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Balkanreise von Olaf Scholz: Kosovo-Äußerung empört Präsident Vučić


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Kanzlerreise
Mit einem Satz löst Scholz Ärger aus


Aktualisiert am 11.06.2022Lesedauer: 6 Min.
Kanzler Scholz in BulgarienVergrößern des Bildes
Bulgarien war die letzte der fünf Stationen auf der Blitzreise von Scholz. (Quelle: Michael Kappeler/dpa)
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Fünf Länder in zwei Tagen: Mit seiner Blitzreise durch den Balkan wollte Olaf Scholz die Glaubwürdigkeit der EU in der Region retten. Doch nicht alles lief nach Plan.

Man kann Olaf Scholz vieles vorwerfen: eine schwierige Kommunikation etwa oder politisches Zaudern. Aber eines sicher nicht: mangelnde Effizienz bei Reisen. Am Freitagmorgen war der Bundeskanzler in aller Frühe zu einer zweitägigen Reise gestartet, die ihn in nur 35 Stunden in fünf Länder führte: Kosovo, Serbien, Griechenland, Nordmazedonien und Bulgarien. Diese Form von diplomatischem Speeddating ist typisch für Scholz. Mit einem ähnlich straffen Programm war er unlängst in Afrika unterwegs.

So ambitioniert wie der Reiseablauf war das Ziel: Scholz wollte die Glaubwürdigkeit der EU auf dem Westbalkan retten. Weil Ländern wie Serbien oder Nordmazedonien ein Beitritt zwar in Aussicht gestellt wurde, dann aber nicht viel passierte, macht sich dort zunehmend Frust breit.

Ein Hauch von Gruppentherapie

Zugleich hatte die Reise des Bundeskanzlers etwas von einer Gruppentherapie: Denn die Länder, die er besuchte, haben alle Zwist miteinander. Etwa die ersten beiden Stationen, der Kosovo und Serbien.

Dabei war die kleine Republik Kosovo, die im Februar 2008 ihre Unabhängigkeit von Serbien erklärte, für Scholz noch die angenehmste der fünf Stationen. Denn hier regiert mit Albin Kurti nicht nur ein sozialdemokratischer Ministerpräsident, den Scholz auch menschlich schätzt.

Die Deutschen haben auch sonst einen guten Ruf, weil sie im Rahmen des Nato-Mandats Kfor dafür sorgen, dass die Spannungen zwischen den Kosovo-Albanern und der serbischen Minderheit nicht eskalieren. Und so machte Kurti nach dem Gespräch mit dem Kanzler auch klar, was er erwartet: "Wir brauchen die Nato im Kosovo so lange, bis der Kosovo der Nato beitritt." Scholz versprach, sich bei der EU für eine Visaliberalisierung für den Kosovo einzusetzen.

Der vergessene Auslandseinsatz der Bundeswehr

Dann war er auch schon wieder weg, ins Camp Film City, ein ehemaliges Filmstudiogelände in Pristina, wo im Rahmen des Kfor-Einsatzes auch 65 Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr stationiert sind. Es ist der älteste Auslandseinsatz der Bundeswehr, begonnen im Juni 1999, als der Kosovo noch ein Teil Serbiens war.

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Im Bewusstsein der deutschen Bevölkerung ist er fast völlig aus dem Gedächtnis verschwunden. Dass hier Ende der Neunzigerjahre ein Krieg getobt und den ganzen Kontinent in Atem gehalten hat, ist nur noch schwer vorstellbar. Aber die Soldaten berichteten Scholz von Spannungen in der Bevölkerung mit den Serben im Land und mit dem serbischen Nachbarn. Wenn die Bundeswehr nicht hier wäre, könnte das auch schnell wieder explodieren, sagte einer. Über den Besuch des Kanzlers freute man sich im Camp. Dieser ist eine Ehre, aber auch eine Abwechslung im Camp-Alltag.

Mit einer Bitte stößt Scholz in Serbien auf taube Ohren

Als Scholz zwei Stunden später im Präsidentenpalast von Serbien ankam, war ihm ein Satz bereits vorausgereist. Im Kosovo hat er für eine serbisch-kosovarische Annäherung mit den Worten geworben: "Ein Abkommen muss am Ende auch die Frage der Anerkennung Kosovos klären, denn es ist nicht vorstellbar, dass zwei Länder, die sich gegenseitig nicht anerkennen, Mitglied der EU werden."

