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Malte Spitze: Schutz für Whistleblower hilft auch der Wirtschaft


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Missstände am Arbeitsplatz
Whistleblower-Schutz blockiert: Union leistet der Wirtschaft einen Bärendienst

MeinungEin Gastbeitrag von Malte Spitz

Aktualisiert am 28.05.2021Lesedauer: 3 Min.
Whistleblowerinnen und Whistleblower melden Missstände in Unternehmen und Behörden. Auf Regelungen, wann sie wie geschützt werden, hat sich die Große Koalition nicht einigen können.Vergrößern des Bildes
Whistleblowerinnen und Whistleblower melden Missstände in Unternehmen und Behörden. Auf Regelungen, wann sie wie geschützt werden, hat sich die Große Koalition nicht einigen können. (Quelle: imago-images-bilder)
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Union und SPD können sich nicht einigen, wie eine EU-Richtlinie zum Schutz von Whistleblowern umgesetzt wird. Damit lässt die Koalition aber nicht nur die Hinweisgeber im Stich, kritisiert Malte Spitz in einem Gastbeitrag.

Whistleblowing spielt in demokratischen Gesellschaften eine zentrale Funktion: Es macht Missstände transparent, stößt öffentliche Debatten an und leitet nicht selten politische Reaktionen ein. Auch für die Wirtschaft ist Whistleblowing oft ein Segen: Arbeitgebende werden frühzeitig über Fehlentwicklungen informiert und können Gegenmaßnahmen treffen.

Die Wirtschafts- und Korruptionsskandale der letzten Jahre, vom Dieselgate bis zur Maskenaffäre, haben gezeigt, wie wichtig ein wirksamer Schutz von Whistleblowerinnen und Whistleblowern ist. Viel Schaden hätte abgewendet werden können, wenn Missstände rechtzeitig gemeldet worden wären.

Malte Spitz (37) ist Generalsekretär der Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF), eine spendenfinanzierte Organisation, die Grund- und Menschenrechte mit juristischen Mitteln verteidigt. Er gehört auch dem Parteirat der Grünen an. Bei der GFF setzt sich das von Rechtsanwalt David Werdermann koordinierte Projekt Zivilcourage für einen stärkeren Schutz von Whistleblowerinnen und Whistleblowern ein.

Eine Vorlage für einen effektiven Schutz von Hinweisgebenden bietet die EU-Whistleblowing-Richtlinie, die bis Ende des Jahres ins deutsche Recht umgesetzt werden muss. Aber daraus wird wohl nichts mehr. Die Verhandlungen innerhalb der Regierungskoalition sind gescheitert, und nach der Bundestagswahl muss sich eine neue Regierung erst einmal finden.

Damit lässt die Große Koalition Hinweisgebende einmal mehr im Regen stehen. Es bleibt vorerst bei den bestehenden Regelungen. Diese sind lückenhaft, unübersichtlich und vor allem mit großer Unsicherheit behaftet.

Kaum Gesetze zu Whistleblowing

Weder im Beamten- noch im Arbeitsrecht finden sich umfassende Regeln darüber, wie mit Informationen über Missstände umzugehen ist und welche Konsequenzen für Hinweisgebende erlaubt sind. Das bedeutet nicht, dass Whistleblowerinnen und Whistleblower gänzlich ungeschützt wären.

So haben die Gerichte bereits in einigen Fällen Kündigungen für unwirksam erklärt, weil die Meldungen vom Grundrecht auf Meinungsfreiheit gedeckt waren. Die Rechtsprechung von Bundesarbeitsgericht und Bundesverfassungsgericht läuft jedoch auf eine schwierige Abwägung hinaus, deren Ergebnis in der Regel kaum vorhersehbar ist. Potenzielle Hinweisgebende können daher zumeist nicht absehen, welche Konsequenzen ihnen drohen.

