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Machtkampf bei CDU/CSU: Wie soll man einen Kanzler Markus Söder verhindern?


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Möglicher Kanzlerkandidat spaltet Union
Will man Söder noch verhindern?


Aktualisiert am 23.07.2020Lesedauer: 8 Min.
Bayern: Ministerpräsident Söder hält eine 3D-Figur von sich selbst.Vergrößern des Bildes
Bayern: Ministerpräsident Söder hält eine 3D-Figur von sich selbst. (Quelle: imago-images-bilder)
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Markus Söder hat gute Chancen auf die Kanzlerkandidatur der Union. Damit entlarvt er die Schwäche der Kandidaten für den CDU-Vorsitz. Nun ringt die Partei um die Frage, ob sie ihn unterstützen will.

Es sind zwei Sätze, die offenbaren, wie zerrissen die CDU in diesen Tagen ist. Der eine Satz stammt von der baden-württembergischen Parteifunktionärin Susanne Eisenmann. Sie erklärt auf die Frage nach dem nächsten Kanzlerkandidaten der Union: "Markus Söder wäre eine Option, die ich durchaus begrüßen würde."

Der andere Satz kommt von Herbert Reul, dem CDU-Innenminister von Nordrhein-Westfalen. Reul sagt über Söder: "Heiße Luft und eine Politik, die auf Inszenierungen setzt, bringen die CDU nicht weiter." Es sei ihm "unerklärlich", wie Leute auf die Idee kämen, dass Söder ein guter Kanzlerkandidat sei. Eine Art politische Ohrfeige aus Düsseldorf an alle Söder-Fans.

Die diametralen Positionen von Eisenmann und Reul stehen für einen Graben, der sich durch die CDU zieht. Der Grund für die Spaltung ist eine Zahl: 64 Prozent. So hoch ist der Anteil der Deutschen, die den CSU-Chef Söder gern als nächsten Kanzlerkandidaten der Union sehen würden. Weit abgeschlagen hinter Söder folgen die Anwärter für den CDU-Parteivorsitz: Friedrich Merz mit 31 Prozent, Armin Laschet gar mit nur 19 Prozent. Söders große Beliebtheit offenbart, wie stark es der Schwesterpartei CDU an Führungspersonal mit Format mangelt.

Wie mit dem immer mächtigeren Mann aus München umgehen?

Zwar hat Söder noch gar nicht gesagt, ob er eine Kanzlerkandidatur wirklich anstrebt. Doch weil im Vergleich zu ihm die Bewerber für den CDU-Vorsitz plötzlich so unpopulär sind, geraten die Christdemokraten jetzt unter Druck: Wie sollen sie mit dem immer mächtiger werdenden Mann aus München umgehen? Die Meinungen gehen dabei weit auseinander, die Partei steuert in eine ungewisse Zukunft.

Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder stieg zwar erst in der Corona-Pandemie zu großer Popularität auf, doch an seinem Ansehen in der CDU feilt Söder schon länger: Der Beginn seines Aufstiegs ist der 23. November 2019, der CDU-Parteitag in Leipzig. Angekündigt wird Söder mit einem "Grußwort", seine Rede dauert dann über eine halbe Stunde. Er benutzt dabei diverse Formulierungen, die er kurz zuvor im t-online.de-Interview ausprobiert hat. Eine ist: "Die AfD ist die neue NPD." Über die Grünen erklärt er: "Sie haben mehr Moral als wir, nämlich Doppelmoral." Und zum Koalitionspartner sagt er nur: "Die SPD ist ... da." Söder spöttelt, kritisiert, stichelt.

Einige raunen von einer Kanzlerkandidatur, andere halten das für einen Witz

Was er sagt, passt perfekt zu seinem Publikum, den 1.001 CDU-Delegierten. Die Rede ist geprägt von einem konservativen Grundrauschen, das schon, aber weit weg von einem Anbiedern an die Rechten. Etwas feindselig gegenüber den Grünen, ja, aber nicht zu sehr auf Attacke gebürstet — schon zu dem Zeitpunkt ist klar, dass die Partei der nächste Koalitionspartner werden könnte.