Eine bittere Pille für Serbien, das sich seit 2014 um eine EU-Beitrittsperspektive bemüht, in dem die meisten Menschen aber nach wie vor der Ansicht sind, der Kosovo gehöre immer noch zu Serbien. Er höre zum ersten Mal, dass eine Anerkennung des Kosovo Voraussetzung für den Beitritt Serbiens sei, schnappte der serbische Präsident Aleksandar Vučić empört beim gemeinsamen Presseauftritt mit Scholz.

Video | Scholz – Serbien und Kosovo müssen Konflikt lösen
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Quelle: reuters

Scholz erwiderte schmallippig, er habe nur ausgesprochen, was "offensichtlich" sei. Seiner Bitte, Serbien solle sich den Sanktionen der EU gegen Russland anschließen, erteilte Vučić eine Absage. Man verurteile den Krieg gegen die Ukraine, aber Serbien habe nun mal traditionell ein anderes Verhältnis zur Russischen Föderation, so seine Begründung.

Die Schaukelpolitik Serbiens bereitet Bauchschmerzen

Die sogenannte Schaukelpolitik von Vučić bereitet der EU Bauschmerzen: Der 52-jährige Serbe blinkt in Richtung EU (das Land hat schon 2009 einen Antrag auf Beitritt gestellt), flirtet aber gleichzeitig mit Moskau. So weigert sich die serbische Regierung bislang, die Sanktionen gegen Russland mitzutragen. Zum Dank versprach Putin dafür billige Gaslieferungen für die nächsten Jahre.

Vergangenen Montag wollte Vučić den russischen Außenminister Sergej Lawrow in Belgrad empfangen. Die Stadt war schon großflächig mit russischen Flaggen ausgestattet. Doch dann verweigerten die EU-Nachbarländer Lawrow den Überflug.

Trotz der Spannungen war Vučić sichtlich um den deutschen Gast bemüht. Schnell hatte er die Stadt von russischer Beflaggung auf deutsche umdekorieren lassen. Höchstpersönlich empfing der Zwei-Meter-Hüne mit den jungenhaften Zügen den zwei Köpfe kleineren Scholz am Flughafen. Auf der Pressekonferenz schwärmte er: "Der Bundeskanzler hat eine neue Energie mitgebracht."

Der Angriff auf die Ukraine hat alte Traumata geweckt

Und in der Tat: Scholz scheint es ernst damit zu meinen, dass er den EU-Beitritt nicht länger wie eine unerreichbare Karotte vor der Nase der beitrittswilligen Balkan-Staaten baumeln lassen will. Der Bundeskanzler fürchtet, dass wenn diese sich erst einmal enttäuscht von der EU abwenden, ein neuer Flächenbrand in der Region drohen könnte.

Der russische Angriff auf die Ukraine hat dort für zusätzliche Unruhe gesorgt: Staaten wie der Kosovo fürchten, ihnen könne ein ähnliches Schicksal wie die Ukraine drohen. Aber reicht der gute Wille, wenn viele der betroffenen Länder noch so viele Probleme wie Korruption oder Streit mit den Nachbarn haben, dass ein EU-Beitritt die Union in Schwierigkeiten bringen könnte?

Der größte Pechvogel unter den Balkan-Ländern

Den größten Pechvogel unter den beitrittswilligen Balkan-Staaten besuchte Scholz am nächsten Vormittag – nach einem kurzen Abstecher zu einem Abendessen mit dem griechischen Ministerpräsidenten Kyriakos Mitsotakis in der griechischen Hafenstadt Thessaloniki.

Gemeint ist Nordmazedonien. Das 1,8 Millionen-Einwohner-Land hat seit 2005 einen Kandidatenstatus bei der EU. Aber dann blockierte erst Griechenland den Start von Beitrittsverhandlungen, weil es unangemessen fand, dass das damalige Mazedonien wie eine griechische Provinz hieß.

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Zähneknirschend änderte das Land seinen Namen 2018 in "Nordmazedonien". Seit 2020 sperrt sich nun EU-Mitglied Bulgarien mit der Forderung, Nordmazedonien müsse erst anerkennen, dass seine Sprache bulgarischen Ursprungs sei und versichern, dass bulgarischstämmige Bürger in Mazedonien nicht diskriminiert würden. Während Mazedonien verzweifelt versucht, mit Bulgarien eine Lösung zu finden, verlassen die jungen Menschen mangels Perspektive das Land.

