Streit um Koalitionsvertrag Das sagt Kanzlerin Merkel zur neuen SPD-Führung
Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans bilden die neue SPD-Spitze. Und wollen den Koalitionsvertrag neu verhandeln, was die Union vehement ablehnt. Die Kanzlerin zeigt sich gesprächsbereit.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zeigt sich offen für Gespräche mit der künftigen SPD-Spitze, lehnt aber ein Neuverhandeln des Koalitionsvertrags ab. Die Kanzlerin sei grundsätzlich zur Zusammenarbeit und zum Gespräch bereit, "wie es in einer Koalition üblich ist", sagte Regierungssprecher Steffen Seibert. Und wenn Einigkeit innerhalb der Koalition über etwas hergestellt werden könne, "dann können auch neue Vorhaben in Angriff genommen werden". Zugleich betonte Seibert: "Eine Neuverhandlung des Koalitionsvertrags steht nicht an."
CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer wies den Wunsch nach Neuverhandlungen des Koalitionsvertrags vehement zurück: "Wir sind keine Therapieeinrichtung für die jeweiligen Koalitionsregierungsparteien", sagte sie am Montag im "ZDF-Morgenmagazin". Der Koalitionsvertrag sei die "Grundlage, auf der wir arbeiten" und gelte für die gesamte Legislaturperiode. "Darauf konzentrieren wir uns und nicht auf Befindlichkeiten des einen oder anderen Koalitionspartners."
Söder hält ebenfalls am Koalitionsvertrag fest
Bei CDU und CSU habe es auch bereits Wechsel an der Führungsspitze gegeben, ohne dass die Koalition daraufhin infrage gestellt worden sei, sagte die Bundesverteidigungsministerin. Ein Führungswechsel sei kein Grund, um die Koalition neu zu verhandeln. Die neue Spitze der SPD müsse sich nun klar positionieren: Sie müsse entscheiden, "ob sie in dieser Koalition bleiben will oder nicht".
Auch CSU-Chef Markus Söder lehnt Nachverhandlungen ab: "Bloß weil ein Parteivorsitzender wechselt, verhandelt man keinen Koalitionsvertrag neu", sagte der bayerische Ministerpräsident am Sonntagabend im ZDF-"heute journal". Schon gar nicht würden Forderungen diskutiert, "die rein ideologisch motiviert sind und die dazu dienen, einen Wahlkampf abzufedern".
SPD will mehr Klimaschutz und Soziales
Bei der Mitgliederbefragung der SPD-Basis zur künftigen Parteispitze hatten sich überraschend Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans gegen ihre Mitbewerber Klara Geywitz und Olaf Scholz durchgesetzt. Beide sind Kritiker der großen Koalition. Zu ihren Forderungen zählen mehr Klimaschutz, eine massive Ausweitung der Investitionen in Schulen und Straßen und mehr Soziales. Am Sonntagabend sagten sie allerdings auch, sie wollten ihrer Partei keinen sofortigen Ausstieg aus der Groko empfehlen.
Juso-Chef Kevin Kühnert hatte darauf hingewiesen, dass der Koalitionsvertrag Wege für Nachverhandlungen eröffne und es auch aus Reihen der Union eine Reihe von Forderungen gebe, etwa nach Unternehmensteuerreformen, der Komplettabschaffung des Solidaritätszuschlages oder mehr Auslandseinsätzen der Bundeswehr.
Koalitionsvertrag sieht Bestandsaufnahme vor
Tatsächlich heißt es im Koalitionsvertrag: "Zur Mitte der Legislaturperiode wird eine Bestandsaufnahme des Koalitionsvertrages erfolgen, inwieweit dessen Bestimmungen umgesetzt wurden oder aufgrund aktueller Entwicklungen neue Vorhaben vereinbart werden müssen."
Die kommissarische SPD-Chefin Malu Dreyer rief nach dem Überraschungssieg von Esken und Walter-Borjans zur Beruhigung auf. "Man kann jetzt nicht so tun, als würde bei uns das Chaos ausbrechen. Es tut es nämlich nicht", sagte Dreyer ebenfalls im "ZDF-Morgenmagazin". "Ich glaube, wir sollten etwas runterkochen und wir sollten einfach zur Kenntnis nehmen, die Partei hat eine neue Führung gewählt, das ist der Punkt. Und natürlich wird sie auch ihre Akzente setzen bei der Frage, wie geht es weiter mit der großen Koalition, aber darüber werden wir in ein paar Tagen diskutieren auf dem Parteitag."
SPD-Parteitag muss Esken und Walter-Borjans bestätigen
Der Vorsitzende des konservativen Seeheimer Kreises der SPD, Johannes Kahrs, sprach sich für einen Verbleib in der Regierungskoalition aus. Er könne sich nicht vorstellen, dass die SPD Erfolge wie die Einführung einer Grundrente aufs Spiel setzen wolle, sagte Kahrs im Deutschlandfunk. Die SPD müsse sich darauf einstellen, dass die Union im Fall von Änderungen des Koalitionsvertrags Gegenforderungen stellen werde. Dann müssten Kompromisse gefunden werden.
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Der Parteitag von Freitag bis Sonntag in Berlin soll Walter-Borjans und Esken formal ins Amt heben und die weiteren Mitglieder der Parteispitze wählen. Der weitere Umgang mit der Groko wird ein zentrales Thema des Delegiertentreffens sein.
- Nachrichtenagenturen AFP, dpa