"Wird der Realität nicht gerecht" Große Zweifel an Seehofers "Masterplan"
Mit mehreren Wochen Verspätung stellt Innenminister Horst Seehofer seinen "Masterplan" vor. Das Papier hatte für eine Regierungskrise gesorgt, dabei kannte es kaum jemand. Und vieles darin dürfte kaum Realität werden.
Mit reichlich Verspätung stellt Bundesinnenminister Horst Seehofer am Dienstag (10.00 Uhr) seinen lange angekündigten "Masterplan Migration" vor. Kernanliegen des CSU-Chefs ist eine Verschärfung der Migrations- und Flüchtlingspolitik – bis zuletzt waren einzelne Details seines Papiers aber unbekannt.
Dem Vernehmen nach soll es künftig hinter der Grenze eine verstärkte Schleierfahndung geben; dort aufgegriffene Flüchtlinge sollen in den geplanten Ankerzentren ein beschleunigtes Prüfverfahren durchlaufen, wenn sie bereits woanders in der EU registriert sind. Seehofer will früheren "Masterplan"-Entwürfen zufolge zudem die Asylverfahren beschleunigen und Integrationsanstrengungen stärker überwachen lassen.
Auslöser des Unionsstreits
In dem 63-Punkte-Plan dürfte er zudem vorschlagen, Migranten, die schon anderswo in der EU einen Asylantrag gestellt haben, direkt von der deutsch-österreichischen Grenze zurückzuschicken. Voraussetzung sind bilaterale Rücknahmeabkommen. Auf diesen Kompromiss hatten sich die Unionsparteien und die große Koalition nach langem Streit geeinigt.
Einer Version des Plans aus der vergangenen Woche zufolge geht es Seehofer auch darum, Asylbewerber zu sanktionieren, die nicht an der Klärung ihrer Identität mitwirken. Erwartet wird, dass Seehofer in seinem "Masterplan" auch Bezug auf die jüngsten EU-Beschlüsse nimmt. Demnach sollen Migranten, die die EU erreichen, in "kontrollierten Zentren" untergebracht und auf freiwilliger Basis unter den EU-Staaten verteilt werden.
Ursprünglich hatte Seehofer sein Papier bereits vor vier Wochen präsentieren wollen. Das verzögerte sich aber, nachdem Kanzlerin Angela Merkel (CDU) Bedenken gegen Zurückweisungen an der Grenze angemeldet hatte.
Polizei: Schleierfahndung bringt nichts
Der SPD-Innenpolitiker Burkhard Lischka warf Seehofer vor der Vorstellung des Papiers vor, die Sozialdemokraten nur unzureichend eingebunden zu haben. "Wenn der Bundesinnenminister aus seinem Masterplan etwas Konkretes für das Handeln der Regierung ableiten möchte, liegt es an ihm, auf seine Koalitionspartner zuzugehen", sagte Lischka der "Augsburger Allgemeinen". "Das macht man nicht auf Pressekonferenzen." Seehofer solle "endlich mal seine Arbeit machen, statt immer neue Ankündigungen in die Welt zu blasen".
Die Bundespolizeigewerkschaft warnt vor zu hohen Erwartungen mit Blick auf eine verstärkte Schleierfahndung in Grenznähe. Niemand solle "die Illusion hegen, dass eine intensivere Schleierfahndung die illegale Migration merklich eindämmt", sagte der Bundesvorsitzende Ernst G. Walter der "Welt". "Dazu müssten wir die Aufgegriffenen auch in Gewahrsam nehmen dürfen. Das ist aber rechtlich ausgeschlossen." Solange die Aufgegriffenen nicht gesichert untergebracht würden, nütze die "schönste Schleierfahndung nichts".
Aus der Opposition kam Kritik an den bislang bekanntgewordenen Plänen Seehofers. "Das ist ein auf Abschottung ausgerichtetes Papier, das den Herausforderungen der Realität nicht gerecht wird", sagte die Grünen-Politikerin Luise Amtsberg der "Augsburger Allgemeinen". AfD-Fraktionschefin Alice Weidel sagte, sie rechne nicht damit, dass die "Masterplan"-Maßnahmen in die Tat umgesetzt würden. "Das sind natürlich Lippenbekenntnisse, die größtenteils von der AfD abgeschrieben wurden", kommentierte sie.
Italien sperrt sich
Einige von Seehofers Maßnahmen können nur funktionieren, wenn andere Staaten mitziehen. Italien sperrt sich bislang jedoch gegen eine Rücknahme der Asylbewerber von der deutsch-österreichischen Grenze. In Nordafrika ist kein Land bereit, die von Seehofer vorgeschlagenen Aufnahmezentren für im Mittelmeer gerettete Migranten auf seinem Staatsgebiet zu tolerieren.
Zuletzt hatte ein Vorstoß des italienischen Innenministers Matteo Salvini für weiteres Aufsehen gesorgt. Salvini will demnach die Hafensperre für Flüchtlings-Rettungsschiffe von Hilfsorganisationen ausweiten und künftig auch Militärschiffen internationaler Missionen das Anlegen in italienischen Häfen verwehren. Ob es so kommt, ist unklar.
Bernd Mesovic, Sprecher der Flüchtlingsorganisation Pro Asyl, sagte der "Bild"-Zeitung: "Salvini will die Gewöhnung der Europäer an das Sterbenlassen. Der Besuch des Papstes auf Lampedusa liegt offenbar lange genug zurück. Da kann man vergessen, dass auf der anderen Seite des Meeres die Hölle auf Erden liegt."
- dpa