"Hetzjagden nicht herbeischreiben" Verfassungsschutzchef Maaßen teilt gegen Medien aus
Nach seinen Äußerungen zum Hetzjagd-Video steht Hans-Georg Maaßen massiv in der Kritik. Bei einer Befragung im Bundestag übt der Verfassungsschutzchef nun heftige Kritik an der Presse.
Bei seinem Auftritt im Innenausschuss des Bundestags hat Verfassungsschutz-Präsident Hans-Georg Maaßen die Medien heftig kritisiert. Maaßen sagte nach Angaben aus Teilnehmerkreisen in Berlin, man solle "Hetzjagden nicht herbeischreiben". Er sprach von einer negativen Stimmung der Bürger gegenüber Medien und Journalisten. Diese Aussagen geben Rätsel auf, die Analyse der Bilder aus Chemnitz eindeutig: Die Debatte entzündete sich von einem Video, das eine Hetzjagd auf Ausländer zeigt. Laut einer Analyse von t-online.de ist die Echtheit dieses Videos nicht zu bestreiten.
Zu seinem Interview mit der "Bild"-Zeitung, das eine heftige Kontroverse auslöste, sagte Maaßen: "Ich würde das Interview so wieder geben." Im Ausschuss sagte Seehofer nach Teilnehmerkreisen, der Inhalt des Interviews sei nicht mit ihm abgestimmt gewesen.
Maaßen hatte der "Bild"-Zeitung (Ausgabe vom 7. September) gesagt: "Die Skepsis gegenüber den Medienberichten zu rechtsextremistischen Hetzjagden in Chemnitz wird von mir geteilt. Es liegen dem Verfassungsschutz keine belastbaren Informationen darüber vor, dass solche Hetzjagden stattgefunden haben." Zu einem Video, das eine bedrohliche Szene in Chemnitz zeigen soll, sagte er: "Es liegen keine Belege dafür vor, dass das im Internet kursierende Video zu diesem angeblichen Vorfall authentisch ist." Weiter sagte Maaßen: "Nach meiner vorsichtigen Bewertung sprechen gute Gründe dafür, dass es sich um eine gezielte Falschinformation handelt, um möglicherweise die Öffentlichkeit von dem Mord in Chemnitz abzulenken."
Mit seinen Zweifeln am Begriff "Hetzjagden" widersprach Maaßen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), die das Wort gebraucht hatte. Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) verlangte von Maaßen eine schriftliche Stellungnahme. In diesem inzwischen eingereichten Bericht relativiert Maaßen seine Äußerungen.
Mehrheit misstraut Verfassungsschutz
Eine große Mehrheit der Deutschen misstraut dagegen dem Verfassungsschutz. Nicht einmal ein Viertel hat großes oder sehr großes Vertrauen, davon sogar nur rund fünf Prozent sehr großes Vertrauen. Das ist das Ergebnis einer aktuellen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Civey für t-online.de.
Dagegen sagen fast 58 Prozent, sie hätten wenig bis kein Vertrauen, darunter 25 Prozent, die sehr geringes Vertrauen haben. Gut 18 Prozent sind unentschieden.
Der Verfassungsschutz ist dafür zuständig, die staatliche Ordnung zu bewahren: Dafür soll er ausländische Spionage unterbinden und Feinde der demokratischen Grundordnung beobachten. Er ist ein Instrument der wehrhaften Demokratie. Neben dem Bundesamt gibt es auch in jedem Bundesland eine Landesbehörde. Sie alle sind dem zuständigen Innenministerium unterstellt.
Doch offenbar haben viele Menschen große Zweifel, dass der Geheimdienst seiner Aufgabe nachkommt.
Lange Kette von Skandalen
In der Vergangenheit ist der Verfassungsschutz immer wieder durch Skandale aufgefallen. Gerade erst ist sein Präsident Hans-Georg Maaßen massiv in die Kritik geraten.
Er hatte nach rechtsextremen Demonstrationen in Chemnitz in der "Bild"-Zeitung gesagt: "Es liegen keine Belege dafür vor, dass das im Internet kursierende Video zu diesem angeblichen Vorfall authentisch ist.“ Das Video zeigt, wie eine Gruppe einen Mann bedroht, einer rennt hinter ihm her und tritt nach dem Fliehenden. Dazu sagte Maaßen weiter: "Nach meiner vorsichtigen Bewertung sprechen gute Gründe dafür, dass es sich um eine gezielte Falschinformation handelt, um möglicherweise die Öffentlichkeit von dem Mord in Chemnitz abzulenken." Zu diesem Zeitpunkt hatte der Verfassungsschutz das Video offenbar noch gar nicht geprüft. Auch die Kanzlerin war wohl nicht über diese Vermutungen informiert.
Maaßen traf sich mit AfD-Chefin Frauke Petry
Nach dem Bericht eines ehemaligen AfD-Mitglieds aus Sachsen wurde spekuliert, Maaßen könnte die damalige AfD-Vorsitzende Frauke Petry darüber informiert haben, wie sie eine Beobachtung durch den Verfassungsschutz vermeiden kann. Dafür gibt es aber keine Belege. Allerdings hatte Maaßen erst nach einer ganzen Weile zugegeben, dass es überhaupt zwei Treffen gab. Zuletzt berichtete dann das "Handelsblatt", es gebe den Verdacht, dass Landesämter und auch das Bundesamt des Verfassungsschutzes Informationen an die AfD durchstechen.
Maaßen selbst soll im Zusammenhang mit dem Terroranschlag auf dem Berliner Breitscheidplatz versucht haben, zu verheimlichen, dass der Geheimdienst im Umfeld des Attentäters Anis Amri einen V-Mann gehabt hatte.
Auch im Zusammenhang mit den Morden des rechtsextremen NSU ist die Rolle des Verfassungsschutzes unklar. Während des Mordes an Halit Yozgat in einem Internetcafé in Kassel war ein Mitarbeiter angeblich zufällig am Tatort. Später wurden Akten geschreddert, während der Aufarbeitung hielt der Dienst Informationen über einen V-Mann zurück.
Für die Umfrage stellte Civey zwischen dem 3. August und dem 12. September online 6.046 Menschen die Frage: "Wie groß ist Ihr Vertrauen in das Bundesamt für Verfassungsschutz?" Der statistische Fehler beträgt 2,5 Prozent.
- Civey-Umfrage für t-online.de
- "Bild"-Bericht über Maaßens Aussage zu Chemnitz
- Bericht im "Handelsblatt" über angebliche Kontakte zur AfD
- Dossier in der "Zeit" über den Verfassungsschutz
- dpa