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Sonneberg: AfD-Landrat Sesselmann besteht "Demokratie-Check"


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Prüfung abgeschlossen
AfD-Landrat Sesselmann besteht den "Demokratie-Check"


Aktualisiert am 11.07.2023Lesedauer: 4 Min.
Robert Sesselmann: Nachdem dem AfD-Politiker die Partei-Oberen Björn Höcke und Tino Chrupalla schon zur Wahl zum Landrat in Sonneberg gratuliert hatten, ist jetzt klar, dass der AfD-Politiker das Amt auch ausführen darf.Vergrößern des Bildes
Robert Sesselmann: Nachdem dem AfD-Politiker die Partei-Oberen Björn Höcke und Tino Chrupalla schon zur Wahl zum Landrat in Sonneberg gratuliert haben, ist jetzt klar, dass der AfD-Politiker das Amt auch ausführen darf. (Quelle: Martin Schutt/dpa)

Die Rechtsaufsicht hat geprüft, ob Robert Sesselmann von der AfD tatsächlich Landrat von Sonneberg in Thüringen sein darf. Nach der Entscheidung geht es jetzt um weitere mögliche Fälle.

Der erste AfD-Landrat darf in Sonneberg im Amt bleiben. Das Landesverwaltungsamt Thüringen hat seine Überprüfung abgeschlossen und sieht keinen Anlass, gegen die Entscheidung des örtlichen Wahlausschusses vorzugehen. Robert Sesselmann gehört nach Darstellung des Amts nicht zu der Gruppe von Mitgliedern des AfD-Landesverbands Thüringen, die rechtsextremistische Bestrebungen verfolgen.

Sesselmann hatte im Landkreis Sonneberg am 25. Juni die Stichwahl mit 52,8 Prozent gegen einen CDU-Gegenkandidaten gewonnen. Nach der Wahl hatte das Landesverwaltungsamt eine Überprüfung eingeleitet, die landläufig als "Demokratie-Check" bezeichnet wird. Das Thüringer Kommunalwahlgesetz sieht eine Überprüfung dann vor, wenn es die Möglichkeit geben könnte, dass ein gewählter Beamter "nicht die Gewähr dafür bietet, jederzeit für die freiheitlich-demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes einzutreten".

Sonderfall Thüringen: AfD gilt als gesichert rechtsextrem

Und Thüringen ist das erste Bundesland, in dem Sesselmanns Partei, die AfD, vom Landesverfassungsschutz als gesichert rechtsextrem eingestuft wird. Danach hat das Thüringer Innenministerium im Juli 2021 die Landesbediensteten explizit auf entsprechende Einzelfallprüfungen bei möglichen Verstößen gegen die Pflicht zur Verfassungstreue hingewiesen.

Es ist aber das erste Mal, dass in dieser Form nach einer Wahl die Frage aufgetaucht ist, ob der Wahlsieger überhaupt für das Amt zugelassen werden kann. Jetzt wird bereits überlegt, ob und wie ein solches Dilemma in Zukunft verhindert werden kann. Denn beim aktuellen AfD-Höhenflug könnte schon bald der nächste Fall auftreten.

Dem Thüringer Landesverwaltungsamt zufolge ist bei Mitgliedern der Partei im Einzelfall zu prüfen, ob ein Kandidat für die Wählbarkeit geeignet ist. Das sei ein eigenständiges Verfahren, das erst dann einsetzt, wenn der Wahlausschuss seine Arbeit beendet hat. Herauskommen könne dann, dass faktisch die Entscheidung des Wahlausschusses korrigiert werden muss und der Kandidat nachträglich doch für nicht geeignet erklärt werden muss. Ob das geprüft werde oder nicht, sei keine Ermessensfrage, sondern vorgeschrieben.

Das sei die Rechtslage, sagte Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Die Linke) zu t-online. Ramelow findet dafür auch einen anschaulichen Vergleich aus der Praxis: "Wenn jemand eine Waffe führen will, stellt das Landratsamt als Aufsichtsbehörde eine Regelanfrage an den Verfassungsschutz, und dabei ist die AfD-Mitgliedschaft auch mitzuprüfen. Wieso sollte der Behördenleiter unaufmerksamer behandelt werden als der Bürger, der den Antrag stellt?" Erst eine beamtenrechtliche Einzelfallprüfung könne aber hier zu einem Ergebnis kommen. Und das Ergebnis könne dann ja auch sein, dass ein Bewerber wie Sesselmann keinen persönlichen Anlass bietet, seine beamtenrechtliche Zuverlässigkeit infrage zu stellen.

Für Wahlausschüsse in Zukunft mehr Arbeit?

