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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Machtkampf in der CDU Das Duell
Friedrich Merz gegen Armin Laschet und Jens Spahn: Die Hauptkonkurrenten stehen fest – und die CDU vor einer Grundsatzentscheidung in ihrer größten Krise seit Jahrzehnten.
Für gewöhnlich sind die wortkargen Ankündigungen der Bundespressekonferenz kein Quell großer politischer Erkenntnis. Diesmal ist das anders. Für 11 Uhr wurde am Montag ein Auftritt von Friedrich Merz unter dem Titel "Zur Kandidatur für den CDU-Vorsitz" auf die Tagesordnung gesetzt. Der ehemalige CDU-Fraktionschef Merz will Parteichef werden, das war die wenig verklausulierte Nachricht und genau so las sich die Verkündung auch.
Dann, am frühen Dienstagmorgen, tauchte plötzlich ein weiterer Programmpunkt auf: 90 Minuten vor Merz, also um 9.30 Uhr, sollten Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet und Gesundheitsminister Jens Spahn "Zur Zukunft der CDU Deutschlands" sprechen. Schon die Formulierung von Spahn und Laschet wirkt staatstragender. Sie ist ein Symbol für die Auftritte, die folgen sollten.
Plötzlich geht alles ganz schnell
Nach der Ankündigung der noch amtierenden CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer am Montag, dass sich in dieser Woche die Kandidaten vorstellen würden, geht jetzt alles sehr schnell. Am 25. April soll ein neuer Vorsitzender gewählt werden, die Zeit drängt. Armin Laschet und Jens Spahn federn gut gelaunt vor der Hauptstadtpresse auf die blaue Bühne.
Viele aus der Partei hatten sich eine "Teamlösung" gewünscht, nun gibt es immerhin ein Miniteam: Armin Laschet bewirbt sich um den Vorsitz, sollte er erfolgreich sein, wird Jens Spahn sein Vizechef. Und so wie in der Ankündigung für den Auftritt von der "Zukunft der CDU Deutschlands" die Rede war, beginnt Laschet auch: Er gibt den Vereiner, der gegen alle Spaltungen der Partei vorgeht. Er spricht vom "Zusammenhalt der Gesellschaft" und davon, "Ökologie und Ökonomie (zu) versöhnen", übrigens in Ost- wie Westdeutschland.
Schon bald geht es auch um den, der hier in anderthalb Stunden erwartet wird: Friedrich Merz. Warum das mit dem Team nicht so recht mit Merz geklappt habe, will jemand wissen. "Der Wettbewerb findet auch in die Mitte hinein statt", sagt Laschet. Merz wolle immer die AfD "halbieren". Das sei zwar "wünschenswert", aber Merz hat das aus Laschets Sicht offenbar überbetont. Er sieht die CDU in der Mitte des Parteienspektrums und nicht wie Merz in der Rolle, die AfD immer weiter rechts in die Ecke zu drücken.
Laschet profitiert von Spahn
Dann spricht Jens Spahn, der zunächst noch selbst als Kandidat für den Vorsitz gehandelt worden war, sich jetzt aber hinter Laschet stellt. Für Spahn ist das kein Problem, er ist jung, sein großer Karrieresprung könnte noch kommen. Vielleicht in vier Jahren, vielleicht in acht, vielleicht auch erst in zwölf. Spahn hat Zeit.
Doch Armin Laschet profitiert von dem Bündnis enorm, er ist durch Spahn gestärkt. Der Gesundheitsminister gilt als emsiger Arbeiter in der Bundesregierung. Und Spahn könnte für Laschet das rechte Spektrum abdecken. Laschet, der mitunter "Türken-Armin" genannt wurde und im Ruf stand, eher den linken Teil der CDU zu betonen, hat sich klug verstärkt. Passend betont Spahn gleich mal, jetzt brauche es einen "weltoffenen Patriotismus".
Dann drängt die Zeit, um 11 Uhr soll Friedrich Merz kommen. "Die CDU ist größer als jeder Einzelne von uns", sagt Spahn dann noch. Um 10.52 Uhr verlassen die beiden die Bundespressekonferenz in zügigem Schritt. Nicht, dass sie noch Merz in die Arme laufen. Das klappt gerade so.
Auftritt Merz
Denn Merz kommt schon drei Minuten später. Der Saal ist gut gefüllt, viele Journalisten bleiben einfach sitzen, es geht ja ohnehin gleich weiter. Es wirkt wie ein Symbol dafür, dass die Öffentlichkeit den Schlagabtausch der CDU in Ruhe verfolgen kann.