Der Frust über die Situation war dem nordmazedonischen Premier Dimitar Kovacevski bei der gemeinsamen Pressekonferenz anzumerken. "Wir brauchen grünes Licht", sagte er mit Blick auf die Aufnahme der Beitrittsverhandlungen. Scholz bekräftige sein Ziel, Nordmazedonien (das bereits seit 2020 zur Nato gehört) zum Beitritt zu verhelfen. "Die vor zwei Jahren fest zugesagten Beitrittsverhandlungen müssen jetzt beginnen. Ich werde mich jedenfalls dafür starkmachen", sagte er. Das ist ein großes Versprechen. Klappt es damit nicht, dürfte auch der Einfluss von Scholz innerhalb der EU infrage stehen.

Sofia, die bulgarische Hauptstadt, war die fünfte und letzte Station von Scholz – und neben Belgrad die anstrengendste. Am Mittwoch hat der kleinste Koalitionspartner die Regierung verlassen, nun hat Premier Kiril Petkow keine Mehrheit mehr. So hätte er dem Gast aus Deutschland selbst dann keine Zusagen machen können, wenn er es gewollt hätte. Man habe sich geeinigt, dass die Gespräche mit Nordmazedonien weitergingen, sagte Petkow am Ende des Besuchs lapidar, nicht ohne hinzuzufügen, dass Bulgarien dafür klare Bedingungen genannt habe. Die EU müsse garantieren, dass diese umgesetzt würden.

Scholz beschwor "die gemeinsame Verantwortung" für die Europäische Union: "Ich denke, es gibt Chancen für Fortschritte." Albanien und Nordmazedonien seien jetzt "reif" für Beitrittsverhandlungen.

Gemischtes Urteil über die Reise

Konkrete Ergebnisse kann Scholz nach zwei Tagen also kaum vorweisen. Aber wie bei einer guten Gruppentherapie kann das "Gut, dass wir einmal drüber geredet haben" ein erster Schritt für Verbesserungen sein. Allerdings hat Scholz auch Erwartungen geweckt. Hat sich die Situation der Länder in einem Jahr mit Blick auf die EU nicht verändert, dürfte ihm das auf die Füße fallen – egal, wie hoch der Eigenanteil der Länder dabei ist.

Das Urteil über die Reise fällt gemischt aus. Florian Bieber, Leiter des Zentrums für Südosteuropa-Studien an der Universität Graz, sieht bei Scholz eine ganz entscheidende Verantwortung: "Er kann viel bewirken, wenn er mehr als nur rhetorische Unterstützung für die Region zu bieten hat. Letztlich ist Deutschland wirtschaftlich und politisch das bedeutendste Land der EU für den Balkan."

Mit einer Fortsetzung des Kurses von Angela Merkel sei es aber nicht getan. Deutschland müsse jetzt wirkliche Veränderungen bewirken, wie das Ende der bulgarischen Blockade für Nordmazedonien und Albanien bei den Beitrittsgesprächen oder neuen Schwung für die Verhandlungen zwischen dem Kosovo und Serbien.

Bitterer Nachgeschmack in einem anderen Land

Lob für die Kanzlerreise gab es aus der CSU: Der frühere Landwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU), seit 2021 Hoher Repräsentant für Bosnien und Herzegowina, begrüßte die Speeddating-Diplomatie von Scholz. "Der Krieg in der Ukraine hat uns gezeigt, dass wir uns kümmern müssen, wenn wir weiterhin in einem stabilen, friedlichen Europa leben wollen", sagte Schmidt t-online: "Und ich bin dankbar, dass die Bundesregierung dies tut. Die Reise des Bundeskanzlers ist ein klares Signal dafür, dass wir die Menschen in dieser Region nicht zurücklassen."

Einen kleinen bitteren Nachgeschmack dürfte die Kanzlerreise an einem ganz anderen Ort auslösen. Dass Scholz symbolische Blitzbesuche in Afrika und auf dem Balkan absolviert, es aber immer noch nicht in die Ukraine geschafft hat, wird in Kiew nicht gut ankommen.

Verwendete Quellen
  • Eigene Eindrücke von der Reise
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