Kandidaten erst nach dem Wahlsieg durchleuchten – das ist aber neu, erklärt auch der Deutsche Landkreistag: "Bislang war das nie ein Thema, weil Verfassungskonflikte nicht derart in Rede standen", teilt ein Sprecher mit. Bedeutet: Erst mit dem Erfolg der AfD können in der Praxis überhaupt Bewerber ins Amt kommen, bei denen die Frage nach der Verfassungstreue nicht einfach zu beantworten ist. In Thüringen könnten bei weiteren Wahlen in den kommenden Monaten wieder AfD-Kandidaten gewinnen. Es sei daher jetzt die Frage, "ob ein Wahlausschuss künftig mehr leisten muss, um eine umfassendere Prüfung zu realisieren". Dazu müssten Fachliteratur und Rechtsprechung ausgewertet werden, eine Prüfung, die beim Landkreistag am Anfang steht.

Aber was hat der von einem Juristen der Kreisverwaltung geleitete Wahlausschuss in Sonneberg überhaupt dann im Vorfeld geprüft, als er am 9. Mai bei einer Sitzung einen Monat vor der Wahl (11. Juni) das Okay gab? Dabei ging es lediglich darum, ob die Unterlagen rechtzeitig und vollständig waren: Die Daten stimmten, und der 50-jährige Sesselmann erklärte, dass er nicht mit der Stasi zusammengearbeitet hat. Er unterschrieb auch, für die Berufung in ein Beamtenverhältnis geeignet zu sein. "Gegenteilige substantiierte Gründe lagen dem Ausschuss nicht vor", teilt der Kreis mit.

Aus Sicht des Landesverwaltungsamts hätte das Verfahren aber anders laufen können: Die Rechtslage lasse auch heute schon eine Unterstützung des Landesverwaltungsamts für die Wahlausschüsse bei der Wählbarkeitsprüfung zu, damit Kandidaten schon vor der Wahl entsprechend überprüft werden können. "Ob und wie davon Gebrauch gemacht wird, entscheidet jeder Wahlausschuss vor Ort." Zugleich gilt auch: Vor der Wahl hat die Rechtsaufsicht keine Eingriffsmöglichkeiten.

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Bereits mit der Bewerbung hatte Sesselmann wie alle Kandidaten sein Einverständnis erklärt, dass beim Verfassungsschutz zu seiner Person nachgefragt werden kann. Diese Anfrage hat das Landesverwaltungsamt dann gestellt, nachdem Sesselmann die Wahl angenommen hatte. Die Antwort der Verfassungsschützer trug nun maßgeblich zur Entscheidung bei.

Diese Einzelfallprüfung könne der Wahlausschuss nicht leisten, also das Gremium vor Ort, sagte Ministerporäsident Ramelow zu t-online. Das könne nur Gründe einbeziehen, die durch offensichtliche Tatsachen belegt seien, so Ramelow zu t-online. Bedeutet in der Praxis: Das Verfahren in Thüringen könnte auch künftig dazu führen, dass Bewerber in Ämter gewählt werden und erst danach geprüft wird, ob sie die überhaupt wahrnehmen dürfen. Angesichts der aktuellen Stärke der AfD könnte sich das Novum von Sonneberg bei weiteren Kommunalwahlen wiederholen.

Gesetzesänderung für verpflichtende Prüfung im Ausschuss?

Das Verwaltungsamt spricht nun von einer Verzahnung mit den Prüfungen in den Wahlausschüssen vor Ort. Das Amt organisiere Ablauf und Ressourceneinsatz entsprechend, weil "überlange Verfahrenszeiten im Interesse einer lebendigen Demokratie nicht vertretbar sind". Sogar eine mögliche Gesetzesänderung steht im Raum: "Die Prüfung könnte durch Gesetz auch verbindlich an den Anfang, also den Zeitpunkt der Aufstellung eines Kandidaten, gelegt werden. Dann wären die Wahlausschüsse entsprechend einzubeziehen."

Das hätte aus Sicht des Jenaer Verfassungsrechtlers Michael Brenner noch einen großen Vorteil: Dann sei auch eine Überprüfung der Entscheidung bereits vor der Wahl durch Gerichte möglich, sagte er t-online. Wenn auch die Justiz sich mit der Frage befasst hat, verschafft das einer Entscheidung mehr Legitimität. Brenners Ansicht zufolge liegt mit dem Thüringer Wahlrecht auch heute die materiell rechtliche Voraussetzung vor, um schon vor der Wahl genauer die Verfassungstreue eines Bewerbers zu prüfen.

Im Fall Sesselmann hat das Landesverwaltungsamt nun zumindest keine gewichtigen Umstände erkannt, die "eine ernsthafte Besorgnis an dessen künftiger Erfüllung der Verfassungstreuepflicht" auslösen könnten. Die Behörde stellt aber auch klar: "Bei Bedarf stehen jederzeit geeignete aufsichtliche Mittel zur Verfügung, um die Durchsetzung aller in Thüringen geltenden rechtlichen Regelungen zu sichern."

Verwendete Quellen
  • thueringen.de: Artikel 24 Kommunalwahlrecht
  • lto.de: Hätte AfD-Landrat nicht gewählt werden dürfen?
  • verfassungsblog.de: Zweifel an der Verfassungstreue
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