Der Auftritt von Friedrich Merz hätte auf einem roten Teppich wohl ähnlich ausgesehen. Der 64-Jährige dreht sich in alle Kameras und genießt das Scheinwerferlicht. Er hat lange genug auf seinen großen Auftritt gewartet, Merz lancierte früh über die Nachrichtenagentur dpa, dass er sich eine Kandidatur vorstellen könne – offiziell bestätigte er das lange nicht. Das war ein Signal an die Partei und nach außen: Rein formell halte ich noch dicht, doch mein Wille anzutreten, ist ungebremst. Es geht jetzt, wie angekündigt worden war, um die "Kandidatur für den CDU-Vorsitz".
Und ja, Friedrich Merz will. Während Laschet noch darüber geklagt hatte, dass sich nicht alle einer "Teamlösung" anschließen wollten, sagt Merz gleich zu Beginn mit fester Stimme ins Mikrofon: "Ich begrüße das ausdrücklich, dass wir einen offenen Wettbewerb haben." Er sieht zufrieden aus. Dann mokiert er sich über die "Kartellbildung zur Schwächung des Wettbewerbs", wie es in der Wirtschaft wohl heißen würde. Gemeint ist das kleine Team, das Laschet und Spahn jetzt bilden. Ein Scherz, versichert er später, natürlich.
Der 64-Jährige umgarnt die Jugend
Anschließend erklärt er sein Konzept für die Partei und das Land. Merz sagt, "größere Teile der Bevölkerung müssten am Wohlstand des Landes teilnehmen". Es werden "Lasten in die Zukunft verschoben", die CDU müsse "eine Partei der jungen Generation sein". Direkt zu Beginn werden die jungen Wähler umgarnt. Weiter geht es mit den großen Themen: Digitalisierung, Energiepolitik, alles "fit machen für das 21. Jahrhundert", wie er es ausdrückt. Merz erklärt, man habe jetzt die Wahl zwischen "Kontinuität und Aufbruch".
Merz steht programmatisch zwar für konservative Positionen, wie sie die CDU in den Achtzigerjahren vertrat, inszeniert sich aber als Mann von morgen. Zurück in die Zukunft mit Friedrich Merz. Sein Team benutzt auf Social Media bereits fleißig den Hashtag #Aufbruch2020.
Für Merz ist es vielleicht die letzte große Chance, CDU-Vorsitzender zu werden. Auch deshalb wollte er nicht in ein Team unter Laschet eintreten. Die "Bild"-Zeitung berichtet, Merz sei sogar ein Ministerposten angeboten worden von Annegret Kramp-Karrenbauer. Die wollte ihn im Zweifel auch gegen den Willen der Kanzlerin durchsetzen. Doch Merz lehnte ab. Das ist zwar nicht bestätigt, doch es würde zu dem Bild eines Mannes passen, der jetzt alles oder nichts will.
Mann ohne Bündnis
Merz wirkt ein wenig wie schon im Herbst 2018, als er auch ohne Absicherung oder Rückhalt der Parteispitze antrat. Eine Kandidatur auf eigene Verantwortung, ohne Bündnis und ohne Rückhalt in den obersten Gremien. Immer wieder wird Merz von den Journalisten an diesem Vormittag gefragt, ob er sich nicht doch vorstellen könnte, ins Kabinett einzutreten. Merz weicht aus, laviert, und wiederholt mehrmals einen Satz: "Ich spiele auf Sieg und nicht auf Platz."
Doch wie groß ist der Wille nach einem Kurswechsel in der CDU? Der neue Parteichef wird im April von den 1.001 Delegierten der Partei gewählt, nicht von der Basis. Doch die Delegierten lassen sich natürlich auch von der Basis lenken – und von der Stimmung in der Bevölkerung. In der Bundestagsfraktion rumort es bereits: Noch während der Auftritte von Merz und Spahn und Laschet wird deutlich, dass dort die Meinungen auseinander gehen. Die einen halten Merz für "brillant", die anderen sehen "Laschet und Spahn in der Favoritenrolle".
Röttgens Frau
Mitbewerber Norbert Röttgen, der wohl eher Außenseiter-Chancen hat, twitterte ausgerechnet während der laufenden Bundespressekonferenz, er wolle jetzt mit einer Frau antreten. Der Wettbewerb wird auch ein Kampf um die Aufmerksamkeit. Als Laschet auf ihn angesprochen wird, sagt er fast eingeschnappt: "Ich will jetzt nicht über Norbert Röttgen sprechen."