Ausgerechnet der CSU-Chef Söder hält damit die beste Rede auf dem CDU-Parteitag, der Saal tobt, minutenlang gibt es Standing Ovations. Dieser 23. November ist der Tag, an dem zum ersten Mal CDU-Abgeordnete den Namen Markus Söder bei der Frage nach der Kanzlerkandidatur fallen lassen. Andere halten das damals trotz einer guten Rede für einen schlechten Witz.

Acht Monate später ist die Zahl derer, die Spekulationen über einen Kanzler Söder für einen Witz halten, in der CDU dramatisch gesunken: Die Corona-Pandemie hat das politische Kräfteverhältnis verschoben, über Monate lieferten sich der NRW-Ministerpräsident und Anwärter für den CDU-Vorsitz, Armin Laschet, und Söder ein Duell. Die beiden Landesregierungschefs entfernten sich immer weiter voneinander, während Laschet gar nicht schnell genug die eingeführten Maßnahmen lockern konnte, bremste Söder und hielt in Bayern die Einschränkungen deutschlandweit am längsten aufrecht.

"Bedürfnis nach Sicherheit größer als nach voreiliger Freiheit"

Nun wird klar: Nicht nur bei den Bürgern stieß Laschet mit seinem Lockerungskurs auf Skepsis, auch seine Unterstützer in der Partei zweifeln zunehmend an ihm: "Laschet agiert glücklos und das ist Gift für seine Kandidatur. Ob er das nochmal einfangen kann, wage ich zu bezweifeln", sagt ein ranghoher CDU-Politiker, der ihn eigentlich unterstützte.

Armin Laschet habe die Stimmung in seiner eigenen Partei falsch eingeschätzt: "Das Bedürfnis nach einem Mann, der groß für Sicherheit eintritt, ist in unserer Partei größer als die Sehnsucht nach voreiliger Freiheit", so der CDU-Mann weiter, der lieber anonym bleiben will. Die Anzahl der Unterstützer von Söder in der CDU ist seit dem Leipziger Parteitag nochmal dramatisch angewachsen.

Im Lager von Armin Laschet entdecken viele nun ihre Sympathien für Söder. Das liegt auch daran, dass sich beide in ihrem Politikstil ähnlicher sind, als man in der Corona-Krise teilweise glauben konnte. Söder hat die CSU schon vor Monaten liberaler und weiblicher ausgerichtet, damit steht er Armin Laschet näher als Friedrich Merz. Söder ist nicht so konservativ wie Merz, für die Laschet-Anhänger wäre er der aussichtsreichste Kompromisskandidat: Sie müssten sich ideologisch nicht zu sehr verbiegen und hätten trotzdem einen populären Spitzenkandidaten.

Die Grundmelodie der ersten Lobeshymnen auf Söder

Einer der liberalen Söder-Sympathisanten ist Frank Heinrich, ein mächtiger CDU-Bundespolitiker aus dem Osten Deutschlands. Er sagt: "Herr Söder scheint ein gutes Händchen zu haben, was Bayern und Krisenbewältigung angeht. Das sehen viele in unserem Land und verbinden offensichtlich damit die Hoffnung, diese Fähigkeiten auch für ganz Deutschland zu nutzen."

Sein Kollege Christoph Ploß geht noch weiter: "Markus Söder zeigt, wie die Union erfolgreich moderne bürgerliche Politik macht. So verbindet er beispielsweise Klimaschutzpolitik mit einer vernünftigen Wirtschaftspolitik, die im Bereich der erneuerbaren Energien Arbeitsplätze schafft." Ploß legt sich zwar nicht fest, er lobt auch Friedrich Merz, und dennoch ist klar: Solche Sätze sind die Grundmelodie der ersten, vorsichtigen Lobeshymnen auf Söder aus der CDU. Es sind wenige, wie die baden-württembergische CDU-Politikerin Eisenmann, die jetzt schon ihre Präferenzen völlig klar erkennen lassen.

