Fragen und Antworten Kramp-Karrenbauers riskantes Vorhaben in Syrien
Annegret Kramp-Karrenbauer schlägt einen riskanten internationalen Militäreinsatz zur Stabilisierung der Lage in Nord-Syrien vor. Solche Initiativen kennt man von deutschen Verteidigungsministern bisher kaum.
Acht Jahre lang hat Deutschland bei den Bemühungen um ein Ende des syrischen Bürgerkriegs nur eine Nebenrolle gehabt. Jetzt macht Annegret Kramp-Karrenbauer einen Vorschlag, der so gar nicht in die bisherige deutsche Außenpolitik passt. Noch nie hat Deutschland einen internationalen Militäreinsatz selbst initiiert.
Genau das versucht die CDU-Chefin nun für Nordsyrien, wo vor knapp zwei Wochen türkische Truppen einmarschiert sind. Es ist ein riskantes Manöver, denn sie muss nicht nur einen verärgerten Koalitionspartner, sondern auch schwer zu einigende Bündnispartner inklusive der Türkei sowie Russland auf ihre Seite bringen.
Warum macht Kramp-Karrenbauer das?
Die Verteidigungsministerin hat schon in den letzten Tagen erkennen lassen, dass sie von einer gewissen Verzagtheit in der deutschen Außenpolitik genervt ist. «Ich kann es nicht mehr hören, dass wir besorgt sind», sagte sie am Samstag auf dem CSU-Parteitag in München. «Wir sind stark, es kommt auf uns an, und wir müssen irgendwann endlich auch mal eigene politische Antworten geben - und zwar insbesondere als Union.» Die internationale Schutztruppe für Nordsyrien ist nun ihre Antwort.
Was schlägt sie genau vor?
Eine «international kontrollierte Sicherheitszone unter Einbeziehung der Türkei und Russlands, mit dem Ziel, die Lage dort zu deeskalieren». Ziel sei es, den Kampf gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) fortzusetzen und mit einem Wiederaufbau zerstörter Regionen eine freiwillige Rückkehr von Flüchtlingen zu ermöglichen.
Wie könnte eine internationale Sicherheitszone aussehen?
Kramp-Karrenbauer ließ offen, wie genau sie sich eine solche Zone vorstellt. Zwischen den bislang von syrischen Kurden kontrollierten Gebieten und der Türkei liegt eine fast 450 Kilometer lange Grenze. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hatte vor dem Einmarsch in Syrien das Ziel ausgegeben, die Zone solle mehr als 30 Kilometer tief sein. Erdogan will damit kurdische Kämpfer, die er für Terroristen hält, von der türkischen Grenze fernhalten. Kramp-Karrenbauer will daraus nun eine internationale kontrollierte Zone machen - statt einer türkischen Besatzungszone.
Wie würde diese Sicherheitszone kontrolliert?
Durch eine internationale Schutztruppe. Der CDU-Außenpolitiker Roderich Kiesewetter geht davon aus, dass für die Sicherung und Versorgung des Gebiets 15 000 Soldaten und 15 000 zivile Helfer notwendig wären. «Das ist nicht aus der Westentasche zu machen», sagt er. Die Militärmission wäre das, was man im Fachjargon einen «robusten Einsatz» nennt. Es müssten also auch Kampftruppen entsendet werden, die es dort mit Kämpfern der Terrororganisation Islamischer Staat (IS) zu tun bekommen könnten. Die Extremisten kontrollieren zwar in Syrien kein Gebiet mehr, sind aber weiter aktiv. Nach dem türkischen Einmarsch sollen IS-Anhänger aus Gefängnissen geflohen sein.
Würde die Bundeswehr zum Einsatz kommen?
Dass Deutschland einen Militäreinsatz von dieser Dimension vorschlägt und dann keine Soldaten schickt, ist kaum vorstellbar. Um wie viele Soldaten es gehen könnte, ist völlig unklar. Dass sie auch zu größeren Einsätzen mit mehreren Tausend Soldaten in der Lage ist, hat die Bundeswehr schon bewiesen. In Afghanistan waren es zeitweise mehr als 5000 Soldaten, die an unterschiedlichen Standorten stationiert waren.
