"Einzeltäter motivieren" Was hat Russland mit den Anschlägen in Deutschland zu tun?
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Eine Anschlagsserie erschüttert Deutschland und beeinflusst den Wahlkampf. Jetzt gerät der Kreml in den Verdacht, den Terrorismus zumindest indirekt zu fördern.
Eine Serie von Anschlägen innerhalb weniger Monate erschüttert Deutschland. Die Taten in Solingen, Mannheim, Aschaffenburg, Magdeburg und zuletzt in München werfen viele Fragen auf. Vor allem die Tatsache, dass mehrere der mutmaßlichen Täter aus Afghanistan stammen, sorgt für Diskussionen. Nun kommt eine neue Theorie auf: Könnte Russland in diese Anschläge verwickelt sein?
Dem "Spiegel" zufolge sollen russische Agenten den Taliban in Afghanistan Geld geboten haben für Anschläge in Europa. Dem Bericht von Mitte Januar zufolge gibt es Hinweise darauf, dass mindestens zwei afghanische Asylbewerber in Deutschland Verbindungen zu diesem Netzwerk gehabt haben sollen. Stecken also möglicherweise Russland und die Taliban hinter Anschlägen in Deutschland?
Russische Einflussnahme unbewiesen
"Das ist durchaus möglich, wir hatten entsprechende Hinweise", sagte jetzt Hans-Jakob Schindler, der Direktor der NGO Counter Extremism Project (CEP), der "Frankfurter Rundschau". Beweise für eine Verwicklung Russlands oder der Taliban in die Anschläge in Deutschland sieht Schindler allerdings nicht: "Gewalttaten kurz vor bedeutenden Wahlen würden den Russen durchaus gelegen kommen", so der Extremismusforscher. "Allerdings lassen sich Anschläge nicht genau timen. Dafür müsste Russland direkt bei dem jeweiligen Täter intervenieren. Das hätte bei den Ermittlungen zu den Anschlägen der letzten Monate auffallen müssen", so Schindler.
Vielmehr sieht er die Möglichkeit, dass Russland indirekt Einfluss auf extremistische Taten haben könnte. Im Fall des Anschlags von München hatte sich der mutmaßliche Täter nach aktuellem Ermittlungsstand im Internet radikalisiert. Und dort ist die russische Propagandamaschinerie sehr wohl aktiv, sagt Schindler.
"Gesellschaft spalten und Unsicherheit verbreiten"
"Die Russen stellen sicherlich radikalisierendes Material ins Netz, sowohl rechts- und linksradikale Inhalte, als auch islamistisches Material. Das Ziel ist letztlich auch, Einzeltäter auf diese Weise zu Anschlägen zu motivieren und für Unsicherheit zu sorgen. Das ist Teil von hybrider Kriegsführung", sagt Schindler. Es sei äußerst wahrscheinlich, dass Russland vor Wahlen seine hybride Kriegsführung intensiviere und noch mehr Desinformationen und extremistische Inhalte verbreite.
Dabei sei es nicht die Absicht Russlands, in Deutschland ein bestimmtes Wahlergebnis herbeizuführen, sondern ganz einfach die "Gesellschaft zu spalten und Unsicherheit zu verbreiten", erklärt der Terrorismusexperte. Welche politischen Kräfte davon profitieren, sei für Russland nebensächlich: "Solange die gesellschaftliche Spaltung sich vertieft und das politische System lähmt."
Schindler: Migrationspolitik allein kann Problem nicht lösen
Schindler sieht drei Faktoren, die islamistische Anschläge zurzeit begünstigen. "Erstens: Terrororganisationen wie der IS haben viel mehr Handlungsspielraum, seit sich Bundeswehr und US-Streitkräfte aus dem Nahen Osten, Afghanistan und Westafrika zurückgezogen haben. Zweitens begünstigen die sozialen Medien Radikalisierungsversuche." Auf Plattformen wie X, Meta und TikTok gebe es kaum Kontrolle und keine verpflichtende Zusammenarbeit mit den Sicherheitsbehörden. "Und drittens: Die Sicherheitsbehörden haben zu wenig Handhabe", fügt Schindler hinzu.
Er betont zudem, dass eine verschärfte Migrationspolitik, wie sie derzeit im Wahlkampf diskutiert wird, das Problem nicht allein lösen kann. Die mutmaßlichen Täter der Anschläge seien nicht erst vor Kurzem nach Deutschland gekommen – einige lebten bereits seit mehreren Jahren hier und hätten sich in dieser Zeit radikalisiert, so der Experte. Die Kontrolle der Migrationsströme sei zwar wichtig, "aber alleine können diese Maßnahmen die Sicherheitslage nicht nachhaltig verbessern."