Im Kern geht es jetzt um die Frage, wer mehr zum Staatsmann taugt: Friedrich Merz oder Armin Laschet. Wem die Delegierten eher zutrauen, mit Trump und Putin auf Augenhöhe zu verhandeln, die drohende Rezession der Wirtschaft in Deutschland abzuwenden und künftig eine angemessene Sozialpolitik zu machen, Wähler von den Grünen zurückzuholen und von der AfD. Für den letzten Aspekt müsste Merz ein wenig nach links rücken, Laschet eher nach rechts. Jens Spahn wird als Verbündeter allein nicht reichen, um konservative Wählerschichten zu umgarnen.
Der Druck wächst, sowohl auf die Kandidaten, als auch auf die Partei. Die CDU steckt in einer gewaltigen Krise, vergleichbar mit der Spendenaffäre vor 20 Jahren. Der Thüringer Landesverband irrt auf Abwegen, nähert sich mal der Linkspartei, mal der AfD an. Zugleich sinkt die Zustimmung in den Umfragen. Was eigentlich der Markenkern der CDU ist, können immer weniger Menschen sagen. Die letzte Volkspartei ist gefährlich ins Wanken geraten.
Nun sag, wie hast du's mit Merkel?
Laschet und Spahn stehen, ob sie wollen oder nicht, für eine grundsätzliche Fortsetzung der Ära Merkel. Es gäbe keinen Bruch mit ihrer Politik. Laschet steht für Pragmatismus, für eine Politik der ruhigen Hand, die CDU fest in der Mitte, mit möglicherweise leicht sozialdemokratischer Färbung.
Merz macht das Gegenangebot: Er steht für ein klar konservatives Profil, einen Bruch mit Merkel, die er mehrfach indirekt kritisierte. Die irrlichternde CDU will er wieder deutlich nach rechts rücken, die CDU würde der CSU wohl ähnlicher als der SPD.
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Apropos Kanzlerin: Angela Merkel lässt gegenwärtig nicht erkennen, dass sie auch nur daran denkt, vor Ablauf der Legislaturperiode abzutreten. Vom 1. Juli an wird sie den Ratsvorsitz in der EU übernehmen, und natürlich wird auch der neue Parteichef in ihrem Schatten stehen, so wie zuvor Annegret Kramp-Karrenbauer.
Der Erzrivale der Kanzlerin
Am wenigsten zu befürchten hat die Kanzlerin von Armin Laschet. Die Bundesregierung sei gewählt bis zum September 2021, erklärt er, und kündigt an, Ministerpräsident Nordrhein-Westfalens zu bleiben. Damit ist auch klar: Merkel könnte in Ruhe zu Ende regieren, Laschet würde wohl auch kein Bundesministerium übernehmen, die große Koalition bliebe bestehen. Die Kanzlerin dürfte alles dafür tun, Laschet zu unterstützen und zu stärken – und ihren Erzrivalen Merz zu verhindern.
Der könnte ihr noch gefährlich werden. Sollte Merz tatsächlich neuer Vorsitzender werden, könnten die Tage von Merkel im Kanzleramt gezählt sein. Merz machte aus seiner Ablehnung Merkels nie einen Hehl. Zwar betont er, dass die Legislatur noch bis 2021 gehe, doch es gehe um "Sachthemen", bei denen man zusammenarbeiten wolle, sagt Merz kühl. Dermaßen deutliche, entspannte Signale wie Laschet sendet er in Richtung Merkel nicht aus.
Wie das praktisch aussehen könnte, macht Merz am Beispiel Thüringen deutlich: Dort wählte die CDU mit der AfD einen FDP-Ministerpräsidenten, dann schaltete sich die Kanzlerin von einer Auslandsreise in Afrika ein und verurteilte dieses Wahl scharf, um die große Koalition nicht zu gefährden. So etwas müsse künftig vom Parteichef und nicht von der Kanzlerin geklärt werden, ließ Merz die Hauptstadtpresse wissen. Mit fester Stimme erklärt er dann, die Aufgabenverteilung werde mit ihm an der Spitze "deutlicher und klarer".
Neuerdings ist das ein typischer Merz-Satz. Keine extrem scharfen Worte und trotzdem: Eindeutiger hätte er seinen Machtanspruch kaum formulieren können.
- Eigene Beobachtungen und Recherchen in der Bundespressekonferenz