Söder facht derweil die Auseinandersetzung mit Laschet weiter an. Anfang Juli sagte er in einem "Tagesspiegel"-Interview den Satz: "Nur wer Krisen meistert, wer die Pflicht kann, der kann auch bei der Kür glänzen." Kurz zuvor musste Laschet einen Lockdown von zwei Landkreisen in seinem Bundesland verkünden. Klarer kann eine Spitze kaum sein, wenn man seinen politischen Gegner nicht frontal angreifen will.

Merz' Verzicht würde wie eine Selbstverzwergung wirken

Die Noch-Parteichefin Annegret Kramp-Karrenbauer versucht die Unruhe zwischen Laschet und Söder zu bändigen. Sie sagte zu t-online.de: "Der Ablauf ist klar vereinbart: Als erstes entscheidet die CDU, wer ihr neuer Vorsitzender wird. Ob das dann der Kanzlerkandidat der Union wird, entscheiden danach die Gremien von CDU und CSU gemeinsam unter Führung ihrer beiden Vorsitzenden."

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Auch wenn es sich bislang nur vage abzeichnet: Die eigentliche Bewegung gegen Markus Söder schart sich in der CDU um Friedrich Merz. Merz, der ehemalige Fraktionschef seiner Partei, der jetzt zum zweiten Mal für den Parteivorsitz kandidiert, ist kein Freund von indirekten Attacken. Der "Augsburger Allgemeinen" sagte er kürzlich: "Historisch betrachtet war es bisher so, dass die CSU den gemeinsamen Kanzlerkandidaten dann gestellt hat, wenn die CDU mit ihrer eigenen Führung unzufrieden war."

Dann setzt er selbstsicher hinzu: "Das war 1980 so, das war 2002 so, und ich bin mir ziemlich sicher, dass das 2021 nicht so sein wird." Merz könnte Söder nicht den Vortritt bei der Kanzlerkandidatur lassen, es würde wie eine Selbstverzwergung aussehen.

Sehnsuchtsfigur aller Söder-Gegner

Friedrich Merz ist auch deshalb in der Union so angesehen, weil er im Gegensatz zu Armin Laschet in der öffentlichen Wahrnehmung kaum beschädigt worden ist durch die Corona-Krise. Er hat kein Regierungsamt – die Möglichkeit, Fehler zu machen, war überschaubar.

Und es ist gleichzeitig das Problem von Merz: Er ist kaum noch auf der politischen Bildfläche zu sehen, immer wieder muss er kleine Lebenszeichen abgeben, damit er nicht in Vergessenheit gerät. Seit Beginn der Pandemie steht Merz an der politischen Seitenlinie und darf die Regierung nicht zu laut kritisieren, um nicht als notorischer Besserwisser dazustehen.

Aber ausgerechnet in der Abgrenzung zum CSU-Chef könnte Merz nun erstarken: Der 63-Jährige wird zur Sehnsuchtsfigur aller Söder-Gegner. Merz gilt dort als standfest, wirtschaftskompetent und viele trauen ihm die Bewältigung der Krise zu.

"Söder macht eine Politik der Überschriften"

Das Team von Friedrich Merz plant jetzt die ersten Veranstaltungen für den Herbst: Dort ist der Rhetoriker Merz am stärksten, da kann er es noch am ehesten aufnehmen mit einem bayerischen Ministerpräsidenten, dem eine Vielzahl von Bühnen für die eigene Selbstinszenierung zur Verfügung stehen, so wie kürzlich der Termin mit der Bundeskanzlerin in Herrenchiemsee. Sicher ist: Merz muss so schnell wie möglich in der Popularität aufholen, wenn er eine Chance gegen Söder haben will, sollte der kandidieren wollen.

