Kipping setzt sich durch Linke fordern "offene Grenzen" für Flüchtlinge
Im innerparteilichen Flüchtlingsstreit hat sich Linke-Chefin Kipping gegen ihre Rivalin Sahra Wagenknecht durchgesetzt. Beim Parteitag muss die Vorsitzende dennoch einen Dämpfer einstecken.
Die Linkspartei fordert offene Grenzen zur Aufnahme von Flüchtlingen. Die rund 580 Parteitagsdelegierten verabschiedeten am Samstag in Leipzig bei nur vereinzelten Gegenstimmen einen von den Parteivorsitzenden Katja Kipping und Bernd Riexinger vorgelegten Leitantrag, in dem "legale Fluchtwege", "offene Grenzen" und die Aufnahme von Geflüchteten verlangt werden.
Kipping wertete den Beschluss als Entscheidung im Streit mit der Fraktionsvorsitzenden Sahra Wagenknecht, die eine Begrenzung der Aufnahme von Armutsflüchtlingen gefordert hatte. Zugleich rief sie die Partei zur Geschlossenheit auf. Kipping forderte von Wagenknecht und ihrem Mann, Ex-Parteichef Oskar Lafontaine, die Beschlüsse zur Flüchtlingspolitik zu akzeptieren.
Am Nachmittag bestätigten die Delegierten Kipping und Riexinger im Amt. Allerdings mussten beide Dämpfer hinnehmen. Vor allem Kipping wurde mit einem Ergebnis von 64,5 Prozent empfindlich abgestraft. Für Riexinger stimmten 73,8 Prozent. Die beiden stehen seit 2012 an der Spitze der Partei.
Auch die Wahl des neuen Bundesgeschäftsführers verlief turbulent. Der Wunschkandidat der Parteispitze erhielt lediglich 48,36 Prozent und lag damit nur drei Stimmen vor seinem Gegenkandidaten. Schindler setzte sich in einer Stichwahl gegen den früheren Bundestagsabgeordneten Frank Tempel durch, für den 47,81 Prozent der Delegierten stimmten.
"Weder Rassisten noch Neoliberale"
Seit Monaten streiten die Linken, ob Deutschland generell oder nur bedingt offen für Flüchtlinge und andere Migranten sein soll. Kipping sagte mit Blick auf Wagenknecht und sich selbst: "Dieses Ringen um Strategien wurde oft als Konflikt zwischen zwei Frauen dargestellt." Sie beteuerte: "Hier muss sich niemand für oder gegen eine Seite entscheiden, denn wir sind alle Teil der Linken, und das ist gut so."
Kipping trat indirekten Vorwürfen von Delegierten entgegen, sie und Parteichef Bernd Riexinger stellten ihre Kontrahentin in die rechte Ecke. Sie sagte: "In unserer Partei, da gibt es weder Rassisten noch Neoliberale." Nötig sei eine Klärung. "Ich rufe uns alle danach auf, diese Klärung zu akzeptieren."
An die Adresse Lafontaines sagte Kipping: "Nach diesem Parteitag muss doch Schluss damit sein, dass die demokratische Beschlusslage zur Flüchtlingspolitik dieser Partei beständig öffentlich infrage gestellt wird."
Konflikte dürften anhalten
Dass die Konflikte nun enden, erwarten Beobachter aber nicht. Das liegt daran, dass es nicht nur um Inhalte, sondern auch um persönliche Animositäten und Einfluss geht. Wagenknecht hatte zuvor bereits gesagt, dass sie mit der erwarteten Annahme der Vorstandsformulierung zum Flüchtlingskurs gar kein Problem habe.
"Ich begrüße es ja, dass die Vorsitzenden nicht versuchen, den Parteitag auf offene Grenzen für alle zu verpflichten", sagte sie am Freitagabend. Sie sei für offene Grenzen für Menschen, die Recht auf Asyl haben. Weltfremd sei es aber, dass alle kommen könnten, die dies wollten.
Kipping schwor die Partei auf den gemeinsamen Kampf gegen Rechts und einen Wachstumskurs gerade auch bei jungen Menschen ein. "Wir können über uns hinauswachsen." Heftig teilte sie gegen Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) und CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt aus. "Wir sind das Kontrastprogramm zur autoritären Rechten, wir sind das Kontrastprogramm zu Typen wie Jens Spahn, wie Dobrindt, wir sind das Kostrastprogramm zur AfD."
Das Autoritäre habe Aufwind, so Kipping. "Das Treten nach unten ist alltäglich geworden." Flüchtlinge würden vor allem als Problem dargestellt. Grenzen verliefen aber nicht zwischen Deutschen und Nicht-Deutschen, sondern zwischen unten und oben.
"Liste Sahra Wagenknecht" hätte Chancen
Ärger löste parteiintern auch Wagenknechts Ankündigung aus, im Herbst eine linke Sammlungsbewegung zu starten. Zur Wahl stellen soll sich diese Bewegung aber nicht. Laut einer Umfrage im Auftrag der "Bild"-Zeitung hätte ein politisches Projekt von Wagenknecht allerdings gute Aussichten bei den Wählern.
Jeder vierte Befragte könnte sich vorstellen, bei Wahlen eine "Liste Sahra Wagenknecht" zu wählen, wie die Zeitung die Umfrage des Instituts INSA zitierte. Bei den Linke-Wählern sind es 78 Prozent.
- dpa