Seehofer bei "Maischberger" "Niemand, der die Kanzlerin stürzen will“
Im Schwesternstreit von CDU und CSU über die Flüchtlingspolitik geht es zugespitzt um nichts weniger als das Überleben der gemeinsamen Regierung. CSU-Chef und Bundesinnenminister Horst Seehofer hatte bei Maischberger die Chance, seine Sicht der Dinge zu erläutern.
Die Fronten
Das durfte er exklusiv im kleinen Talkrahmen tun, ohne weitere Kontrahenten im Studio. So blieb es an der Moderatorin, dem Bayern contra zu geben. Das ermüdete sie über die Talkstrecke sichtlich, weil Seehofer beharrlich auf eines verwies: Es gebe noch Spielraum für eine Lösung des Geschwisterzwists. Etwa wenn die Bundeskanzlerin Freitagnacht vom EU-Gipfel eine europäische Lösung in der Flüchtlingspolitik vermelden könne.
Dabei wollte Maischberger im Kern eigentlich wissen, ob der CSU-Mann oder die Kanzlerin einen Plan B in der Schublade haben, wenn europäische Schritte den innerdeutschen Regierungsstreit nicht heilen könnten. Er sei "Fan" europäischer Lösungen, betonte Seehofer. Warum er dann der Kanzlerin nicht den Rücken gestärkt habe, setzte die Moderatorin die erste Marke. Um gleich die zweite hinterher zu schieben: eine Einigung der Unionsparteien vor dem Gipfel wäre "gut gewesen". Seehofer blieb hart. "Worauf hätten wir uns einigen sollen?“, so sein Konter.
Schnell wurde klar, was er die ganze Sendung über vermitteln würde: Von seiner Grundüberzeugung, dass in der Asylpolitik in Deutschland viel schief laufe, seine harte Kante dem Wählerwillen entspreche und der Rechtsstaat "Biss“ haben müsse, würde er nicht abweichen. Seehofer betonte, Überzeugung sei ihm wichtiger als politisches Taktieren. Gefährdung der Regierung, Sprengung der Fraktion oder Kanzlerinnen-Sturz habe indes in der CSU niemand im Sinn. Er nehme den Bruch doch in Kauf, konterte Maischberger und nannte die Metapher der aufeinander zurasenden Züge. Die müsse er als Modelleisenbahn-Fan doch kennen.
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Der Aufreger des Abends
Der Ton im Studio wurde schärfer. So meinte Seehofer etwa, die Personengruppe, die er nicht ins Land lassen wolle betreibe "Asyltourismus". Maischberger war sichtlich geschockt. Er glaube also, dass ein Geflohener, der aus Verzweiflung weiterziehe ein Tourist sei, so ihre Conclusio. Seehofer tat das als Überreaktion der "Sprachpolizei" ab. Die CSU neige eher zur "Sprachvergiftung“, entgegnete Maischberger. Seehofer blieb nur der Rückzug auf das Argument, Bayern sei "weltoffen“. Immerhin habe Augsburg einen Migrantenanteil von 40 Prozent. Zu diesem "weltoffen" mochte Seehofers Haltung nicht recht passen. So urteilte er, das auf Malta gelandete Flüchtlingsschiff "Lifeline" sei ein verlängerter Arm der Schleusertätigkeiten.
Maischberger irritierte Seehofers harte Haltung immer mehr, je länger die Sendung dauerte. Warum er der Kanzlerin das zweiwöchige Ultimatum gestellt habe, fragte sie. Das habe er nicht, so Seehofer. Die Kanzlerin habe um diese Zeit gebeten. Warum er ihr eine so hohe Hürde gebaut habe, über die sie nicht springen könne, so Maischberger weiter. Seehofer blieb nur, sein Mantra gleich zu wiederholen, er verfolge mit der Kanzlerin das gleiche Ziel: Bei 62,5 Punkten von 63 seines Masterplans sei man sich einig und die Öffentlichkeit müsse abwarten, was der EU-Gipfel bringe.
Maischberger legte offen: Der Hund liegt im Persönlichen zwischen Merkel und Seehofer begraben. Auch wenn der CSU-Mann das vehement abstritt und offensichtliche Animositäten darauf abschob, im Politikbetrieb sei das so. Bis Maischberger das Zauberwort "Richtlinienkompetenz" fallen ließ. Mit dieser kann sich die Bundeskanzlerin über den Innenminister hinwegsetzen und ihm letztendlich den Stuhl vor die Tür stellen. Ob ihn diese Drohung verletzt habe? Seehofer stockte. Das sei "ein schwieriger Moment" für ihn gewesen, so der Bayer. Zumal er aus der Presse davon erfahren habe.
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Seine drei Worte verdeutlichten noch etwas anderes, Maischberger brachte es auf den Punkt. Seehofer sitzt seiner Partei und bald dem bayerischen Landtagswähler gegenüber in einer Glaubwürdigkeitsfalle. Eine aktuelle Forsa-Umfrage sieht die CSU aktuell bei 40 Prozent in Bayern. Merkel dagegen ist in Erklärungsnot. Ein Dilemma, für das beide scheinbar keinen Plan B in der Tasche haben.
Der Faktencheck
Seehofer betonte, es gehe ihm um zwei Gruppen, die er gerne an der Grenze zurückweisen würde: Einreisewillige, die schon mal abgeschoben wurden und daher mit einer formellen Einreisesperre belegt seien. Mit 100 Menschen 2017 eine zu vernachlässigende Zahl. Größer die Zahl derer, die irgendwo in der EU einen Asylantrag gestellt haben, sich laut Seehofer dann auf sicherem Terrain bewegten und daher an der deutschen Grenze abgewiesen werden sollten. 46.000 Menschen wären das 2017 gewesen. Die Franzosen machten das auch. 2017 seien an der Grenze zu Italien rund 87.000 Personen abgewiesen worden. Die Zahlen stimmen.
Auch Maischbergers Einwand, ob der Aufwand der Grenzkontrollen verhältnismäßig sei, wischte Seehofer mit dem Hinweis weg, es gehe nicht um Zahlen, sondern um die präventive Wirkung. Die Behauptung, mit den Abweisungen befände sich sein Ministerium auf rechtlich sicherem Terrain indes, sah nicht nur Maischberger kritisch.
Der EU-Rechtsexperte und Professor an der Universität Osnabrück, Thomas Groß, verweist unter anderem auf die Tatsache, dass Seehofers Pläne Grenzkontrollen erforderten. Nach Artikel 77 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union sind diese innerhalb Europas aber untersagt. Egal welche Staatsangehörigkeit der Einreisende hat.