Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.
Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.Livetalk mit Elon Musk Weidel spuckt auf das Andenken von NS-Opfern
"Irre" und "Bullshit" – so kommentieren viele den Talk zwischen Alice Weidel und Elon Musk. Dabei lässt sich daraus viel lernen.
"Bullshit-Talk" – so bezeichnen viele das Gespräch zwischen AfD-Chefin Alice Weidel und Tech-Milliardär Elon Musk. Doch diese Beschreibung springt zu kurz und verharmlost, was nicht verharmlost werden sollte. Drei wichtige Lehren aus dem Live-Talk im Netz:
1. Weidel wandelt auf Höckes Wegen
AfD-Chefin Alice Weidel ist keine Wirtschaftsliberale, keine Konservative. Sie ist keine "irgendwie Normale" im "gärigen Haufen" AfD, als die sie viele noch heute sehen. In dieser Woche hat Weidel final bewiesen: Sie spricht wie der Thüringer AfD-Rechtsextremist Björn Höcke und verbreitet dieselben Narrative wie er.
Am Montag erst gab sie einem rechten US-Medium ein Interview, in dem sie die Bundesrepublik immer wieder als "Kolonie" und "besiegtes Land" sowie die Deutschen indirekt als "Sklaven" bezeichnete. Das ist ein Sprech, wie ihn die völlig von der Demokratie entkoppelte und oft zum Militanten strebende Reichsbürgerszene pflegt, zu der besonders der völkische Flügel in der AfD enge Kontakte hat.
Den Talk mit Musk nutzte die AfD-Chefin, um die Geschichte zu verfälschen und den Nationalsozialismus zu verharmlosen. Hitler sei Kommunist gewesen, behauptete sie da wiederholt und minutenlang. Auch später blieb sie dabei und unterfütterte die Lüge mit weiteren Pseudoargumenten. Bitte, was?
Das Gegenteil ist wahr: Die Nazis verfolgten, verhafteten und ermordeten Kommunisten in Verhörkellern und Konzentrationslagern. Tausende Kommunisten ließen so ihr Leben. Früh nahmen die Nazis auch kommunistische Volksvertreter im Parlament ins Visier. Heute erinnert ein Mahnmal vor Weidels Arbeitsstätte, dem Deutschen Bundestag, gezielt an jene Abgeordneten, die von 1933 bis 1945 in den Tod getrieben oder vorsätzlich ermordet wurden. 96 Namen sind dort mit Parteizugehörigkeit eingraviert auf gusseisernen Platten – viele von ihnen waren Kommunisten. Man möchte Weidel einen Zwangsbesuch dort verordnen. Allein, was würde es bringen?
Weidel spuckt mit ihrer Geschichtsverfälschung auf die NS-Opfer, auf die Erinnerung an sie, auf die Wahrheit. Sie nutzt dabei eine mediale Reichweite, die ihr sonst nie zuteil wird. Und sie dürfte das sehr bewusst tun. Kein deutscher Politiker – auch und gerade nicht der AfD – würde in diesem Kontext minutenlang über Hitler referieren, noch dazu fast fehlerfrei in einer Fremdsprache. Nicht ohne Vorbereitung.
Man darf also davon ausgehen: Weidel wollte die Hitler-Lüge als Thema setzen, ganz gezielt. Sie wollte an der deutschen Erinnerung rütteln, sie auf falsche Gleise setzen, die eigene Ideologie so von ihm reinwaschen. Sie folgt damit derselben Strategie wie Björn Höcke, als der wegen Verwendung des SA-Spruchs "Alles für Deutschland" angeklagt war und jeden Auftritt vor Gericht nutzte, um zu behaupten, es handle sich gar nicht um einen Spruch von Hitlers SA.
2. Musk ist das größte Geschenk für die AfD
Musk stellte im Talk mit Weidel nicht eine kritische Frage, sondern lediglich gefällige. Der Mann, der als so klug gilt, wenn es um Maschinenbau und Technik geht, schaltet offenbar bereitwillig sein Hirn aus, wenn es politisch wird. Das überrascht wenig. Seit Langem schon beweist Musk: Propaganda für die internationale Rechte geht ihm über alles.
Warum sein Einsatz für die AfD so relevant ist, erklärte im Anschluss an Weidels Talk auf X anschaulich der ehemalige AfD-Europa- und Skandal-Spitzenkandidat Maximilian Krah – ebenfalls in einem eigenen englischsprachigen Talk mit hochkarätigem internationalem Publikum der rechten Szene. Der Titel des Gesprächs: "Germanys MAGA-Revolution?"
In Deutschland sei alles "ein Marathon – kein Sprint", so der rechtsradikale Krah da mitten in der deutschen Nacht. Die rechte Revolution hierzulande komme langsamer voran als in anderen Ländern – wegen Deutschlands Geschichte, wegen des Aufbaus seines politischen Systems. Viel aber habe man bereits erreicht. Und der Talk mit Musk sei ein weiterer wichtiger Schritt.
"Elon Musk ist jetzt mit uns auf der dunklen Seite der Brandmauer", so Krah. "Viele junge Deutsche werden sich nun fragen: Auf welcher Seite möchte ich stehen? Auf der hellen Seite mit der Regierung – oder auf der dunklen Seite mit Elon?"
3. Die Medien müssen vorsichtig sein
Lüge, Faktenverdrehung, NS-Verharmlosung: Der Weidel-Musk-Talk war ein eindrückliches Beispiel, warum man Rechtsradikalen in normalen Medien nicht dieselbe Plattform bietet wie anderen politischen Playern. Das bedeutet nicht, sie nicht zu Wort kommen zu lassen. Vorsicht, die richtige Dosierung, kluge Formate und Einordnungen aber sind nötig, um Antidemokraten nicht reine PR zu verschaffen.
Das gelang am Donnerstagabend nur bedingt. Viele Medien machten sich die Mühe nicht, einzuordnen. Weidels Hitler-Lüge verbreitete sich als direktes Zitat in Überschriften oder in Meldungen ohne jeden Kontext. Verfehlt wurde von so mancher Redaktion die Aufgabe des Journalismus, kritisch zu sein und wahrheitsgemäß zu informieren. Stattdessen machte man sich zum willigen Multiplikator rechter Geschichtsklitterung.
Angesichts der starken Umfragewerte der AfD scheinen sich im medialen Umgang mit ihr nun Fehler zu wiederholen, die schon vor elf Jahren bei ihrer Gründung zuhauf gemacht wurden und eigentlich ausgemerzt schienen. Das ist ein schlechtes Zeichen für die anstehenden Wochen.
Denn die AfD hat offensichtlich keinerlei Interesse daran, sich inhaltlich zu zügeln. Ihre Chefin ist dafür der beste Beweis. Die Plattformen, die ihr dieser Wahlkampf zuhauf bietet, werden Weidel und ihre Partei zu nutzen wissen – und zwar nicht im Sinne unserer Demokratie.
- Eigene Beobachtungen und Einschätzungen