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"Unteilbar"-Demo in Berlin – Hört hin, was die Menschen euch heute sagen


Meinung
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"Unteilbar"-Demo in Berlin
Hört hin, was die Menschen euch heute sagen

MeinungEin Kommentar von Gerhard Spörl

Aktualisiert am 13.10.2018Lesedauer: 5 Min.
"Wohn-Wahnsinn": Protest gegen steigende Mieten im September in München.Vergrößern des Bildes
"Wohn-Wahnsinn": Protest gegen steigende Mieten im September in München. (Quelle: Ralph Peters/imago-images-bilder)
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Wie umgehen mit der Rechten? In Cottbus reden sie öffentlich miteinander darüber, was los ist in der Stadt. Im Bundestag brüllt schon mal jemand Faschismus und denkt, damit ist alles gesagt. Ist es?

Vorgestern habe ich mir eine Diskussion in Cottbus angehört, bei der es noch einmal um die Vorfälle Anfang des Jahres ging, als junge Flüchtlinge Einheimische mit Messern angegriffen hatten. Ein paar Tage gehörte die Stadt der AfD und der "Zukunft Heimat" und den Hooligans. In Cottbus fing an, was sich in Chemnitz und Köthen fortsetzte.

Der rbb organisierte den Abend. Viele waren da, ein Arzt, der die "Zukunft Heimat" vertrat und ihre radikale Haltung mit Zitaten von Ernst Bloch rechtfertigte. Da war ich erstaunt, denn Bloch ist ein linker Philosoph gewesen, bestimmt kein Ahnherr der Rechten. Der CDU-Bürgermeister war da und erzählte, dass heute mehr Polizisten auf der Straße Streife gingen und ein Schulleiter sagte, in seiner Schule mit hohem Migrantenanteil hätten sie jetzt mehr Sozialarbeiter und weniger Probleme. Die Fraktionsvorsitzende der AfD saß im Publikum und erzählte laut und froh, welch wertvolle Sacharbeit sie in der Stadtversammlung leistet.

Sie redeten miteinander, sogar einigermaßen zivilisiert. Der Arzt machte die Flüchtlinge für alles verantwortlich, vor allem für die unverhältnismäßig hohe Kriminalität und den vermeintlichen Kontrollverlust des Staates. Der Staatssekretär aus der brandenburgischen Staatskanzlei hielt aggressiv dagegen und ein Wissenschaftler aus Dortmund sagte, Integration setze Sprachkenntnis voraus und finde in der Arbeitswelt statt.

Vieles war richtig, die Meinungen im Publikum blieben geteilt. Egal. Reden ist gut. Besser als schweigen.

Wer nicht redet, hat Unrecht

Zwei Parteien fehlten an diesem Abend: SPD und Grüne. Die beiden eingeladenen Chefs der Stadtratsfraktionen hatten wortreich abgesagt, weil auf dem Podium auch die "Zukunft Heimat" saß und im Publikum die AfD-Vorsitzende. Der Sozialdemokrat schrieb einen ellenlangen offenen Brief, der sich möglichst selbstbewusst und staatstragend lesen sollte. Las sich nicht so. Zu lang, zu viele Worte, zu viel triefendes Moralisieren.

Wer nicht redet, hat Unrecht. Vielleicht wünschen sich die beiden die AfD weg, was ich verstehen kann, aber die AfD ist da, sie ist stark und das Wortgeklingel der SPD und der Grünen ist nur eines: hilflos, albern und sogar undemokratisch.

Interessant finde ich, dass ausgerechnet die SPD am schwersten zu einer überzeugenden Haltung gegenüber der neuen deutschen Rechten findet, in Cottbus wie in Berlin. Ich habe mir nochmal die Rede von Martin Schulz im Bundestag angehört, seinen Wutausbruch nach einer Rede von Alexander Gauland. Gauland hatte die Demonstranten in Chemnitz und Köthen provokativ verteidigt, worüber man sich ärgern konnte. Außerdem hatte er gesagt, die Rechtsextremen seien eine Minderheit und die Hitlergrüße widerlich gewesen. Dagegen kann man weniger sagen. Eigentlich.

Brüllen hilft nicht weiter

Schulz nahm es dennoch übel. Mit überschlagender Stimme sagt er, die AfD gehöre auf den Misthaufen der Geschichte. Er bekam rasenden Beifall von seinen Fraktionsfreunden, er hatte es ihm gegeben, er hatte ihn klein geschrieen, er hatte ihnen aus dem Herzen gesprochen, vor allem, als er AfD und Faschismus in einem Atemzug nannte.

Reden ist gut. Brüllen selten oder nie.

