehen. Es gibt kaum mehr Gute in diesen Dörfern Kameruns. Nur noch Täter und Opfer.

Angefangen hat es nach dem immer gleichen Schema: Eine benachteiligte Minderheit – die englischsprachigen Bürger im mehrheitlich frankophonen Land – hatte die Schikane, den Ausschluss von Jobs und Mitsprache irgendwann satt. 2016 gingen die Demos los, bald darauf die Repressalien, irgendwann die Gegengewalt. Es könnte ein Drehbuch aus dem bitteren Arabischen Frühling sein, nur flüchten die Menschen hier in den Dschungel. Wackelige Videos verängstigter Bürger zeigen Eliteeinheiten der Regierung, die durch die Ortschaften marodieren und alles niederbrennen. Die, wenn sie gehen, entstellte Leichen in der Verwüstung zurücklassen. Ein anderes Video zeigt einen Lehrer, den Rebellen erschossen haben, weil er sich nicht an ihrem Schulboykott beteiligen wollte.

Mehr als 180.000 Menschen sind aus ihren Häusern geflohen, verstecken sich im Schutz des Dschungels oder haben sich über die Grenze nach Nigeria gerettet. Wir im fernen Europa haben davon bisher kaum Notiz genommen. Als könnten wir uns das leisten. Wir sollten hinschauen. Wir sollten wissen, was in Kamerun geschieht, während wir über Fluchtursachen debattieren. Und deshalb sollten wir uns diese BBC-Reportage anschauen. Wenn niemand mäßigend auf die Regierung und die Rebellenführer einwirkt, dann werden in nicht allzu ferner Zeit die ersten Flüchtlinge aus Kamerun Schlauchboote besteigen und übers Mittelmeer kommen. Wofür noch mal hat die EU ihre gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik?

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WAS LESEN?

Der erste Lesetipp kommt auch heute von einem Gast: Stefan Kuzmany ist Berliner Büroleiter von "Spiegel Online". Er schreibt: "Selten stimme ich politisch mit Jan Fleischhauer überein, aber diesmal analysiert unser Kolumnist schlüssig, warum der brachiale Versuch, gegen Angela Merkel eine harte Grenzpolitik durchzusetzen, der CSU bei der Landtagswahl auf die Füße fallen wird: Selbst wenn die bayerischen Wählerinnen Seehofers Haltung inhaltlich teilen mögen, werden sie sich in der Auseinandersetzung der CSU-Machos mit der Kanzlerin doch auf die Seite der Frau im Kanzleramt stellen." Hier ist der Text.

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Von mir bekommen Sie auch noch einen Lesetipp, und zwar einen ganz besonderen:

Eine blutige Schlacht tobte vor knapp 20 Jahren in Europa. Bei Koshare im Kosovo lieferten sich seit April 1999 serbische Truppen heftige Gefechte mit der UCK, der "Befreiungsarmee des Kosovo". Die Nato flog Angriffe auf Serbien. Mittendrin war Michael Späth, ein deutsch-amerikanischer Scharfschütze, der auf Seiten der Kosovo-Albaner kämpfte – schon lange, bevor die Nato eingriff. Die Tätigkeit eines Scharfschützen gilt als heimtückisch. Aus sicherer Entfernung drückt er ab, sein Opfer stirbt weit entfernt. Michael Späth sieht das ganz anders: Für ihn rettet ein Scharfschütze sogar Leben, weil er mit einem Schuss auf den kommandierenden Offizier ein ganzes Bataillon aufhalten kann. Meine Kollegen Jonas Mueller-Töwe, Marc von Lüpke und Martin Trotz haben Michael Späth getroffen und mit ihm kritisch über Krieg, Töten und Moral gesprochen. Herausgekommen ist eine Innenansicht des Konflikts im Kosovo und von Späths Werdegang. Der Artikel, für den meine Kollegen wochenlang recherchiert haben, erscheint heute Mittag auf t-online.de. Aber als "Tagesanbruch"-Abonnent können Sie ihn jetzt schon lesen.

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WAS AMÜSIERT MICH?

Die deutsche Nationalmannschaft hat keinen guten Fußball gespielt, deshalb ist sie ausgeschieden. So einfach, so logisch. Und so falsch. Denn in Wahrheit war alles ganz anders: Es gibt nur eine Person, die schuld ist, und das ist kein Mann. Sondern eine Frau.

Ich wünsche Ihnen einen Freitag frei von Aberglaube und dann ein schönes Wochenende.

Ihr Florian Harms
Chefredakteur t-online.de
E-Mail: t-online-newsletter@stroeer.de

Mit Material von dpa.

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