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Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.FDP-Plakatkampagne Lindner geht ins Risiko
Die FDP will im Wahlkampf mit Wirtschaftsthemen und ihrem Parteichef Lindner punkten. Das Motto dafür kann aufgehen, muss es aber nicht.
Es ist eine eindeutige Botschaft, mit der die Liberalen in den Wahlkampf starten – und eine gewagte. "Alles lässt sich ändern", so lautet das Motto der Plakatkampagne, die FDP-Chef Christian Lindner und sein designierter Neu-Generalsekretär Marco Buschmann am Dienstag vorgestellt haben.
Alles lässt sich ändern? In diesen vier Worten schwingt viel mit. Zunächst vielleicht das, was die FDP auch rüberbringen will: Deutschland steckt fest, die Wirtschaft stagniert, es muss sich schleunigst etwas tun. Und wer das erkennt, bekommt hier ein Angebot, der kann, nein muss sein Kreuz bei der FDP machen. Sonst, das steht zwischen den Zeilen, geht mit SPD, Grünen und CDU alles so weiter wie bisher.
Zugleich dürften sich viele Wählerinnen und Wähler aber auch fragen: Na, wenn sich alles ändern lässt – warum habt ihr Liberale es dann in drei Jahren Regierungsverantwortung nicht längst getan?
Lindner zieht – aber er polarisiert
Hinzu kommt, dass gerade in Deutschland viele Menschen die immer komplexere Welt überfordert. Viele wünschen sich, dass alles so bleibt, wie es ist, womöglich gar zurückgedreht wird auf den Stand einer wohl nie existenten "guten, alten Zeit". Veränderung macht (siehe Heizungsgesetz) vielen Deutschen Angst – und Plakate, die Veränderung anbieten, ja implizit androhen, sind daher ein Risiko.
Ähnlich ambivalent verhält es sich mit demjenigen, der auf allen Plakaten als einziger Kopf zu sehen ist. Statt die Slogans mit passenden Themenmotiven zu bebildern, prangt neben jedem Spruch (zum Beispiel: "Schulden: Kinder haften für ihre Eltern") das Konterfei des Parteichefs, das Gesicht von Christian Lindner.
Als derzeit dienstältester Parteivorsitzender ist der zwar zweifellos die bekannteste Person, die die FDP zu bieten hat, im Grunde ihr einziges Zugpferd. Allerdings ist er jenseits des harten FDP-Wählerkerns auch jemand, der polarisiert, den viele als kühl und berechnend empfinden, alles andere als sympathisch. Wählerstimmen über das bürgerliche Milieu hinaus sind mit Lindner schwer zu bekommen.
Wahlkampfhilfe vom CDU-Chef?
Damit ist klar, was das Ziel der Liberalen für die kommenden 75 Tage ist, und angesichts der mauen Umfragewerte geht es wohl auch kaum anders: irgendwie die Fünfprozenthürde knacken, den Wiedereinzug in den Bundestag schaffen – und dafür vor allem die Stammwähler ansprechen. Menschen also, die Lindner als Person gut finden, die Veränderung nicht fürchten, sondern begrüßen, und die sich eine liberalere Wirtschaftspolitik wünschen. Denn eine solche Politik braucht das Land im zweiten Rezessionsjahr in Folge.
Ob dieses Kalkül aufgeht, muss sich freilich noch zeigen. Wider Willen behilflich sein kann der FDP, das haben die letzten Tage gezeigt, dabei einer, der einst selbst für einen wirtschaftsliberalen Kurs stand, von dem er zuletzt jedoch Abstand nahm: CDU-Spitzenkandidat Friedrich Merz.
Er dürfte mit seinen jüngsten Aussagen zur Schuldenbremse, aber auch über Wirtschaftsminister Robert Habeck und dessen Grüne, manch einen, der zwischen Liberalen und Konservativen schwankt, irritiert haben. Die Farbgebung der FDP-Plakate ist wohl kaum zufällig: schwarz-gelb.
- Eigene Beobachtungen