Entweder Sozialdemokraten reden über die AfD und sagen: Faschismus, oder sie wüten gegen sie und schreien: Faschismus. Schon seltsam, die einen wünschen sich die AfD weg, die AfD wünscht sich die Flüchtlinge weg. Aber beide sind da, in Cottbus wie in Köthen wie in Chemnitz wie in Berlin.

Die AfD geht hoch und die SPD geht runter. Für Cottbus machte der rbb eine Umfrage: Die AfD liegt bei 30 Prozent, dreimal mehr als bei der letzten Wahl. Alle anderen Parteien verlieren. Woraus man schließen kann, dass es einen gewissen Zusammenhang gibt. Versprengte Wähler der SPD haben eine Heimstatt bei der AfD gefunden, genauso wie Christdemokraten und Liberale und Linke, denn irgendwoher müssen die Wähler der AfD ja kommen. Das ist Fleisch von ihrem Fleisch. Das sind ihre Leute, die fahnenflüchtig geworden sind.

Sind das jetzt alles Faschisten? Hatten die SPD und die anderen also Faschisten in ihren eigenen Reihen und merken es erst jetzt? Oder sollte Martin Schulz vielleicht mal kurz nachdenken, bevor er seinem Bedürfnis nach billigem Beifall nachkommt?

Die Ausfälle beim Namen nennen

Die AfD hat auch faschistische Züge, das ja, aber mit dem herausgebrüllten Wort Faschismus ist nichts erklärt und nichts geklärt.

Faschistisch ist es, wenn AfD-Leute Kinder und Eltern dazu auffordern, missliebige Lehrer zu melden, damit sie gegen sie vorgehen können. Es ist faschistisch, wenn im Netz Listen mit den Namen von Journalisten kursieren, die einen jüdischen Hintergrund haben. Das ist widerlich und bösartig und totalitär, aber dafür gibt es Staatsanwälte, die man anrufen kann.

Wer Faschismus sagt, soll gefälligst konkret werden.

Die SPD redet über die AfD wie die CDU/CSU vor vierzig Jahren über die Grünen geredet hat: wütend, empört, geifernd, hilflos. Es dauerte nicht lange und dann regierte Rot-Grün gemeinsam, zuallererst in Hessen und von dort aus ringförmig sich ausdehnend und dann auch noch im Bund.

Die SPD wird nicht in Wiederholungszwang geraten, dazu sackt sie zu tief ab, weil ihr nichts einfällt, nicht einmal der Ausstieg aus der Koalition in Berlin, die ihr den Garaus macht. Nein, diesmal ist die CDU an der Reihe und es ist nur eine Frage der Zeit, wann sie die erste Koalition in einem Bundesland mit der AfD bilden wird.

Die AfD hat ein Narrativ

Was die Grünen damals besaßen, besitzt die AfD heute in Cottbus wie anderswo: ein Narrativ, eine Erzählung darüber, was im Land los ist, wann das Unheil angefangen hat, wer schuld daran ist und was dagegen getan werden muss.

Das kann man Populismus nennen, aber das ist kein lästerliches Wort, es ist nichts Schwefelhaltiges, sondern ein historisch gewachsener Begriff, der bestimmte Elemente umfasst: Verachtung der Eliten in Politik, Kultur und Medien, Antikapitalismus (vor allem gegen die Banken), Hochschätzung des Kleinen, Vertrauten, Lokalen, der Heimat (nicht zufällig heißt das Bürgerbündnis in Cottbus "Zukunft Heimat"), die radikale Umkehr, das Lob auf den Nationalstaat und der Hass auf den Kosmopolitismus, die Hauptstadt und heute kommt noch Brüssel dazu.

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Was tun? Miteinander reden wie in Cottbus, das ist ein befriedender Anfang. Handeln und unsere Werte verteidigen. Eine große Erzählung formen.


Es lohnt sich für unsere Politiker, heute hinzuhören, wenn die Bürger in vielen Städten auf die Straße gehen und für die liberale Demokratie demonstrieren. Damit könnte ein Narrativ anfangen: Uns geht es gut, das Land ist ökonomisch in schönster Ordnung, wir haben Probleme, die wir unterschätzt haben, wohl wahr, aber wir kriegen das hin. Das braucht Zeit, auch die Integration der Fremden braucht Zeit. Habt Vertrauen in uns, eure Politiker, wir haben verstanden, dass wir uns anders verhalten sollen, und schenkt nicht denen euer Vertrauen, die das Land spalten und Hass säen.

Hört hin, was sie euch sagen, bei der "Unteilbar"-Demo heute in Berlin. Und wiederholt es, immer wieder.

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