Wird ihnen gekündigt, müssen sie zudem nachweisen, dass es sich um eine unzulässige Sanktionierung handelt. Laut den Gerichten können Sanktionen sogar zulässig sein, wenn die hinweisgebende Person keine "ehrenwerten" Motive hatte. Dabei sollten die Motive der hinweisgebenden Person unerheblich sein, wenn ein öffentliches Interesse am Bekanntwerden der Missstände besteht.

Umfassende Regeln durch EU-Richtlinie

Vor diesem Hintergrund stellt die EU-Whistleblowing-Richtlinie einen Meilenstein dar. Erstmals gibt es ein umfassendes Regelwerk zum Schutz von Whistleblowerinnen und Whistleblowern. Unternehmen werden verpflichtet, interne Meldekanäle einzurichten; Hinweisgebende dürfen sich aber auch direkt an eine externe Stelle, zum Beispiel an die Staatsanwaltschaft, wenden.

Es gibt ein ausdrückliches Verbot von Sanktionen und wenn es doch zu einer Kündigung kommt, muss der Arbeitgeber beweisen, dass die zulässige Meldung nicht der Grund dafür ist. Auf die Motive der hinweisgebenden Personen kommt es nicht an.

Das Problem an der Richtlinie: Sie hat einen sehr engen Anwendungsbereich, weil die EU nur für bestimmte Rechtsgebiete zuständig ist. Nur Hinweise auf Verstöße gegen bestimmte europäische Rechtsakte sind geschützt. Daher fallen zahlreiche Missstände, etwa Straftaten nach rein nationalem Recht oder Verstöße gegen den Infektionsschutz, aus dem Regelungsbereich.

Ungleichbehandlung durch Schmalspurlösung

Würde man die Richtlinie eins zu eins ins deutsche Recht umsetzen, wie es aus Reihen der CDU/CSU gefordert wird, so hätte dies untragbare Konsequenzen. Ein Hinweis auf geringfügige Datenschutzverletzungen (EU-Recht) wäre umfassend geschützt, während Meldungen von schweren Straftaten (nach nationalem Recht) vom Anwendungsbereich des Gesetzes ausgenommen wären.

Das ist auch ein verfassungsrechtliches Problem. Denn der allgemeine Gleichheitssatz verpflichtet den Gesetzgeber, wesentlich gleiche Sachverhalte gleich zu behandeln. Zwar folgt daraus nicht die Verpflichtung, die unionsrechtlichen Regeln auf alle erdenklichen Konstellationen auszudehnen.

Es darf aber auch nicht zu krassen Wertungswidersprüchen kommen. Es ist daher richtig, dass nach dem Referentenentwurf aus dem Bundesjustizministerium wenigstens Hinweise auf Straftaten und Ordnungswidrigkeiten denselben Schutz erfahren wie Meldungen von Unionsrechtsverstößen.

Rechtssicherheit auch für Unternehmen

Das führte auch nicht zu einer unangemessenen Belastung der Wirtschaft, wie es CDU/CSU-Abgeordnete behaupten. Denn zur Einrichtung von internen Meldekanälen sind Unternehmen ohnehin verpflichtet, sobald die Richtlinie umgesetzt ist. Eine auf Unionsrechtsverstöße beschränkte Richtlinienumsetzung würde lediglich zusätzliche Rechtsunsicherheit verursachen.

Sowohl die Hinweisgebenden als auch die Unternehmen wären mit zwei verschiedenen Rechtsregimen konfrontiert und müssten in jedem Einzelfall zunächst prüfen, ob es sich um einen Verstoß gegen rein nationales Recht handelt oder ob auch Unionsrecht im Spiel ist. Das ist – vor allem für juristische Laien – nicht einfach zu beurteilen.

Im Ergebnis ist ein umfassender Whistleblowing-Schutz daher nicht nur aus Gründen der Meinungsfreiheit und der Gleichbehandlung geboten. Die Unionsparteien erweisen auch der Wirtschaft einen Bärendienst, wenn sie die Umsetzung der Whistleblowing-Richtlinie weiterhin blockieren.

Die in Gastbeiträgen geäußerten Ansichten geben die Meinung der Autoren wieder und entsprechen nicht notwendigerweise denen der t-online-Redaktion.

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