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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Experte zum AfD-Parteitag "Dieser Kurs führt unweigerlich in die rechtsextremistische Ecke"
Drei Tage lang tagte die AfD in Riesa, wählte neue Köpfe und Resolutionen. Hans Vorländer beobachtet die Partei genau und sieht eine hoch gefährliche Entwicklung für Deutschlands Demokratie.
t-online: Herr Professor Vorländer, die AfD hat eine neue Spitze gewählt. Tino Chrupalla und Alice Weidel stehen der Partei vor, extreme Kräfte wie Christina Baum sind nun im Vorstand vertreten, das für AfD-Verhältnisse etwas gemäßigtere Lager dafür fast gar nicht mehr. Was bedeutet das für die künftige Entwicklung der Partei?
Hans Vorländer: Das ist der Sieg des rechten Lagers über die sogenannten Gemäßigten. Im Westen wird die Partei existentielle Probleme bekommen, im Osten mobilisiert sie weiter die Truppen des Fundamentalwiderstands gegen alles, was demokratisch entschieden wird. Dieser Kurs führt unweigerlich in die rechtsextremistische Ecke. Der Anspruch, auch politisch gestalten zu wollen, ist Camouflage. Alle diejenigen, die mit der AfD eine national-konservative, bürgerliche Alternative zur Union schaffen wollten, sind krachend gescheitert.
Hans Vorländer ist Professor für Politikwissenschaften an der Technischen Universität Dresden und Direktor des Zentrums für Verfassungs- und Demokratieforschung. Er beobachtet nicht nur die AfD intensiv, sondern auch Protestbewegungen wie Pegida. (Foto: Imago Images)
Der Thüringer Rechtsaußen Björn Höcke war auf dem Parteitag wieder sehr präsent, er hat mehrere wichtige Anträge eingebracht und durchgesetzt – unter anderem den auf die Option einer Einzelspitze bei den Vorsitzenden. Welche Rolle hat er an diesem Wochenende gespielt?
Er war der strategische Strippenzieher. Er hat nunmehr das Feld bestellt, um die Partei vor sich herzutreiben, bevor er sie ganz zu übernehmen versucht. Kein Zweifel, er sieht sich als der eigentliche Führer.
Viele AfDler erklären das aktuelle Schwächeln der Partei damit, dass sie einen zerstrittenen Eindruck nach außen macht. Stichwort: der "gärige Haufen", wie Gauland es einmal nannte. Ist das das Hauptproblem der AfD?
Der "gärige Haufen" war bisher nicht das Problem der AfD, sondern ihr Erfolgsrezept: Sie hat gerade vom Schwebezustand zwischen ihren Lagern gelebt, von der Unentschiedenheit zwischen beiden Richtungen. So konnte sie Protest jedweder Art einsammeln. Es hat deswegen mindestens zwei AfDs gegeben – die Ost-AfD und die West-AfD. Das war ein nicht aufhebbares Dilemma für die Partei. Wenn sich die AfD nunmehr weiter radikalisiert, ist es damit vorbei, dann wird sie zu einer reinen Ost-Partei.
Im Westen ist die AfD auf dem absteigenden Ast…
Für die westdeutsche Wählerschaft verliert die AfD zunehmend an Wählbarkeit. Sie hat dort vom Protest zuerst gegen die EU-Politik und den Euro, dann gegen die Migrationsdynamik nach 2015 gelebt. Doch schon vom Protest gegen die Corona-Maßnahmen konnte sie in der Pandemie nicht so stark profitieren, weil andere Bewegungen dasselbe Thema bedienten.
Im Osten ist die AfD weiterhin sehr stark. Warum?
Vor allem im Süden Ostdeutschlands ist sie stark. Der Grund: Weil sie dort schon lange stark und verankert ist und es den anderen Parteien nicht gelungen ist, die Menschen für sich zu gewinnen. Die AfD sammelt Widerstand gegen das Establishment ein, verstärkt das Gefühl, Bürger zweiter Klasse zu sein und befeuert das Misstrauen in Politik und Demokratie.
Trotzdem hat die AfD bei den Landrats- und Kommunalwahlen in Sachsen vergangenes Wochenende nicht einen der heiß begehrten Posten als Landrat oder Bürgermeister bekommen.
Ich warne davor, das Ergebnis zu unterschätzen. Die AfD hat ihr selbstgestecktes Ziel zwar vorerst nicht erreicht, sie hat sich aber stabilisieren können. Mit Resultaten zwischen 20 und 35 Prozent der Wählerstimmen. Sie ist nach wie vor eine echte Hausmacht. Und rechts von ihr gibt es weitere rechtsextreme Gruppierungen, so die "Freien Sachsen". Es sollte deshalb keiner wirklich überrascht sein, wenn es der AfD im zweiten Wahlgang doch noch gelänge, einen Posten zu erringen, auch wenn es im Augenblick eher unwahrscheinlich ist.
- Gespräch mit Professor Hans Vorländer