Gerhard Schröder feiert 75. Geburtstag "Das ist ein Spruch für die Geschichtsbücher"
Seine Partei hat er zwei Mal in die Regierung geführt – und immer wieder heftig provoziert. Nun feiert Gerhard Schröder Geburtstag. Was steckt hinter den flapsigen Sprüchen? Ein alter Weggefährte packt aus.
Um starke Worte ist Gerhard Schröder auch heute nicht verlegen. "Traurig" mache es ihn, dass die SPD nicht erkannt habe, dass man wirtschaftliche Kompetenz ausstrahlen müsse, sagte er kürzlich in Berlin. Für die aktuelle SPD-Spitze sind solche Kommentare des Alt-Bundeskanzlers nichts Ungewohntes. Nicht einmal SPD-Chefin Andrea Nahles selbst würde von sich behaupten, sie habe ökonomische Kompetenz, hatte der frühere Parteichef ihr zuvor in einem Interview ins Stammbuch geschrieben. Provokationen und Pointen, schillerndes Auftreten und Volksnähe, politische Leidenschaft und Lebenslust prägen Schröders Bild auch 14 Jahre nach der Amtsübergabe an Kanzlerin Angela Merkel. An diesem Sonntag wird Schröder 75.
Legendär sind nicht nur seine flapsigen Sprüche – ob der Kanzler bei einer Autogrammstunde "Hol mir mal 'ne Flasche Bier, sonst streik' ich hier" forderte oder die Zuständigkeit des Ministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend nach der gewonnenen Bundestagswahl 1998 mit "Familie und das ganze Gedöns" umschrieb.
"Spruch für die Geschichtsbücher"
"Er hat das nicht böse gemeint", erinnert sich sein langjähriger politischer Weggefährte Franz Müntefering. "Er hatte einfach den Titel nicht parat", erzählt der damalige Bauminister in Schröders Kabinett. In der SPD-Fraktion sei das gewesen, an die große Glocke habe der Ausspruch eigentlich nicht gehört. "Ich war dabei und wusste sofort, das ist jetzt ein Spruch für die Geschichtsbücher." Wenig zu tun gehabt habe das freilich mit Schröders tatsächlicher Politik.
Denn unter Schröder seien SPD und Grüne mit einer großen Bereitschaft zur Modernisierung in die Regierung gestartet – "was Ganztagsschulen, Kitas, Gleichberechtigung für Männer und Frauen, was die Anerkennung von Vielfalt insgesamt angeht", wie Müntefering sagt. "Das war dann gar nicht mehr aufzuhalten." Nicht zufällig habe Schröder als erster Kanzler eine Regierungserklärung zur Familie und ihren Themen gehalten. "Er war da aktiv." Unter anderem habe es so 2002 noch einmal für Rot-Grün gereicht.
Tatsächlich sind Schröders Kanzlerjahre als Reformphase nach 16 Jahren Kanzlerschaft Helmut Kohls in die Nachkriegsgeschichte eingegangen. Auch wenn sich Schröder und die SPD deshalb bis heute heftig aneinander reiben. Denn vor allem die Agenda 2010 brach den Arbeitsmarkt auf, wirkte nach – und machte die SPD zur Dauerzielscheibe der von Ex-SPD-Chef Oskar Lafontaine mitbegründeten Linken. Nach Jahren des Haderns mit den Hartz-Reformen schlagen die Sozialdemokraten seit Anfang dieses Jahres einen sozialpolitischen Korrekturkurs ein.
Schröders Verhältnis zu seiner Mutter
Ob als langjähriger Freund des russischen Präsidenten Wladimir Putin oder als Aufsichtsratschef des russischen Energiekonzerns Rosneft – Schröder lässt keinen Zweifel daran, dass er zu seinen umstrittenen Positionen und Haltungen steht. Als er bei einer Berliner Veranstaltung kürzlich betonte, Russland sei als Markt und in der Außenpolitik wichtig für Deutschland, wollte der Gas-Lobbyist und Altkanzler hinterher genau wissen, ob seine Worte in die weitere Öffentlichkeit transportiert wurden.
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Wer Schröder mit all seinem Selbstbewusstsein verstehen will, muss in die frühen Tage zurückblicken. "Gerhard Schröder hat immer gesagt: Ich bin in der letzten Hütte im Unterdorf groß geworden, unter schwierigen Bedingungen aufgewachsen", erzählt Müntefering. Nach seiner Lehre habe Schröder sich über den zweiten Bildungsweg hochgearbeitet.
"Bei all seinen manchmal flapsigen Reden und Sprüchen hat mich immer sein Verhältnis zu seiner Mutter mit ihm versöhnt", sagt der damalige Mitgestalter des Regierungs- und Parteikurses. "Er nannte sie Löwe und hat oft erzählt, dass sie der Familie mit Putzen das Leben gesichert hat." Liebevoll habe Schröder das stets beschrieben, freundlich. Das alles habe ihn jedenfalls geprägt. "Er konnte auch seine Ellenbogen ausfahren, hat gelernt, dass man kämpfen muss."
Glamour umweht den Altkanzler
Auch zur Schau gestellter Luxus gehörte für Schröder dazu. Müntefering sagt allerdings: "Ich war froh, als nach seinem Amtsantritt als Bundeskanzler seine erste Phase mit Brioni und Zigarren vorbei war."
Glamour umweht Schröder auch heute, etwa als er sich beim diesjährigen Wiener Opernball mit seiner Frau Soyeon Kim glücklich lächelnd auf der Tanzfläche wiegte. Es ist seine fünfte Ehe. Die Hochzeitsparty hatte Schröder im Oktober in großem Stil im Berliner Hotel "Adlon" steigen lassen.
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Auch seinen Geburtstag will Schröder nicht daheim in Hannover feiern – sondern nach einem Abstecher zum Festakt anlässlich der Eröffnung des Bauhaus-Museums in Weimar mit seiner Frau dort in der Nähe, entspannt im Urlaub.
- Nachrichtenagentur dpa