Wie reagiert der Koalitionspartner SPD auf den Vorschlag?
Überrascht bis verärgert. Ihrem Kabinettskollegen Heiko Maas schrieb Kramp-Karrenbauer nur eine kurze SMS, in der sie einen Vorschlag zu Syrien ankündigte. Erst am Dienstag telefonierte sie mit dem Außenminister. Der SPD-Politiker äußerte sich anschließend skeptisch und erklärte, dass viele Fragen offen seien. Zudem beschwerte er sich über den Kommunikationsstil Kramp-Karrenbauers: «Von SMS-Diplomatie halte ich wenig. Daraus wird schnell eine SOS-Diplomatie.»
Was halten die lokalen Akteure von einer Sicherheitszone?
Vertreter syrischer Kurden begrüßten Kramp-Karrenbauers Schritt, forderten aber einen Abzug der türkischen Truppen. Den Kurden könnte eine solche Zone die Chance geben, die von ihnen errichtete autonome Selbstverwaltung im Norden und Osten Syriens zu sichern. Vertriebene, die vor den türkischen Truppen geflohen sind, könnten zurückkehren.
Und was ist mit der syrischen Regierung?
Von ihr ist keine Zustimmung zu erwarten. Machthaber Baschar al-Assad will generell das ganze Land wieder unter seine Kontrolle bringen und pocht auf Syriens Souveränität. Er lehnt ausländische Truppen im Land ab - außer denen seiner engen Verbündeten Russland und Iran.
Welche Rolle kann Russland spielen?
Theoretisch denkbar wäre, dass Russland einer solchen Zone zustimmt und auf Assad Druck ausübt. Dann aber könnte der Preis für die Regierungen im Westen hoch sein - Moskau und Damaskus könnten etwa verlangen, dass die EU-Staaten ihre diplomatischen Kontakte zur syrischen Regierung wieder aufnehmen und sich an Syriens milliardenteurem Wiederaufbau beteiligen, was diese bisher ablehnen, solange es keinen echten politischen Übergang in dem Land gibt.
Was halten die Nato-Verbündeten von der Initiative?
Reaktionen aus Nato oder EU gab es zunächst nicht - auch nicht vom Nato-Partner Türkei. Zumindest nicht offiziell. Im Auswärtigen Amt meldeten sich allerdings einige verwunderte Verbündete mit Nachfragen zu dem Vorschlag. «Es gibt auch, und das ist unbestreitbar, eine gewisse Irritation bei unseren Partnern», sagte Maas dazu. Am Donnerstag und Freitag will Annegret Kramp-Karrenbauer ihre Initiative bei einem Nato-Verteidigungsministertreffen in Brüssel vorstellen.
Freut sich jetzt Donald Trump?
Er dürfte das Manöver Kramp-Karrenbauers mit einer gewissen Genugtuung verfolgen. Der US-Präsident wirft Deutschland seit seinem Amtsantritt zu geringes militärisches Engagement vor. Im Juli hatte er seinen Beauftragten für den Anti-IS-Einsatz, James Jeffrey, nach Deutschland geschickt, um deutsche Bodentruppen als Ersatz für Soldaten in Syrien zu fordern. Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte damals noch klar Nein gesagt.
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Was hat Kramp-Karrenbauer jetzt schon geschafft?
So intensiv wie jetzt ist wohl noch nie über die deutsche Rolle in Syrien diskutiert worden. Und nicht nur das. Es geht in der Diskussion auch darum, wie aktiv und mit welchen Mitteln sich Deutschland grundsätzlich an Konfliktbewältigung beteiligen will. Für Kiesewetter hat der Vorstoß Kramp-Karrenbauers schon jetzt weitreichende Bedeutung. «Ich halte das für einen Paradigmenwechsel - im positiven Sinne.»
- Nachrichtenagentur dpa