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Angela Merkel und die CDU: Ihre Partei war ihr einigermaßen egal


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Eine fehlt immer
Merkels eiskalte Schulter

MeinungEine Kolumne von Christoph Schwennicke

Aktualisiert am 10.01.2024Lesedauer: 3 Min.
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Nicht mehr viel miteinander am Hut: Angela Merkel und Parteichef Friedrich Merz bei einer der raren gemeinsamen Veranstaltungen im Jahr 2022 (Quelle: imago-images-bilder)

Angela Merkel kappt eiskalt alle Leinen zur CDU. Das Band war nie sehr eng, die Partei ist ihr seit jeher einigermaßen egal. Und jetzt? Unser Kolumnist hat einen Vorschlag, wie die CDU mit Merkels kalter Schulter umgehen sollte.

Neulich in Mitte an der Museumsinsel, auf dem Weg zum Weihnachtskonzert im Bodemuseum. Am Kupfergraben, gegenüber dem Pergamonmuseum, stand wieder der kleine Opel Corsa mit Polizeiaufschrift. Er dient den beiden Beamten, die mit eingezogenen Hälsen vor dem Hauseingang der Kälte trotzen, ab und zu als Wärmestube. Wenn die beiden Polizisten und der Corsa am Kupfergraben Schmiere stehen, kann man davon ausgehen: Dann ist auch sie da. Dann hält sich Angela Merkel irgendwo da oben im dritten Stock in ihrer Wohnung am Kupfergraben auf.

Ansonsten ist die Ex-Kanzlerin seit ihrem Abschied von der Macht eher weg als da. Sie erschien nicht zur privaten Trauerfeier und Beerdigung von Wolfgang Schäuble vergangenen Freitag in Offenburg. Sie lehnt praktisch jede Einladung ihrer Parteifreunde ab, kam zu keinem der Parteitage weder auf Bundes- noch auf Landesebene. Ein demonstratives Desinteresse, das inzwischen dazu geführt hat, dass es auch praktisch keine solchen Anfragen mehr gibt. Die Leute haben aufgegeben.

Norbert Lammerts vergebliches Bemühen

Zuletzt hat sich der frühere Bundestagspräsident Norbert Lammert und jetzige Vorsitzende der Konrad-Adenauer-Stiftung vergeblich darum bemüht, Merkel von einem Rückzug aus dem parteinahen renommierten Thinktank zu bewegen. Auch an der Stelle hat Merkel die Leinen zu jener Partei gekappt, mit der sie und durch die sie zur Bundeskanzlerin der Bundesrepublik Deutschland wurde.

Bedeutet hat ihr die Partei nie viel. Sie war ihr vielmehr ziemlich egal. Der Reporter und Merkel-Intimus Alexander Osang hat einmal treffend bemerkt, sie habe sich die CDU seinerzeit in der ausgehenden DDR als politische Heimat ausgesucht wie andere Leute eine Eissorte. Es hätte statt Schokolade auch gut Pistazie sein können. Aber die Grünen boten natürlich lange nicht die gleichen Machtoptionen wie die Partei des damaligen Wiedervereinigungskanzlers Helmut Kohl.

Seit jeher fremdelten Merkel und die CDU. Es war immer, als hielte man zwei gleiche Pole aneinander, die sich nur bis auf eine bestimmte Distanz annähern konnten. Als kleiner Junge haben mich im Lego-Kasten immer diese Magnete fasziniert, die sich bei gleicher Polung im letzten Moment auseinanderwitschten, wenn man sie mit etwas Kraftaufwand zusammenfügen wollte. Näher als diese beiden Plus- oder Minuspole sind sich Merkel und die CDU in Wahrheit auch nie gekommen.

Große Liebe war da nie. In keine Richtung

Es war ein Zweckbündnis, das machttechnisch eine Win-win-Situation sicherte. Die Regierungspartei CDU war mit ihr endlich wieder dort, wo sie in der Selbstwahrnehmung hingehört. Und sie war Kanzlerin. Man war quitt. Und aus Merkels Sicht sich nichts schuldig. Im Grunde könnte die CDU eines der vielen Fahrräder sein, die auch am Kupfergraben bei Merkels Wohnung im Schlamm am Grund der Spree stecken. Sie hat das Vehikel wie Sperrmüll weggeworfen, als sie es nicht mehr brauchte.

Ob das Land bei diesem Deal gut wegkam, ist allerdings die Frage. Selbst hartgesottene Merkel-Fans, die es gerade in meinem Beruf bis heute gibt, tun sich inzwischen schwer, ihren Lobpreis auf sie aufrechtzuerhalten. Die Probleme, in denen Deutschland heute steckt, haben viel mit dem Tun oder eben Nichtstun der Kanzlerin Angela Merkel zu tun. Die schnoddrig abgeschaffte Wehrpflicht, überhaupt eine recht liederlich behandelte Bundeswehr, eine Fortsetzung der fatalen Energieabhängigkeit von Russland, eine ausgebliebene Modernisierungs- und Innovationsoffensive, die Deutschland heute buchstäblich alt aussehen lässt. Ungesteuerte Migration kommt dazu. Sie hat den Duft der Macht genossen wie andere Leute ein Parfum. Besonders viel Produktives angefangen hat sie mit ihr nicht.

Hat Schäuble Deutschland mehr geprägt als Merkel?

Man muss dem gewitzten Norbert Lammert keinen Vorsatz unterstellen, aber es könnte schon sein, dass er in diesem Zusammenhang Angela Merkel gemeint hat, als er bei der Trauerrede auf Wolfgang Schäuble hintersinnig formulierte: "Im Unterschied zu einigen Kanzlern dieser Republik hat er die Nachkriegsgeschichte geprägt." Adenauer, Kohl und Brandt hat Lammert damit ganz sicher nicht gemeint, und auch Schmidt und Schröder wohl eher nicht. Dann bleiben nicht mehr viele.

Merkel hat in den mehr als zwei Jahren seit dem Ende ihrer Amtszeit klargemacht, was sie weiter mit der CDU verbindet. Und auch mit diesem Land. Beim Staatsakt für Wolfgang Schäuble wird sie gleichwohl dabei sein müssen, alles andere käme einem Affront gleich. Und dann kommen im Herbst ihre Memoiren auf den Markt, in denen sie ihr eigenes Urteil über ihre Amtszeit fällt.

Vielleicht steht es dann umgekehrt der CDU und auch dem ganzen Land ganz gut zu Gesicht, mit eben jener Leidenschaftslosigkeit und einem gewissen Desinteresse darauf zu reagieren wie Merkel ihrerseits jetzt auch.

Verwendete Quellen
  • FAZ: https://www.faz.net/aktuell/politik/inland/trauer-um-schaeuble-der-familie-sagte-er-noch-ciao-19429087.html
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