Die schnellen politischen Hakenschläge des CSU-Chefs sehen die Merz-Anhänger skeptisch: "Söder macht eine Politik der Überschriften, weil man die so schnell wechseln kann: Vor einigen Jahren wollte er die AfD rechts überholen, dann schwenkte er um. Daraufhin attackierte er die Grünen scharf, anschließend plante er die Rettung der Bienen im Freistaat. Ich will keinen Kanzler der Beliebigkeit", ärgert sich einer aus der Parteispitze, ein ranghoher Merz-Unterstützer. Seine Unterstützer hoffen, dass Merz möglichst schnell den Anspruch auf die Kandidatur erhebt, so wollen sie Söder frühzeitig ausbremsen.

Doch so deutlich will Friedrich Merz sich noch nicht festlegen. Er sagt dazu t-online: "Ich gehe davon aus, dass wir im Dezember den neuen Parteivorsitzenden der CDU wählen und dass die Vorsitzenden von CDU und CSU dann miteinander sprechen und einen gemeinsamen Vorschlag machen."

Wie Gulliver und die Liliputaner

Und weil weder Laschet noch Merz oder Söder klar ihren Anspruch auf die Kanzlerkandidatur bekundet haben, bleibt die Anspannung in der CDU hoch und alle blicken auf Söder. Für die einen der Retter der Union, für die anderen ein CSU-Mann, dem München nicht genug ist. Beide Lager untersuchen jedes seiner Worte, jede Formulierung auf die Frage hin: Klingt da vielleicht der Anspruch auf die Kanzlerkandidatur durch?

Als Söder kürzlich verkündete, er könne sich für den Urlaub diesen Sommer "gut vorstellen, auch mal nach Norden an die Küste zu fahren", löste das prompt Hektik in der CDU aus. Der Bayern-Patriot Söder macht Urlaub – nicht etwa im Osten oder Westen, nein, ausgerechnet im Norden! Das muss doch eine versteckte Ankündigung, ein Fingerzeig auf die Kanzlerkandidatur für Berlin sein!

Dass selbst solche Äußerungen ein enormes Echo auslösen, sorgt dafür, dass Söder es gar nicht nötig hat, angriffslustige Attacken anzuzetteln. Seine kleinen, wohltemperierten Vorstöße lassen ihn schon auf Übergröße anwachsen. In solchen Momenten wirkt Söder wie Gulliver und die CDU-Funktionäre wie winzige Liliputaner, die auf die nächste Handbewegung des Riesen warten.

In der CDU wächst die Ungeduld

Trotzdem bleibt die Frage, ob Söder wirklich Kanzlerkandidat werden will. Und ob er kann. Er bräuchte einen CDU-Chef, der ihn zum Kanzlerkandidaten kürt. Jens Spahn wäre dafür zwar denkbar, doch der ist noch im Duo mit Armin Laschet verbunden. Norbert Röttgen würde Söder wohl als CDU-Chef die Kanzlerkandidatur überlassen. Doch dass Röttgen gewählt wird, gilt aktuell als ausgeschlossen.

Eine Möglichkeit wäre, wenn es Söder gelingen würde, sich vor dem CDU-Parteitag in einer gemeinsamen Sitzung der Spitzen von CDU und CSU durchzusetzen. Dann wäre es für ihn irrelevant, wer im Dezember Parteichef wird, weil er der Entscheidung vorgreifen konnte.

Doch im Moment hüllt sich Söder weiterhin in Andeutungen und mit jedem kleinen Vorstoß, der keine Klarheit bringt, wächst in der CDU die Ungeduld. Die Backen erst groß aufblasen und dann nicht einmal leise pfeifen, sei keine kluge Strategie, raunen einige in der Unionsfraktion. Und diverse einflussreiche CDU-Politiker stehen ihm noch extrem skeptisch gegenüber.

Eine von ihnen ist die stellvertretende Fraktionschefin im Bundestag, Gitta Connemann. Sie sagt zu t-online.de, es komme nicht darauf an, wer den "kurzfristigen Wettlauf" bei den Corona-Maßnahmen gewinne. Vielmehr gelte: "Ein Kanzlerkandidat muss sich im Marathon beweisen. Und dazu gehört in Sachen Corona-Folgen insbesondere Wirtschaftskompetenz." Hat Söder diese Kompetenz? Connemann sagt nur: "Schaun mer mal."

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
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