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Streit um Gasumlage: Wo er Recht hat, hat er Recht


Meinung
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Energiekrise
Wo er Recht hat, hat er Recht

MeinungEine Kolumne von Gerhard Spörl

Aktualisiert am 27.09.2022Lesedauer: 3 Min.
Christian Lindner: Der FDP-Chef und Finanzminister stellt die Gasumlage in Frage.Vergrößern des Bildes
Christian Lindner: Der FDP-Chef und Finanzminister stellt die Gasumlage infrage. (Quelle: IMAGO/xcitepress)
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Die Regierung verzichtet wohl auf die Gasumlage. Aber anstatt den Preisanstieg einzudämmen, sollte sie der unteren Mittelschicht helfen.

Die Gasspeicher sind zu 90 Prozent voll. Natürlich wären 100 Prozent besser, aber 90 sind auch ganz schön beruhigend, zumal prompt die Preise gefallen sind. Bundeskanzler Olaf Scholz sagt: "Wir kommen wohl durch." Für seine rhetorischen Gewohnheiten klingt das schon fast fröhlich und heißt so viel wie: "Wir schaffen das."

Am Mittwoch sollte die Gasumlage im Kabinett verabschiedet werden, aber daraus wird nun wohl nichts mehr. Darin sind sich die uneinigen Finanzminister und Wirtschaftsminister jetzt einig. Christian Lindner gab am Wochenende den Abschied von der übermäßigen Belastung der Bürger bekannt. Es stelle sich "immer mehr die wirtschaftliche Sinnfrage", sagte er zur "Bild am Sonntag". "Wir haben eine Gasumlage, die den Preis erhöht. Aber wir brauchen eine Gaspreisbremse, die den Preis senkt."

Wo er recht hat, hat er recht. Auch den für das Gesetz zuständigen Robert Habeck hatten Zweifel beschlichen. Im Anschreiben zu seinem Gesetzentwurf an die werten Kolleginnen und Kollegen steht, dass es durchaus Alternativen gibt, zum Beispiel eine Limitierung des Gaspreises, die allerdings den Haushalt belastet und das Einhalten der Schuldenbremse schwer bis unmöglich macht.

Besser ist es, der Staat tritt ein

Der Vorteil für uns Verbraucher besteht nun darin, dass wir nicht mehr für die Notlage der Energieversorgungsunternehmen aufkommen müssen. Es ist immer misslich, wenn Konzerne direkt von Steuerzahlern gerettet werden müssen, weil sie sich geschäftlich verirrt haben. Besser ist es, der Staat tritt für sie ein. Dazu kommt, dass Konzerne, die von der Energiekrise begünstigt sind, von ihrem Gewinn abgeben sollen. Nicht ganz einfach zu regeln, ganz klar, aber ein Symbol für ausgleichende Gerechtigkeit wäre es in jedem Fall.

Das Dreierbündnis in der Regierung nimmt gerade noch rechtzeitig die Kurve, gut so. Dass Habeck und Lindner gelegentlich über Kreuz liegen, ist nicht besonders schlimm, da der Konflikt sich um Wesentliches dreht. Schließlich geht es um eine Krise im Gefolge eines Krieges, dessen Ende unabsehbar ist und dessen Konsequenzen sich in jenen Ländern auftürmen, welche die Ukraine militärisch unterstützen.

Deutschland ist noch immer ein gut regiertes Land und erheblich berechenbarer als England oder Frankreich, geschweige denn Italien. Weder Lindner noch Habeck noch Scholz mangelt es an Ernsthaftigkeit und Problembewusstsein. Alle drei revidieren sich, indem sie die Gasumlage ad acta legen.

Eine Pauschale wäre sinnvoll

In unserer Empörungs- und Erregungsgesellschaft ist diese Selbstkorrektur ein Risiko, schon wahr. Was eine Stärke sein kann, wird im Klima lauernder Nervosität als Schwäche ausgelegt. Robert Habecks Kratzer am Lack, das demoskopische Schwächeln der FDP und auch der SPD tragen nicht unbedingt zur Souveränität im Handeln bei. Umso besser, dass die Regierung sich besonnen hat.

Aber worauf besinnt sie sich genau? In existenzielle Not kommt im Herbst vor allem die untere Mittelschicht, die auf jeden Euro achten muss. Auf sie sollte sich die Regierung konzentrieren, ihr sollte sie helfen, im Zweifelsfall mit einer Pauschale von sagen wir: 1.000 Euro. Genügend Ökonomen raten genau zu dieser Alternative zum limitierten Gaspreis.

Die untere Mittelschicht ist erkennbar politisch fragil, schon alleine deshalb sollte sich die Regierung um sie kümmern. Sie könnte politisch leicht ausfransen, darauf kapriziert sich nicht zufällig die AfD. Viel Zahl bleibt nicht. Die Heizungsperiode beginnt. Nicht nur Gas wird enorm teuer, sondern auch Strom. Die Dauerdiskussion muss rasch an ein Ende kommen.

Lindner wird die Grünen vor sich hertreiben

An einer schnellen Lösung ist vor allem die SPD interessiert. Am übernächsten Sonntag wählt Niedersachsen einen neuen Landtag. Alles andere als ein Triumph für Stephan Weil wäre eine Katastrophe für die Bundesregierung. Denn ihr Auftreten, ihr Handeln bestimmen diese Wahl. Gewinnt die SPD, kommen die Grünen gut weg und zieht die FDP einigermaßen gesichert in Hannover ein, ist das gut für das Binnenverhältnis in Berlin.

Ruhe, so sie eintritt, ist allerdings relativ. Ruhe ist in diesen Wochen höchstenfalls die Phase zwischen zwei Unruhen. Denn Christian Lindner geht einen weiten Weg, wenn er seine Monstranz, die Schuldenbremse, nicht mehr vor sich her tragen kann. Dafür erwartet er Kompensation, kein Zweifel. Deshalb wird er die Grünen vor sich her treiben und ihnen Verlängerung mindestens von zwei Atomkraftwerken über April 2023 hinaus abverlangen. Auch dafür finden sich plausible Gründe.

Wahrscheinlich ist der Wunsch nach Ruhe ohnehin illusorisch. Der Krieg in der Ukraine könnte jederzeit eskalieren, auch atomar. Die militärische Unterstützung hierzulande hängt vom Preis ab, den wir für Strom und Gas bezahlen müssen. Da ist es in unserem Interesse, dass die Bundesregierung kurz vor dem Herbst des Missvergnügens das Richtige tut.

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