Ende der Ära Merkel Drei Szenarien für einen Machtwechsel
Im Schatten der SPD-Wirren wird in der CDU hinter vorgehaltener Hand über einen möglichen Wechsel an der Parteispitze diskutiert. Drei Szenarien für das Ende der Ära Angela Merkel.
Der Parlamentskreis Mittelstand der Union gehörte noch nie zu den Fan-Clubs von Bundeskanzlerin Angela Merkel. Von der Euro-Rettungspolitik, über Kompromisse in den Koalitionen mit der SPD bis zur Flüchtlingskrise grummelt man auf dem Wirtschaftsflügel seit Jahren, dass die CDU-Vorsitzende die falsche Politik betreibe oder zumindest zulasse. Folgen hatte dies nie. Aber jetzt wittern die unionsinternen Kritiker die Möglichkeit, ein Ende der Kanzlerin einzuleiten.
Kommt bei Halbzeit der Groko das Aus für Merkel?
Beflügelt wird dies durch einen Passus im Sondierungspapier von CDU, CSU und SPD, das ausgerechnet SPD-Chef Martin Schulz in den letzten Absatz hineinverhandelt hat. Darin wird Mitte der Legislaturperiode eine "Bestandsaufnahme des Koalitionsvertrags" angestrebt. "Ein guter Zeitpunkt für Merkel, dann auch abzutreten", freute sich ein Unions-Bundestagsabgeordneter unlängst, der namentlich nicht erwähnt werden wollte.
Denn derzeit will sich die Union keine offene Feldschlacht über die Personalie der Kanzlerin liefern. Das Augenmerk liegt ganz auf der SPD und der Frage, ob sich die Sozialdemokraten durchringen können, eine neue große Koalition mit der Union zu bilden.
Aber der Abgeordnete ist nicht alleine: Wie schon 2013 wird derzeit in der Union über Merkel und deren Zukunft nach bisher zwölf Jahren Amtszeit diskutiert. Und anders als 2013 wird vor und hinter den Kulissen immer offener eine Erneuerung der CDU gefordert. Ein Grund liegt darin, dass die Union bei der Bundestagswahl nur 32,9 statt 41,5 Prozent 2013 eingefahren hat. Und der Druck wächst weiter, seit die Schwesterpartei CSU einen Wachwechsel eingeleitet hat.
Hat die CDU frische Gesichter?
"Wir müssen jetzt darüber sprechen, wie sich die Union erneuern kann", forderte auch der Vorsitzende der Jungen Union, Paul Ziemiak, am Mittwoch im Reuters-Interview. Allerdings: Wie schon Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther, einer der Hoffnungsträger der CDU, denkt Ziemiak dabei an frische Gesichter hinter Merkel – also vor allem neue Politiker in Fraktion und Kabinett.
"Sie ist die unbestrittene Kanzlerin und Parteivorsitzende", betont der Chef der Jugendorganisation. Dennoch kreist die parteiinterne Debatte sehr wohl auch um einen zumindest freiwilligen Rückzug Merkels in den kommenden Jahren. Eine fünfte Kanzler-Kandidatur der 63-Jährigen 2021 wird zwar nicht völlig ausgeschlossen, aber von den meisten für sehr unwahrscheinlich gehalten. Diskutiert werden deshalb verschiedene Varianten.
Einige CSU- und konservative CDU-Politiker hoffen, dass Merkel bei eventuellen vorgezogenen Neuwahlen nicht mehr antreten könnte. Dagegen sprechen nicht nur nach wie vor gute Umfragewerte – auch wenn ein wachsender Teil der Wähler offensichtlich davon ausgeht, dass die Ära Merkel vor 2021 zu Ende gehen dürfte.
Merkel selbst hat betont, dass sie für volle vier Jahre zur Verfügung stehe. Denjenigen in SPD und FDP, die auf einen Abgang ihrer Angstgegnerin im Falle von Neuwahlen setzten, hatte sie bereits am Tag nach dem Jamaika-Scheitern den Wind aus den Segeln genommen: Da kündigte die CDU-Chefin selbstbewusst an, bei Neuwahlen erneut für die Union anzutreten. "Angesichts ihrer immer noch hohen persönlichen Zustimmungswerte dürfte ihr dies auch niemand nehmen", meint ein hoher CDU-Politiker – Grummeln hin oder her.
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Vorbild Niedersachsen?
Die zweite diskutierte Variante bezieht sich auf die Revisionsklausel einer großen Koalition 2020: Sollte sich Merkel dann zurückziehen, so die Hoffnung ihrer Kritiker, hätte die Union ein Jahr Zeit bis zur nächsten Bundestagswahl, damit sich ein neuer Kanzlerkandidat oder eine Kanzlerkandidatin profilieren kann.
Was dagegen spricht: Die SPD müsste sich bereit erklären, einen anderen Unions-Regierungschef im Bundestag zu wählen und nicht die Koalition platzen zu lassen. Aber warum sollte sie dies tun, fragen Merkel-Anhänger in der CDU. Wahrscheinlicher wären dann rasche Neuwahlen, gerade um der Union diese Profilierungsmöglichkeit zu nehmen.
Ein anderes Szenario geht davon aus, dass Merkel 2020 zunächst den Parteivorsitz abgeben könnte. Dann könnte die CDU den Nachfolger oder die Nachfolgerin ins Rampenlicht stellen – ohne dass die SPD mitsprechen könnte. Vorbild wäre hier Niedersachsen und der schrittweise Übergang von Christian Wulff auf David McAllister.
Die Crux dieser Überlegung: Merkel selbst hat betont, dass für sie Parteivorsitz und Kanzlerschaft in einer Hand sein müssten. Denn ohne Kontrolle der Partei sei ein Regierungschef relativ machtlos. Zudem gibt es in der CDU immer noch keine Person, die als "natürliche" Nachfolgerin Merkels gesehen wird. Das Risiko eines solchen geplanten Übergangs wären also Diadochenkämpfe führender CDU-Politiker.
Ist Merkels Machtverlust schon spürbar?
Ihre Kritiker argumentieren dagegen, dass der Machtverlust Merkels in der Partei längst spürbar sei. Als jüngstes Beispiel verweisen sie auf die Besetzung des Chefpostens der Konrad-Adenauer-Stiftung. Kurz nach der Nominierung der Merkel-Vertrauten Annette Schavan setzten ihre Gegner den früheren Bundestagspräsident Norbert Lammert durch.
Quelle:
- Reuters