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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Die deutsche Schmiergeldindustrie Korruption in der Politik – Bundestag verhindert Aufklärung
Lange wollte die Politik selbst bestimmen, was Bestechung ist – und was nicht. Noch immer hält sie wichtige Prüfungen vor der Öffentlichkeit geheim. Möglicherweise hat sie Anlass dazu.
Sie nehmen Bargeldspenden in unbegrenzter Höhe entgegen. Sie legen ihre Finanzen, ihr Vermögen und ihre Schulden nicht offen. Geheimdienstmitarbeiter dürfen ihnen über Tarnidentitäten Geld zukommen lassen. Sie setzen sich dafür ein, dass sie bestochen werden dürfen. Die Rede ist nicht von Politikern in einem südamerikanischen Land oder den Familienmitgliedern eines Kleptokraten in Afrika. Sondern von den Abgeordneten des Deutschen Bundestags.
Politik ist käuflich, seitdem es Politik gibt. Ohne Geld ist es auch in westlichen Demokratien schwierig, an die Macht zu kommen. Andersherum braucht auch die Wirtschaft politischen Einfluss. Dennoch zählt Deutschland weltweit wie auch in Europa bei der Korruptionsbekämpfung immer wieder zu den Schlusslichtern. Besonders die Abgeordneten des Deutschen Bundestags tun alles dafür, dass ihre Geheimnisse nicht publik werden.
coremedia:///cap/blob/content/88774526#dataFrederik Richter ist Journalist und Managing Editor des Recherchezentrums Correctiv. Er recherchiert seit über zehn Jahren zu Korruption, Betrug und Geldwäsche. Sein Buch "Geheimsache Korruption – Wie die deutsche Schmiergeldindustrie weltweit die Demokratie verrät" ist im September 2020 im Correctiv-Verlag erschienen. Dieser Text ist ein Auszug daraus. Foto: Ivo Mayr/Correctiv
Die Organisation LobbyControl schätzt, dass der Öffentlichkeit die Spender von 75 Prozent aller Zuwendungen an die politischen Parteien unbekannt sind. Denn Spenden unter 10.000 Euro müssen nicht bekannt gemacht werden. Eine effektive, unabhängige Überprüfung dieser ohnehin schon lockeren Regeln für Parteispenden findet in Deutschland nicht statt. Die Bundestagsverwaltung prüft die Rechenschaftsberichte der Parteien.
Wie genau die Prüfung vonstatten geht, ist unbekannt. Noch problematischer ist die Finanzierung der Bundestagsabgeordneten selbst. Sie müssen nur Spenden ab 5.000 Euro überhaupt melden. Die Regeln für die Parlamentarier bestimmt der Ältestenrat – also die Abgeordneten selbst.
Auch bei der internationalen Korruptionsgesetzgebung zählt Deutschland immer wieder zu den Schlusslichtern. Erst wenn die Blamage zu offensichtlich wird, bewegt sich die Berliner Politik. Zum Beispiel die Konvention der Vereinten Nationen gegen Korruption. Sie trat 2005 in Kraft – in Deutschland jedoch erst fast zehn Jahre später. Denn die UN-Konvention verlangt, dass Abgeordnetenbestechung verboten ist. Und für ein solches Verbot fand sich im politischen Berlin lange Zeit keine Mehrheit.
- Schwarze Kassen: Bundesregierung verschleppt Gesetz
Deutschland fand sich irgendwann in der Gesellschaft von Nordkorea, Somalia, Syrien und Andorra wieder, die die Konvention ebenfalls noch nicht ratifiziert hatten. Selbst der in ihren Geschäftsmethoden wenig zimperlichen deutschen Wirtschaft war es am Ende peinlich. Immer wieder forderten Wirtschaftsvertreter die Politik auf, die UN-Konvention endlich umzusetzen. Die Geisteshaltung der Politik brachte besonders der CDU-Politiker Volker Kauder in den Bundestagsdebatten über die UN-Konvention zum Ausdruck: "Politik ist ein eigenes Geschäft", sagte Kauder und forderte, dass die Verhaltensregeln des Bundestags und nicht das Strafrecht die Bestechlichkeit von Abgeordneten verhindern sollten.
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Mit anderen Worten: Die Politik solle weiterhin selbst bestimmen, was Bestechung sei und was nicht. Strafrechtlich verankerte und damit durch die Justiz überwachte Regeln sollen für Ärzte, Staatsanwälte, Richter und auch Manager gelten, nicht jedoch für Abgeordnete.
