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Asylstreit in der Union: "Von diesem Tag wird sich Merkel nicht mehr erholen"


Presseschau zum Unionskrach
"Von diesem Tag wird sich Merkel nicht mehr erholen"

Von afp, dpa
Aktualisiert am 15.06.2018Lesedauer: 4 Min.
Schwere Zeiten für Angela Merkel: Für die Kanzlerin geht es im Asylstreit darum, ein Auseinanderbrechen der Koalition zu verhindern.Vergrößern des Bildes
Schwere Zeiten für Angela Merkel: Für die Kanzlerin geht es im Asylstreit darum, ein Auseinanderbrechen der Koalition zu verhindern. (Quelle: Archivbild/Bernd von Jutrczenka/dpa-bilder)
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Endet die Koalition mit einem großen Knall? Auswirkungen hat der Asylstreit zwischen Merkel und Seehofer auf jeden Fall, wie die nationale und internationale Presse kommentiert.

Showdown im Bundestag. Was als Asylstreit begann, ist am Donnerstag in einen waschechten Krach ausgeartet. Endet die Koalition gar mit einem großen Knall? Stundenlang war die Sitzung des Bundestages unterbrochen, damit CDU- und CSU-Fraktion jeweils getrennt voneinander über die Richtung beim umstrittenen "Masterplan Migration" debattieren konnten. Das Duell Merkel gegen Seehofer ist auch in der nationalen wie internationalen Presse tonangebend – wenn auch mit unterschiedlichen Interpretationen.

Alle reden von Flüchtlingen, doch für die "Süddeutsche Zeitung" geht es Seehofer um etwas ganz anderes: "Es geht letztlich gar nicht so sehr um die Abweisung von Flüchtlingen direkt an der Grenze, es geht um irgendeinen Flüchtlingsgroßkonflikt, um sich von der Kanzlerin abzugrenzen und Anschluss an die Antiflüchtlingsstimmung zu kriegen. Man kann die Flüchtlinge auch im Inland prüfen und gegebenenfalls aus- und abweisen. Aber das bringt nicht die Plakativität, um die es der CSU heute zu tun ist. Wie reagiert Merkel? Sie muss jetzt etwas wagen. Leute, die jedes Risiko scheuen, gehen das größte Risiko ein."

Die "Frankfurter Rundschau" erinnert daran, dass die jetzige Koalition nicht nur aus CDU und CSU besteht – und zählt die Kanzlerin an: "Selbst wenn CDU und CSU einen Kompromiss in der Grenzfrage fänden, wird es für die SPD schwer ihn zu akzeptieren. Und die Angriffe der CSU-Granden kamen einem offenen Misstrauensvotum gleich. Trotz teils bösartiger Angriffe auf Merkel aus der CSU, stärkte ihr die eigene Fraktion nur scheinbar den Rücken: Indem sie ihr zwei Wochen Zeit für eine europäische Lösung einräumte, schlug sie sich nicht auf ihre Seite, sondern stellte der Kanzlerin ein Ultimatum. Wie auch immer der Streit um diesen konkreten Punkt ausgeht: Von diesem Tag wird sich Merkel als Kanzlerin nicht mehr erholen.

Auch t-online.de-Chefredakteur Florian Harms ist überzeugt, dass die Koalitionskrise mehr als nur Flüchtlingspolitik als Ursache hat: "Es geht um Symbole und um Macht. Anders als zu seiner Zeit als bayerischer Ministerpräsident sitzt Seehofer nun in Merkels Kabinett und unterliegt ihrer Richtlinienkompetenz. Zugleich nutzt er es aus, dass Merkel von der Unterstützung seiner CSU abhängig ist. Die 'jungen Wilden' in der CSU – Söder, Dobrindt, Scheuer, Blume – versuchen, Merkel kleinzukriegen; und Seehofer lässt sie gewähren. Gibt Merkel nach, ist ihre Autorität passé und sie hat künftig einen CSU-Nebenkanzler. Beharrt sie auf ihrer im Kern liberalen Flüchtlingspolitik, riskiert sie den Bruch mit der CSU und damit ihre Kanzlerschaft. Noch brisanter wird die Situation, weil Seehofer die Mehrheit der Bevölkerung auf seiner Seite wähnt. Merkel hat eher nicht die Mehrheit, und vielleicht hat sie noch nicht mal mehr recht. Das Einzige, was sie noch hat, ist die Macht. Und die wankt.

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Doch auch in der internationalen Presse wurde der dramatische Tag im Bundestag aufgegriffen. Die Londoner "Times" sieht Kanzlerin Merkel umzingelt – nicht nur im Bundestag: "Deutschlands Konservative scharen sich hinter der Forderung nach stärkeren Maßnahmen, und damit isolieren sie die Bundeskanzlerin. Tatsächlich scheint die von Österreichs Kanzler Sebastian Kurz angestrebte "Achse der Willigen" Merkel zu umzingeln. Das könnte sie trotz ihrer Koalition mit den Sozialdemokraten zu einem Rechtsruck zwingen oder dazu, das Handtuch zu werfen. Sie kann nicht hoffen, dass sich die Zeit vor 2015 zurückdrehen lässt, als die EU-Regeln anscheinend noch eingehalten wurden. Wenn es der politischen Mitte nicht gelingt, die Forderung nach einer Revision des Systems der Migration zu entsprechen, wird die Stimme der Populisten immer kreischender werden."

Die "Neue Zürcher Zeitung" sieht im Aufstand der Berliner CSU vor allem einen Grund: "Kann es einen Kompromiss geben? Die CSU steht geschlossen hinter Seehofer und gibt sich kampfbereit wie lange nicht. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder sprach kurz vor der Sitzung im Bundestag von einem Endspiel um die Glaubwürdigkeit. Der schrille Ton hat vor allem einen Grund: Am 14. Oktober steht im Freistaat die Landtagswahl an, weshalb die Partei, die dort seit Jahrzehnten regiert, keine Lösung akzeptieren will, bei der sie als Verlierer dasteht. Besonders in der umkämpften Asylfrage steht sie unter Druck der auch in Bayern erstarkten AfD. Für die Christlichsozialen gilt seit je eine Regel: Es ist schön und wichtig, in Berlin mitzuentscheiden, aber die Macht in Bayern ist wichtiger als alles andere."

Die belgische Zeitung "De Standaard" fürchtet einen Flächenbrand, sollte die Kanzlerin bei der Flüchtlingsfrage umfallen."Was die von der extremen Rechten aufgehetzten Christdemokraten aus Bayern wollen, ist – nicht nur laut Bundeskanzlerin Angela Merkel, sondern auch Experten für europäisches Recht zufolge, unvereinbar mit den europäischen Regeln für Asyl und Migration. Wenn sich nun selbst Deutschland nicht mehr daran gebunden fühlen sollte, ginge es in Europa völlig drunter und drüber. Sollte das führende Land in der Europäischen Union seine Grenzen schließen, dann würden andere Länder es für legitim erachten, dasselbe zu tun. Dann bliebe von der europäischen Solidarität nichts mehr übrig und es hieße jeder für sich allein."

Verwendete Quellen
  • dpa, AFP
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