Rügen aus Straßburg
Der Fall der UN-Konvention macht auf besonders spektakuläre Weise deutlich, dass der Exportweltmeister Deutschland kein Interesse an effektiver Bekämpfung von Korruption hat. Es ist jedoch nicht der einzige dieser Art. Auch der Europarat in Straßburg rügt Deutschland regelmäßig für die fehlende Umsetzung wichtiger Instrumente im Kampf gegen Korruption.
Ein Absenken der Schwelle für die sofortige Veröffentlichung von Parteispenden auf unter 10.000 Euro? Nein, danke. Mehr Transparenz bei Direktspenden an Abgeordnete und Kandidaten? Nein, danke. Mehr Personal für den Bundestagspräsidenten für die Überwachung von Regeln? Nein, danke.
Besonders die Weigerung der Bundestagsabgeordneten, Angaben zum eigenen Vermögen und zu möglichen Schulden zu machen, nahm der Rat mit Sorge zur Kenntnis. In Sachen Korruptionsbekämpfung ist Deutschland das Sorgenkind einer Einrichtung, die sich auch um Rechtsstaatlichkeit und Demokratie in Staaten wie Georgien, Albanien und Moldawien kümmert.
Geschenke für den Außenminister
Dabei gibt es genug Beispiele für die Nähe zwischen Abgeordneten und dubiosen Geldquellen. So nahm die CDU-Bundestagsabgeordnete Karin Strenz mehrere Zehntausend Euro aus Aserbaidschan an, wie die "Süddeutsche Zeitung" enthüllte. Correctiv deckte zuletzt auf, dass ein libanesischer Rüstungslobbyist Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier zu dessen Zeit als Außenminister und Abgeordneter Weingeschenke im Wert von über 1.000 Euro zukommen ließ – und das zu einer Zeit, als Steinmeier als Kabinettsmitglied Rüstungsgeschäfte des Geschäftsmannes genehmigte. Steinmeier meldete die Geschenke auch nicht der Bundesregierung – dabei kann man die entsprechenden Vorschriften durchaus so interpretieren, dass er das hätte tun müssen.
Doch die deutsche Politik kontrolliert im Großen und Ganzen selbst, ob sie sich an die Regeln der Parteienfinanzierung hält. Und ihre Vertreter gehen mit Tricks, Täuschung und teuren Anwälten gegen jeden vor, der mehr wissen will. Zum Beispiel der 14. Juni 2013. Um 0.25 Uhr beschließen an jenem Tag 25 anwesende Parlamentarier, ein wichtiges Stück aus dem Herzen unserer Demokratie herauszureißen. Sie beschließen, dass eine Überprüfung der Arbeit des Bundesrechnungshofs und auf diesem Wege auch der Fraktionsfinanzen tabu ist. Medien und Öffentlichkeit bekommen von der Änderung, versteckt in einer Ergänzung zum "Ersten Gesetz zur Änderung des Finanzausgleichsgesetzes", nichts mit.
Was verbergen die Finanzen?
Was verleitete die Abgeordneten zu diesem Schritt? Journalisten hatten versucht, mithilfe des Informationsfreiheitsgesetzes Prüfberichte des Bundesrechnungshof über die Finanzen der Bundestagsfraktionen zu erhalten. Also taten sich Rechnungshof und einige Parlamentarier zusammen, um es durch die Änderung eines obskuren Gesetzes Medien und Öffentlichkeit unmöglich zu machen, die Fraktionsfinanzen zu überprüfen.
Damit wird die eine Frage immer dringender: Was haben die Parteien und Abgeordneten des Deutschen Bundestags in ihren Finanzen zu verbergen? Im besten Fall wollen sie ihre Steuermillionen weiter für teure Reisen für sich und ihre Ehepartner und für doppelte Diätenzahlungen für ihre Funktionsträger verwenden. Im schlimmsten Fall verbergen sich in den vielen Aktenbänden, die der Rechnungshof seit 1987 mit den Prüfungen der Fraktionsfinanzen gefüllt hat, Hinweise auf handfeste Skandale der Parteienfinanzierung.
- Das Buch "Geheimsache Korruption – Wie die deutsche Schmiergeldindustrie weltweit die Demokratie verrät" ist am 11. September im Correctiv-Verlag erschienen. Es ist überall im Buchhandel und direkt bei Correctiv erhältlich: ISBN 978-3948013073